Der Marktstratege und Historiker Russell Napier skizziert eine Zukunft, in der Regierungen mandatieren, wo Investoren ihr Kapital einsetzen sollen. Das Weltfinanzsystem, das seit 1994 Bestand hatte, steht vor radikalen Veränderungen.
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Wenn Russell Napier spricht, hören Investoren weltweit genau zu. Der langjährige Marktstratege – früher in Diensten des Hongkonger Brokerhauses CLSA – und Verfasser des «Solid Ground Report» zählte im Sommer 2020 zu den frühesten Warnern einer drohenden Inflationswelle. Vor zwei Jahren stellte er im Interview mit The Market einen Boom in den globalen Kapitalinvestitionen in Aussicht.
Napier ist weiterhin überzeugt, dass das Weltfinanzsystem im Prozess einer fundamentalen Veränderung steht. «Wir sprechen von nichts Geringerem als einem Zusammenbruch des globalen Währungssystems, das die letzten drei Jahrzehnte Bestand hatte», sagt er.
Im Gespräch mit The Market erklärt er, was das bedeutet und wie sich Investoren darauf vorbereiten sollen.
Herr Napier, als wir das letzte Mal miteinander sprachen, sagten Sie eine mehrjährige Phase finanzieller Repression voraus. Regierungen würden Inflation tolerieren und die Zinsen unterdrücken, um aus ihrem Schuldenproblem herauszuwachsen. Ist das immer noch Ihre Ansicht?
Langfristig gesehen, ja. Finanzielle Repression und die Inflationierung von Schulden werden uns noch Jahre begleiten. Aber ich denke, wir erleben jetzt ein Intermezzo. Die Regierungen haben im Jahr 2021 genau das getan, was ich gesagt habe: Sie haben in grossem Umfang Geld geschaffen. Ihr Handeln führte, wie vorherzusehen war, zu Inflation. Aber dann gerieten sie in Panik und spielten den Ball an die Zentralbanker zurück, damit diese etwas gegen die zu hohe Inflation tun. Meiner Meinung nach sind die Zentralbanken zu stark auf die Bremse getreten. Ich befürchte, dass wir kurzfristig mit einem deflationären Schock konfrontiert sein könnten.
Wieso denken Sie, dass die Zentralbanken zu stark gebremst haben?
Wir haben einen Einbruch des Wachstums der breiten Geldmenge in einer Grössenordnung erlebt, wie wir es seit den 1930er-Jahren nicht mehr gesehen haben. Nun könnte man sagen, dass dies keine Rolle spielt, da die Geldmenge M2 zwischen 2020 und 2022 förmlich explodiert ist. Aber ich fürchte, dieser Rückgang war zu heftig.
In den USA und in Europa hat das Wachstum der Geldmenge M2 wieder leicht angezogen. Die Zentralbanken haben begonnen, die Zinsen zu senken. Warum befürchten Sie trotzdem einen Deflationsschock?
Das Wachstum der breiten Geldmenge ist zu schwach. Es müsste sich beschleunigen. Die Höhe des M2-Wachstums im Verhältnis zum aktuellen Zinsniveau ist nicht mit dem vereinbar, was für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum erforderlich wäre.
Die Inflation, besonders in den USA, verhält sich hartnäckig. Denken Sie nicht, dass eine weitere Inflationswelle droht?
Ich kann diese These nicht mit der Wachstumsrate der Geldmenge in Einklang bringen. Sicher, wenn es zu einem Angebotsschock käme, würde die Inflation steigen. Aber wenn die breite Geldmenge nicht steigt, deutet das darauf hin, dass sich die Wirtschaftsdynamik abschwächt. Ich betrachte die Dinge durch ein monetäres Prisma. Meiner Meinung nach wird der unmittelbar nächste Schock eher deflationär sein.
Woher könnte dieser Schock kommen?
Darüber könnten wir den ganzen Tag werweissen. Es könnte ein heftiger Anstieg der Renditen auf französischen Staatsanleihen sein. Es könnte sein, dass Peking den Wechselkurs des Yuan freigibt. Es könnte sein, dass der Carry-Trade mit dem Yen in Turbulenzen gerät. Und es gibt noch eine vierte Möglichkeit, nämlich das unbekannte Unbekannte: Irgendein Akteur irgendwo im Finanzsystem gerät in Schwierigkeiten, und das löst eine Schockwelle aus.
