Die neue GC-Führung vertraut der Erfahrung von Trainer Marco Schällibaum. Der abstiegsgefährdete Rekordmeister erhofft sich mit dem 62-Jährigen die Wende. Kommt der Trainerwechsel zu spät?
Marco Schällibaum kehrt zurück. Wie zuvor schon der entlassene Bruno Berner zurückgekehrt ist. Oder der geschasste Bernt Haas. Wie viele andere in den vergangenen Jahren. Auch Schällibaum kommt zurück zu den Grasshoppers, bei denen der 62-Jährige angefangen hatte.
Er war Junior, Verteidiger, dann gewann er den Cup und drei Mal den Meistertitel. Es war die grosse Zeit des Grasshopper-Club, vor dreissig Jahren, im Hardturmstadion. Jetzt ist es das kleine GC, draussen vor der Stadt in Niederhasli. Nach der Entlassung des Trainers Bruno Berner am Dienstagabend teilten die Grasshoppers am Mittwochmorgen mit, dass Marco Schällibaum bei GC übernimmt.
«Die dreizehn Jahre im GC haben mir viel fürs Leben gegeben», sagt Schällibaum. Er sitzt als Nachfolger des entlassenen Berner vor den Medienleuten im Campus und sagt, es erfülle ihn mit Stolz, dass er nun etwas von dem zurückgeben könne, was ihm GC in der Jugend einprägte: «Demut, Leidenschaft, Mut». Das wolle er nun auch der Mannschaft vermitteln. Er glaubt an die Qualität im Kader, «das Mentale» sei das Problem. Er wolle ein Stück verlorene Identität zurückbringen. Er spricht von seinem «Herzen, in dem GC immer weitergelebt» habe. Wie Berner, wie Haas, wie viele vor ihm.
Schällibaum sei der richtige Trainer, in den kommenden sieben Spielen genügend Punkte für den Ligaerhalt zu gewinnen, sagt der Sportchef Stephan Schwarz, «er hat Erfahrung und die Situation, in der wir stecken, schon erlebt». Über die Vertragsdauer wollten weder Schwarz noch Schällibaum Auskunft geben. Es ist davon auszugehen, dass Schällibaum keinen langfristigen Vertrag unterschrieben hat. Womöglich hat das Papier eine Klausel für die Weiterbeschäftigung in der Challenge League.
Schällibaum will mutig, nach vorne spielen
Zuletzt verlor GC in Yverdon zum dritten Mal in Folge, der Klub steht weiter im zweitletzten Rang. Schwarz sagt: «Wir mussten die Reissleine ziehen, Fussball ist ein Ergebnissport.» Das gegenwärtige Ergebnis: GC müsste als Zweitletzter die Abstiegs-Barrage absolvieren, voraussichtlich gegen Thun oder Sitten. Das gilt es zu vermeiden. Doch auch der direkte Abstiegsplatz liegt nicht weit weg: Der Vorsprung vor Lausanne-Ouchy beträgt sieben Punkte, sechs Zähler ist die Differenz zum 10. Rang. Am Samstag gastiert der FC Lugano im Letzigrund, danach wartet mit Servette in Genf der nächste Spitzenklub der Liga.
Dass Schällibaum am Samstag gegen den Tabellendritten überhaupt an der Seitenlinie stehen kann, ist einem regeltechnischen Kniff zu verdanken. Denn in seinem letzten Spiel mit Yverdon im Oktober sah er die Rote Karte und wurde für vier Spiele gesperrt. Die Sperre ist abgesessen, bestätigt die Liga. Denn Schällibaum blieb trotz seiner Absetzung weiter Cheftrainer. Mit den Waadtländern war ihm in der vergangenen Saison der Aufstieg in die Super League gelungen. Bei der Entlassung durch die amerikanischen Besitzer nach 12 Runden war Yverdon mit 16 Punkten im 8. Rang klassiert.
Schällibaum wird seiner Mannschaft innert Kürze vor allem das Toreschiessen beibringen müssen. In den 13 Partien in diesem Jahr erzielte GC nur 8 Treffer. Er sei bestens informiert über die Mannschaft, er «werde mit drei, vier Spielern Gespräche führen», sagt Schällibaum, und «ich werde mir zuerst selber ein Bild machen müssen». Aber die Grundausrichtung sei klar. «Ich lasse mutig spielen, nach vorne, optimistisch», sagt er. Und er fügt an: «Die Spieler müssen wissen: Wir können Helden werden!»
Viel Zeit für seine Botschaft hat Schällibaum nicht. Für ihn spricht, dass er sich mit schwierigen Aufgaben auskennt. Er arbeitete etwa im FC Sion, in Bellinzona oder bei Servette in Genf unter komplizierten Verhältnissen und bewies wie zuletzt auch in Yverdon Widerstandskraft.
Seine Aufgabe wird es sein, die Führungsspieler, allen voran Amir Abrashi, Tsiy Ndenge und Pascal Schürpf, von der Marschroute zu überzeugen. Sie lautet: «Abstiegskampf! Abstiegskampf! Abstiegskampf!», wie Captain Abrashi vor kurzem in die TV-Kamera rief.
Die neuen Besitzer haben die Situation unterschätzt
Schällibaum soll also die Fehler korrigieren, die dem Los Angeles FC seit der Übernahme im Januar unterlaufen sind. Die neuen Besitzer wollen kein Geld ausgeben und haben die sportliche Situation unterschätzt. Das wurde erstmals offensichtlich, als im Februar drei neue Spieler präsentiert wurden. Sie stellten sich rasch als alles andere als Verstärkungen heraus: Aus der 3. Liga in Deutschland kam mit Batista Meier ein ehemaliger Junior von Bayern München, der sich nie zurechtfand. Der 19-jährige Dijon Kameri kam aus Salzburg und ist verletzt. Asumah Abubakar kam vom Abstellgleis im FC Luzern und spielt bis jetzt ohne Selbstvertrauen.
Harald Gärtner ist der Statthalter der amerikanischen Besitzer in Zürich und lenkt die Geschicke bei GC. Nicht nur die Transfers des Europa-Chefs des LAFC legten nahe, dass dem Deutschen die Vertrautheit mit dem Schweizer Fussball fehlt, obwohl er von profunden Kenntnissen der hiesigen Eigenarten sprach. Immerhin deutet sich mit der Verpflichtung von Schällibaum eine Lernkurve an: «Das wichtigste Kriterium war, dass der Trainer ein Schweizer ist und die Liga kennt», sagt Schwarz am Mittwoch.
Als sich nach dem Derby-Sieg gegen den FCZ Ende Januar Niederlage an Niederlage zu reihen begann, irritierten die Verantwortlichen um Gärtner mit der Entlassung von Sportchef Bernt Haas, als Kritik an Berner laut wurde. «Bruno Berner hat unsere volle Unterstützung», liess sich damals Gärtner in einem offiziellen Statement zitieren. Mit dem neuen Sportchef Stephan Schwarz wurde jemand geholt, der dem Team «einen neuen Impuls» geben sollte. Schwarz sagte bei seiner Vorstellung, man werde «den Weg gemeinsam gehen».
Drei Spiele und drei Niederlagen später war der gemeinsame Weg mit Berner am Dienstag zu Ende. Mit Schällibaum soll der Weg weitergehen. Die Hoffnung bleibt, dass er zu einem guten Ende führt.