Ausgang sei Kulturgut und gehöre gefördert, sagt Alexander Bücheli.
Alexander Bücheli, Sie sind Geschäftsführer der Bar und Club Kommission Zürich (BCK). Nun schlagen Sie vor, dass Ihre Branche Subventionen bekommen soll. Damit wollen Sie wegbrechende Einnahmen kompensieren. Subventionen für den Ausgang – Ihr Ernst?
Genau. Wir können wohl von Glück reden, dass die Kultur der Nacht bis heute ohne staatliche Unterstützung stattgefunden hat. Aber jetzt sind wir an einem anderen Punkt angelangt. Ich weiss nicht, wie lange wir noch so weitermachen können.
Ist es um die Klubs wirklich so schlecht bestellt?
In Städten wie Berlin und London ist das Klubsterben längst im Gang, und bei uns sind die Aussichten ebenfalls düster.
Warum sollen es angesagte Betriebe nicht aus eigener Kraft schaffen?
Es gibt immer noch Betriebe, die wirtschaftlich erfolgreich sind, doch die Herausforderungen sind so gross wie noch nie. Die Kosten sind durchs Band, vom Personal bis zum Strom, gestiegen. Die Mittel, um in neue Formate zu investieren, fehlen. Die Reserven sind seit den Pandemiejahren aufgebraucht.
Warum sollte es den Steuerzahler kümmern, ob die Leute zu Hause bleiben, statt sich im Klub zu amüsieren?
Die Steuerzahler sind skeptisch, wenn es darum geht, gewinnorientierte Unternehmen zu fördern. Ich kann diese Vorbehalte verstehen. Die Frage ist aber: Wer soll für dieses so wichtige kulturelle Angebot sorgen, wenn die Unternehmen, die das bis jetzt getan haben, in Konkurs gehen?
Wie viele Menschen gehen denn an einem durchschnittlichen Wochenende noch aus?
Wir gehen davon aus, dass die Zürcher Bars und Klubs pro Wochenende ungefähr 100 000 Gäste bewirten. Pro Jahr begrüssen die Mitglieder der BCK rund 7 Millionen Gäste.
Und wie haben sich diese Zahlen in den letzten Jahren entwickelt?
Wir haben im Frühjahr 2024 letztmals die Kennzahlen unserer Branche erhoben und mit den Werten von 2018 verglichen. Der Vergleich zeigt, dass die Zahl der Gäste erstaunlich stabil geblieben ist. Bei den Klubs sind es sogar etwas mehr geworden.
Trotzdem geht es der Branche anscheinend so schlecht – wie kann das sein?
Unser Problem ist, dass die Kosten auf allen Ebenen gestiegen sind, der Umsatz pro Gast in den Klubs aber um 40 Prozent eingebrochen ist. Wir wussten, dass die Leute weniger Geld ausgeben. Aber als wir sahen, wie krass das Ausmass ist, sind wir auch erschrocken.
Warum geben die Leute im Ausgang weniger Geld aus?
Gerade jüngere Leute haben weniger Geld zur Verfügung als vor ein paar Jahren. Das ist der eine Faktor. Der andere ist der, dass sich der Alkoholkonsum stark verändert hat. Nationale Studien zeigen, dass in der Schweiz in allen Altersklassen weniger Alkohol getrunken wird.
Wie schlägt sich das in Ihren Umsätzen nieder?
Bisher hat ein Klub zwei Drittel des Umsatzes mit Getränken gemacht. Wie viel davon auf alkoholische Getränke entfiel, kann ich nur schätzen. Es dürften aber über 70 Prozent des Getränkeumsatzes gewesen sein.
Machen alkoholfreie Getränke das nicht wett?
Doch, ein Stück weit schon. Das alkoholfreie Angebot in den Klubs und Bars ist ja auch stark gewachsen. Es gibt überall Mocktails, zahlreiche alkoholfreie Biere, neue Softdrinks und so weiter.
Aber?
Wer keinen Alkohol trinkt, konsumiert auch insgesamt weniger. Ohne Rausch kommen die Gäste kaum in Versuchung, über den Durst zu trinken. Dies hat auch einen Einfluss auf die Verweildauer im Klub.
Und auf die Gesundheit.