Sie sagen also, dass wir zunächst einen Deflationsschock erleben könnten, bevor wir zu höherer Inflation zurückkehren?
Ja, meine längerfristige Prognose von finanzieller Repression bleibt unverändert. Inflation ist der einzige Weg, den ich sehe, der uns aus der Rekordverschuldung herausführen wird. Ich sehe angesichts der schwachen Liquiditätslage bloss zunächst die Gefahr eines Schocks. Deflationsschocks sind schlecht für die Wirtschaft, sie sind hässlich für Aktienmärkte und sehr gefährlich für alle Akteure, die hoch verschuldet sind. Als Anleger verdient man kein Geld, indem man versucht, Deflationsschocks vorherzusagen, sondern indem man sich auf die Reaktion der Regierungen vorbereitet. Und ich bin überzeugt, dass die Regierungen schnell reagieren werden, indem sie die Banken zwingen, Kredite zu vergeben, indem sie die Zinsen drücken und indem sie Investitionen in Dinge lenken, die sie wollen.
Welches sind die Signale, die Ihnen zeigen, dass dies tatsächlich geschieht?
Am 26. April hielt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron eine Rede an der Sorbonne. Ihr Titel lautete «Europe – It Can Die». Lesen Sie sie. In einem aufschlussreichen Teil seiner Rede moniert Macron, dass die Europäer jedes Jahr 300 Mrd. € in die USA schicken, um die amerikanische Regierung und amerikanische Unternehmen zu finanzieren. Mit anderen Worten: Macron skizziert ein Konzept von nationalen Ersparnissen, und er suggeriert, dass diese dem nationalen Wohl dienen sollen. Mario Draghi führt in seinem Bericht an die EU-Kommission auch diverse Ziele auf, die mit neu geschaffenem Geld erreicht werden sollen. Die britische Regierung spricht derweil von einer Mandatierung, die besagt, dass britische Pensionsfonds einen Prozentsatz ihres Kapitals im Inland investieren müssen. Das ist es, was uns blüht. Regierungen werden Investoren vorschreiben, wie und wo sie ihr Kapital einzusetzen haben.
Und das entspräche Ihrer Definition von finanzieller Repression?
Ja. Wir bewegen uns auf ein System des nationalen Kapitalismus zu. Interessanterweise wurde der Begriff ‹nationaler Kapitalismus› schon einmal verwendet, und zwar von einem Mann, der einst in Zürich lebte: Er hiess Lenin. In einem System des nationalen Kapitalismus lenken die Regierungen die nationalen Ersparnisse auf national erwünschte Ziele. Und unsere heutigen Ziele sind Investitionen, wie sie von Macron oder Draghi und auch von industriepolitischen Initiativen in den USA skizziert werden: Investitionen in die Energieinfrastruktur, in die Verteidigung, in Produktionskapazitäten, um das Risiko gegenüber China zu verringern. Falls wir in einen schlimmen Kalten Krieg mit China geraten, wird das hohe nationale Priorität haben.
Erwarten Sie eine Fortsetzung des Booms in den Kapitalinvestitionen, den Sie vor zwei Jahren prognostiziert haben?
Ja, die Weichen sind gestellt. Sie können es Industriepolitik, Friendshoring oder De-Risking nennen, es läuft alles auf dasselbe hinaus: Investitionen, die vom Staat gelenkt werden. Lesen Sie die Rede von Macron. Natürlich neigt er zu dramatischen Äusserungen, aber er hat nicht gesagt, Europa sei ein bisschen krank; er hat gesagt, Europa kann sterben, wenn es nicht investiert. Bei der Herstellung von Rüstungsgütern geht es um Leben und Tod. Es ist zu einer Frage des nationalen Überlebens geworden, zu investieren. Überall auf der Welt sehen sich die Regierungen gezwungen, Investitionen auf die Ziele zu lenken, die sie erreichen wollen.
