Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Angehörige der Geehrten forderten die Rechtspolitikerin auf, dem Staatsakt fernzubleiben. Diese bezeichnete das als «Unverschämtheit» und nahm trotzdem an der Zeremonie teil.
Am Mittwochabend wurden die sterblichen Überreste von 24 Widerstandskämpfern gegen die Nazi-Besatzung im Zweiten Weltkrieg ins Pariser Panthéon überführt. Die Planung des Staatsakts wurde in Frankreich seit Tagen von der Aufregung rund um die Teilnahme von Marine Le Pen überschattet.
Soll die Politikerin des rechtspopulistischen Rassemblement national (RN) an einer Zeremonie zur Ehrung linker Vorkämpfer gegen den Faschismus teilnehmen dürfen oder nicht? Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat diese Frage in einem Interview mit der kommunistischen Tageszeitung «L’Humanité» mit Nein beantwortet.
Er sei persönlich gegen die Teilnahme von Le Pen und weiteren Vertretern des RN. Die rechtsextremen Kräfte seien angesichts der Art des Widerstandes gut beraten, nicht zu kommen, sagte der Staatschef und führte aus, dass das RN, ebenso wie die Reconquête-Partei von Éric Zemmour, für ihn nicht zum «republikanischen Spektrum» innerhalb der französischen Parteienlandschaft gehörten. Er verwies auf den «Geist des Anstands» und das «Verhältnis zur Geschichte», die das RN davon abhalten sollten, teilzunehmen.
Angeführt wurde die Gruppe der nun geehrten Widerstandskämpfer vom gebürtigen Armenier Missak Manouchian. Missak wurde 1906 in der heutigen Türkei geboren und flüchtete vor dem Völkermord der Osmanen. Er entkam nach Libanon und zog im Alter von 18 Jahren weiter nach Frankreich. 1934 trat der Dichter der Kommunistischen Partei bei. Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges verübte seine Gruppe Anschläge und Sabotageakte gegen deutsche Einheiten. Der Gruppe gehörten auch seine Frau Mélinée – ebenfalls eine Armenierin – sowie Kämpfer aus Spanien, Italien, Polen, Ungarn und Rumänien an.
Im Jahr 1943 wurden Missak Manouchian und 22 Mitglieder der Gruppe von den Nazis gefasst und später zum Tode verurteilt. Am 21. Februar 1944 wurden sie durch ein Erschiessungskommando hingerichtet. Einzig Mélinée Manouchian entkam der Razzia und überlebte den Krieg. Sie starb 1989 in Frankreich.
Le Pen lässt sich nicht ausschliessen
Marine Le Pen reagierte auf die Äusserungen Macrons empört. Sie werde trotz der unverschämten Andeutung des Präsidenten an der Zeremonie teilnehmen, liess sie am Montag über einen Sprecher ausrichten, was sie dann auch tat.
Macron hatte im Interview mit «L’Humanité» zwar erklärt, das RN sei nicht mehr offen antisemitisch und geschichtsrevisionistisch, wie es die Vorgängerpartei Front national (FN) «eindeutig» gewesen sei. Damit verwies der Staatschef auf die Gründung des FN durch Marine Le Pens Vater. Jean-Marie Le Pen hatte die Partei 1972 gemeinsam mit Pierre Bousquet gegründet, einem ehemaligen Kollaborateur, der in der Waffen-SS gedient hatte und dafür nach dem Krieg eine Gefängnisstrafe verbüssen musste. Bousquet war neun Jahre lang Schatzmeister der Partei. In den Reihen des FN figurierten auch andere Nazi-Kollaborateure. Marine Le Pen brach allerdings schon vor Jahren mit ihrem Vater und schloss diesen 2015 aus der Partei aus, die sie in das heutige Rassemblement national umbenannte.
Die Partei und Marine Le Pen behielten aber den nationalistischen Diskurs bei und machen weiterhin die Zuwanderung insbesondere von illegalen Migranten für viele Missstände in Frankreich verantwortlich. Ausgerechnet Le Pen will nun aber an der Ehrung von Widerstandskämpfern teilnehmen, die nicht nur grösstenteils zugewandert waren, sondern sich damals wegen ihres ungeklärten Aufenthaltsstatus illegal in Frankreich befanden.
Die Wünsche der Familien fruchten nicht
Die Nachfahren der Geehrten sprachen sich im Vorfeld der Zeremonie ebenfalls gegen die Teilnahme des Rassemblement national aus. Die Angehörigen von Joseph Epstein und Cesare Luccarini, die beide mit Missak Manouchian erschossen wurden und nun im Panthéon ihre letzte Ruhe finden, forderten Le Pen öffentlich auf, nicht zu der Veranstaltung zu kommen. «Sie ist nicht willkommen, ich werde ihr aus dem Weg gehen», sagte Georges Duffau-Epstein, Joseph Epsteins Sohn, gegenüber französischen Medien.
Noch vor Wochenfrist war es der Wunsch der Familie des kürzlich verstorbenen ehemaligen Justizministers Robert Badinter, dass Le Pen nicht an der nationalen Ehrung für den Mann, der die Todesstrafe in Frankreich abgeschafft hatte, teilnehmen sollte. Der Wunsch der Familie führte dazu, dass Le Pen auf ihre Teilnahme verzichtete, eine Geste des Respekts, die ihr in der französischen Öffentlichkeit durchaus Sympathien einbrachte. Ihre Anwesenheit am Mittwoch hingegen brachte keine solche Zustimmung, obwohl dem RN das Recht eingeräumt wurde, an dem Staatsakt teilzunehmen.
Jean-Pierre Sakoun, der Vorsitzende des Komitees, das für Manouchians Einzug ins Panthéon verantwortlich ist, sagte, dass die Teilnahme des RN «nicht zu den grössten Freuden» gehöre, aber als parlamentarische Partei habe das RN das Recht, dort zu sein.