Klar. Es ist erfreulich, dass das Gesundheitsbewusstsein bei den jungen Leuten steigt – und in unserem Interesse. Wir wollen, dass es unseren Besucherinnen und Besuchern gut geht. Deshalb haben wir die Prävention übrigens seit unserer Gründung unterstützt.
Viele dürften Mühe haben, sich Klubs als kulturelle Institutionen vorzustellen, die mit Steuergeldern gerettet werden müssen.
Einige denken wohl an die Discos von früher, wenn sie das Wort «Klubkultur» hören. Daran, dass Leute mit billigem Alkohol abgefüllt und mit schlechter Musik berieselt werden. Aber so läuft das schon lange nicht mehr.
Was macht einen Klub denn zu einer Kulturinstitution?
In der Kultur geht es neben dem kreativen Schaffensprozess darum, dass Menschen zusammenkommen und gemeinsam Emotionen erleben. Wer die Zürcher Klubs kennt, weiss, dass das dort genau so gelebt wird. 60 Prozent der Künstler, die dort auftreten, stammen von hier. Klubs sind auch darum etwas Besonderes, weil die Gäste dort zu einem aktiven Teil des Geschehens werden. Das gibt es sonst nirgends.
Tut die Stadt Zürich in der Kulturförderung nicht schon genug?
Das Angebot ist gross, das ist wahr. Ein grosser Teil der geförderten Kultur richtet sich aber an ein über 40-jähriges Publikum, das ein gewisses Budget hat. Schauen Sie einmal, wer in die Oper geht, ins Theater oder ins Kunsthaus. Für die Jugendkultur tut die Stadt eigentlich sehr wenig.
Für die Jugendkultur gibt es zum Beispiel die Rote Fabrik.
Die Rote Fabrik oder das Dynamo sind Kinder der achtziger Jahre, genau wie die Klubkultur. Zürich ist seit vierzig Jahren eine Party-Stadt. Das ist ein Faktor, der Zürich zu der attraktiven und lebenswerten Stadt gemacht hat, die sie gegenwärtig ist. Die Klubszene ist auch ein Standortfaktor, vergessen Sie das nicht.
Dann sind Subventionen für Sie eine logische Massnahme?
Ja. Die Klubkultur soll die finanzielle Unterstützung erhalten, die sie aus der Perspektive der Bevölkerung verdient.
Was könnte die Branche selbst zu ihrer Genesung beitragen?
Die Flexibilität ist begrenzt. Die Preise können nicht unendlich erhöht werden – und die Kapazitäten eines Klubs sind vorgegeben. Man ist aber offen, das Angebot an veränderte Bedürfnisse anzupassen. Wer sagt denn, dass eine Party zwingend in der Nacht vom Freitag auf den Samstag stattfinden muss? Das Ziel ist, das Angebot breiter aufzustellen, um zusätzliche Bedürfnisse zu bedienen.
Wie stellen Sie sich das vor?
Es spricht nichts dagegen, gewisse Locations unter der Woche als Bar oder Restaurant zu öffnen oder dort Konzerte zu veranstalten. Solche Massnahmen würden sich auch finanziell auszahlen: Die Klubs zahlen Miete für sieben Wochentage, nutzen ihre Räume in der Regel aber nur während zweier Nächte. Da gibt es Verbesserungspotenzial.
Wie verhindern Sie, dass die Klubs statt von den alkoholischen Getränken von den Subventionen abhängig werden?
Wir wollen keine Giesskanne, die einfach allen ein bisschen etwas überweist. Wir haben nicht die «Subventionitis»! Wir wollen über qualifizierte Kulturfinanzierung sprechen. Über eine zielorientierte Unterstützung.
Zum Beispiel?
Ich denke da an Programm- oder Infrastrukturförderung, aber auch an die Bereiche Sicherheit und Gesundheit, etwa für Awareness-Konzepte. Förderungswürdig ist auch der Zugang für junge Menschen zu kulturellen Veranstaltungen.
Was würde das bringen?
Die Klubkultur ist noch sehr jung. Ich wünsche mir, dass sie auch in der Stadt Zürich weiterleben und sich weiterentwickeln kann. Zürich ohne Klubkultur ist undenkbar! Und dass man sich irgendwann nicht mehr darüber wundert, dass Klubs unterstützt werden. Das tut bei Theatern ja heute auch niemand mehr.