Und da die Verschuldung bereits ein zu hohes Niveau erreicht hat, müssen die nationalen Ersparnisse angezapft und die Zinsen an den Kapitalmärkten gedrückt werden?
Genau. Weltweit liegt die Gesamtverschuldung – die Verschuldung der Staaten und der privaten Akteure – im Verhältnis zum BIP heute bei fast 200%. Das haben wir noch nie erlebt. Frankreich liegt bei 311%, die USA bei 255%, Japan bei 400%. Wir sprechen von mindestens anderthalb Jahrzehnten, um dieses Problem zu beheben. In Japan und Frankreich wird es noch länger dauern.
Sehen Sie die Möglichkeit, dass Technologien wie künstliche Intelligenz einen Produktivitätsboom auslösen, der das reale Wirtschaftswachstum dermassen ankurbelt, dass unsere Volkswirtschaften aus der Verschuldung herauswachsen können?
Es gibt nur fünf Auswege aus einer Überschuldung: Austerität, Zahlungsausfall, hohes Realwachstum, Hyperinflation oder finanzielle Repression. Die beste Lösung wäre ein hohes Realwachstum. Dazu wäre eine Produktivitätsrevolution nötig, die das reale Wachstum auf 3 bis 4% anhebt. Wird KI das schaffen? Ich bezweifle es. Es gibt dazu ein interessantes Buch von Alasdair Nairn mit dem Titel «Engines that Move Markets». Er geht zurück bis zum Eisenbahnboom im 19. Jahrhundert und zeigt ein sehr konsistentes Muster: Wenn eine neue Technologie auf den Markt kommt, zieht sie riesige Mengen an Kapital an. Das führt unweigerlich zu Überinvestitionen, und irgendwann bricht das Ganze zusammen. In der Regel findet man erst in den Trümmern der geplatzten ersten Investitionsblase die produktiven Anwendungen der neuen Technologie. Denken Sie an Amazon: Heute gilt das Unternehmen als klarer Gewinner des Internetzeitalters. Aber von 2000 bis 2003 fiel der Aktienkurs von Amazon um 90%. Wird es bei KI anders sein? Ich bin nicht klug genug, um das zu sagen. Aber ich denke nicht, dass KI das Wachstum liefert, das uns erlaubt, unser Schuldenproblem loszuwerden.
Das von Ihnen beschriebene System des nationalen Kapitalismus würde alles auf den Kopf stellen, was für die meisten Anleger heute selbstverständlich ist: freier Kapitalfluss, marktbasierte Zinsen und dergleichen.
Ja. Der wichtigste Teil ist die Idee, dass nationale Ersparnisse für nationale Zwecke verwendet werden sollen. Es wird grossen Druck geben, Kapital zu repatriieren, zurück nach Europa und zurück nach Japan zum Beispiel. Zudem müssen wir verstehen, wie sehr das heutige Weltfinanzsystem auf China und seiner 1994 getroffenen Entscheidung beruht, den Wechselkurs des Yuan zum Dollar zu pflegen. Nach der Asienkrise von 1997/98 begannen die meisten asiatischen Länder, das Gleiche zu tun. Das Ergebnis war ein exponentielles Wachstum der Dollarreserven. Alle diese Länder waren preisunempfindliche Käufer von US-Vermögenswerten. Dieser enorme Kapitalfluss hat die Zinsen nach unten und die Aktienkurse nach oben getrieben. Heute befinden sich US-Vermögenswerte im Wert von 58,5 Bio. $ im Besitz von Ausländern. Dieses System kommt jetzt zu einem Ende, weil es für China nicht mehr funktioniert. China hat das Ende der Fahnenstange erreicht, sowohl in Bezug auf seine eigene Gesamtverschuldung als auch in Bezug auf die Tatsache, dass der Rest der Welt nicht mehr bereit ist, Chinas Überproduktion zu absorbieren. Historisch gesehen brechen Weltfinanzordnungen alle dreissig oder vierzig Jahre zusammen. Die derzeitige, an die wir uns seit 1994 gewöhnt haben, implodiert vor unseren Augen.
Wie wird die neue Ordnung aussehen?
Befassen wir uns zuerst mit China. China wird einen eigenen Weg gehen. Es wird eine Geldpolitik betreiben wollen, die seine internen Probleme adressiert, und es wird seine Schulden inflationieren wollen. Das bedeutet, dass Peking das Ziel aufgeben muss, den Yuan zum Dollar zu pflegen. Im Grunde wird Chinas Geldpolitik erwachsen, und das bedeutet, dass sich der Wechselkurs des Yuan frei bewegt. Das wird zu einer Abwertung des Yuan führen.
Was halten Sie von der These, dass China mit Staaten des BRICS-Verbundes ein alternatives Währungssystem errichtet?
Das bezweifle ich. Damit dies geschieht, müsste es Peking gelingen, den Yuan als Reservewährung zu etablieren. Doch die Zahlen des IWF zeigen uns Quartal für Quartal, dass dies nicht geschieht. Peking mag ein System einrichten, in dem Länder ihren Handel in Yuan abwickeln können, aber bisher will niemand den Yuan als Reservewährung halten.
Wie sieht es mit dem Finanzsystem für den Rest der Welt aus?
Es muss ein System sein, das es jedem Staat erlaubt, seine Schulden zu inflationieren. Es muss ein System sein, das eine Unterdrückung der inländischen Zinsen durch die Inanspruchnahme nationaler Ersparnisse ermöglicht. Das bedeutet, dass es Formen von Kapitalkontrollen geben muss, was in Form von Regulierungen geschehen kann. Stellen Sie sich vor, Ihre staatliche Aufsichtsbehörde schreibt allen Pensionsfonds vor, einen bestimmten Prozentsatz an inländischen Staatsanleihen oder anderen inländischen Finanzanlagen zu kaufen. So wird nationaler Kapitalismus aussehen.
Das klingt furchtbar.
Für Sparer wird es das sein, aber nicht unbedingt für die breite Bevölkerung – zumindest in den ersten Jahren. Denken Sie daran, dass die Regierungen eine Menge Kapitalinvestitionen in ihre Volkswirtschaften leiten wollen, während sie ihre Schulden langsam durch leicht erhöhte Inflation wegschmelzen lassen. Für die arbeitende Bevölkerung wird sich das nicht so schlimm anfühlen. Finanzielle Repression ist nichts anderes als eine Umverteilung des Reichtums von Sparern zu Arbeitnehmern und von der älteren zur jüngeren Generation. Aktive Anleger können davon profitieren.
Wie sollte man mit Blick auf diese Zukunft investieren?
Sie sollten keine festverzinslichen Wertpapiere besitzen. Die Inflationierung von Schulden bedeutet, dass die Kaufkraft von Anleihen zerstört wird. Es mag Erholungen geben, aber Bonds befinden sich in einem langen Bärenmarkt. Bullen- und Bärenmärkte für Anleihen bewegen sich in Zeiträumen von etwa 40 Jahren, und wir befinden uns jetzt im dritten Jahr der Baisse. Deshalb die wichtigste Regel: keine Anleihen.
Was soll man kaufen?
Gold ist in diesem Jahr bereits um 30% gestiegen, aber ich würde immer noch auf Gold setzen. Wir sprechen von nichts Geringerem als einem Zusammenbruch des globalen Währungssystems, das seit 1994 Bestand hatte. Als das System von Bretton Woods 1971 zusammenbrach, stieg Gold von 30 auf 850 $ pro Unze. Wir wissen aus der Geschichte, dass der Goldpreis steigt, wenn Währungssysteme zusammenbrechen. Abgesehen von Gold sollte der grösste Teil des Portfolios in Aktien investiert sein.
Welche Aktien?
Das ist knifflig. Denn wenn wir uns auf eine Welt zubewegen, in der institutionelle Investoren von ihren Regierungen genötigt werden, Kapital zu repatriieren, um Anleihen ihres eigenen Staates zu kaufen, dann müssen sie andere Vermögenswerte liquidieren. Und ich fürchte, sie werden den Vermögenswert liquidieren, in den sie alle sich in den letzten Jahren gedrängt haben: den S&P 500. Riesige Mengen an internationalem Anlagekapital stecken in grosskapitalisierten amerikanischen Aktien. Das ist gefährlich. Deshalb würde ich den S&P 500 meiden.
Weil das der Vermögenswert ist, der liquidiert werden muss?
Ja. Der S&P 500 ist masslos überbewertet und liegt im Besitz von Ausländern, die zum Verkauf gezwungen sein könnten.
Welche Aktien sollte man dann kaufen?
Die Segmente, die nicht unter Liquidationsgefahr stehen, weil sie in den institutionellen Portfolios untervertreten sind: Mid- und Small-Caps sowie Value-Aktien. Zudem würde ich nach Titeln Ausschau halten, die vom globalen Boom in den Kapitalinvestitionen profitieren. Japan bietet viele davon. Der typische Fondsmanager hat heute 40% in Bonds und 60% in Aktien investiert, und davon wiederum mehr als die Hälfte im S&P 500. Alle sitzen in den gleichen Anlagen. Wenn man die grossen Veränderungen der kommenden Jahre überstehen will, muss man sein Portfolio radikal anders ausrichten. Keine Anleihen, kein S&P 500. Stattdessen Aktien, für die sich heute niemand interessiert, und eine gute Portion Gold.
Schon vor zwei Jahren sprachen wir von einer Renaissance der Value-Aktien. Dann tauchte wie aus dem Nichts das Thema KI auf, und die Anleger stürzten sich wieder auf die Magnificent Seven.
In der Tat, der Aktienkurs von Nvidia ist in diesem Jahr um über 200% gestiegen. Aber wissen Sie, wie stark Mitsubishi Heavy Industries gestiegen ist? Um 180%. Nvidia mag die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, aber unter der Oberfläche zeigen sich grosse Veränderungen im Zusammenhang mit dem Boom in den Kapitalinvestitionen. Diverse Industriewerte entwickeln sich sehr gut.
In einer Welt, in der Regierungen eine Politik der finanziellen Repression betreiben, ist das Druckventil normalerweise der Wechselkurs. Welche Währungen würden Sie meiden?
Das ist keine einfache Frage, denn man geht davon aus, dass die Marktkräfte wirken. Aber nehmen wir zum Beispiel den Yen: Ich denke, japanische Institutionelle werden jahrelang dazu angehalten werden, Kapital zu repatriieren und japanische Staatsanleihen zu kaufen. Das würde den Yen steigen lassen, obwohl Japans Regierung eine Politik der finanziellen Repression verfolgt. Hinzu kommt, dass der Yen heute stark unterbewertet ist. Ein grösseres Problem ist meiner Meinung nach der Euro. Wenn Frankreich seine Schulden inflationieren muss und Deutschland nicht, dann fragt man sich, wie die Währungsunion überhaupt funktionieren kann. Wechselkurse sind schwierig, weil wir in den letzten dreissig Jahren gelernt haben, die Wechselkurse auf der Grundlage von Marktkräften zu analysieren. Aber jetzt müssen wir uns mit den Kapitalströmen befassen, und die sind möglicherweise nicht marktgesteuert, sondern werden durch staatliche Vorgaben bestimmt.
Nehmen wir an, wir schreiben das Jahr 2029. Was würde Sie veranlassen, im Rückblick zu sagen, dass Sie mit Ihren Ansichten völlig falsch lagen?
Wenn etwas passiert, das das reale Wirtschaftswachstum deutlich erhöht, dann ist alles falsch, was ich gesagt habe. Wir haben über KI gesprochen, und ich habe meine Zweifel geäussert. Es könnte auch etwas sein, das uns dauerhaft tiefe Energiepreise ermöglicht. Vielleicht können wir das mit diesen kleinen Kernreaktoren erreichen. In einer Welt, in der Energie praktisch gratis ist, könnten wir einen realen Wachstumsschub erleben. Ich halte es bloss für unwahrscheinlich, denn die Welt füllt sich mit alten Menschen wie mir, und wir sind weniger produktiv. Wer weiss, vielleicht werden wir eine Produktivitätsrevolution erleben. Aber es müsste eine grosse sein. Darauf sollten wir hoffen.
Russell Napier