Die milliardenschweren Subventionen von Joe Biden für die Energiewende bringen die Schweizer Firmenlenker ins Schwärmen. Doch die Frage ist: Hält Donald Trump bei einer Wahl daran fest – entgegen seinen Überzeugungen?
Donald Trump kämpft seit Jahren gegen Windmühlen. Wortwörtlich. Die «windmills», wie Windkraftanlagen in Amerika genannt werden, töten nach seinen Worten nicht nur Vögel, sondern auch Wale. Ihr Surren verursacht Krebs. Trump kommt ständig darauf zu sprechen: «Grüne Energie, Windräder, das funktioniert nicht. Aber die Umweltaktivisten ziehen weiter zum nächsten Stück Land und zerstören auch das», antwortete er vor zwei Jahren zur Überraschung eines Interviewers. Der hatte Trump nach dem Ukraine-Krieg gefragt.
Der Zorn des ehemaligen und möglicherweise künftigen US-Präsidenten gilt auch anderen grünen Technologien, die derzeit Amtsinhaber Joe Biden im grossen Stil subventionieren lässt. «Die USA geben Milliarden Dollar aus, um das Unmögliche möglich zu machen», schimpfte Trump im Herbst 2023 in den sozialen Netzwerken. «Dieser grüne neue Schwindel wird die USA zugrunde richten. ER MUSS GESTOPPT WERDEN.»
Biden lockt die Industrie zurück ins Land
Doch Schweizer Konzerne haben es genau auf diese Dollar abgesehen – und zählen darauf, dass Donald Trump nicht nur seinen Kreuzzug vergisst, sondern auch die traditionell republikanische Skepsis vor hohen Staatsausgaben. Denn der Amtsinhaber Joe Biden hat mit grosser Kelle angerichtet: Seine Inflation Reduction Act (IRA) enthält 369 Milliarden Dollar an Förderungen und Steuervergünstigungen für erneuerbare Energien, Batteriefabriken und Elektroautos. Sie werden über zehn Jahre verteilt.
Die IRA ist das Herz von Bidens Programm zur Reindustrialisierung Amerikas. Daneben gibt es die Infrastructure Investment and Jobs Act mit neuen Ausgaben von 550 Milliarden Dollar – nicht nur für Strassen und Brücken, sondern auch für weitere Elemente der Energiewende: den Ausbau des Stromnetzes, Ladesäulen, Elektrobusse oder CO2-Speicherung. Und die Chips and Science Act mit einer Hilfe von 53 Milliarden Dollar für Computerchip-Fabriken.
All das treibt den amerikanischen Staatshaushalt tief ins Minus, aber die Hoffnungen vieler Industriekapitäne in die Höhe – auch in der Schweiz. «Wir glauben fest an die USA. Dort muss man jetzt sein und investieren», sagte Thomas Hasler, Chef des Bauchemie-Riesen Sika, am Freitag bei der Vorlage der Jahreszahlen. Die USA sind bereits der grösste Markt des Konzerns. Sie steuern mit 2,4 Milliarden Franken 22 Prozent zum Umsatz bei. 40 Fabriken hat Sika schon dort.
Als «once in a lifetime» beschrieb Jan Jenisch, der Chef des Zementriesen Holcim, die Infrastrukturausgaben. Holcim spaltet sein Amerikageschäft ab, weil der Baustoffkonzern glaubt, den Markt mit diesem radikalen Schritt am besten bedienen zu können. Und Björn Rosengren, Chef von ABB, freut sich, dass die Nachfrage aus den USA derzeit so stark wächst wie sonst selten auf der Welt. Erst in dieser Woche kaufte der Automatisierungs- und Elektrifizierungskonzern eine amerikanische Firma, die Industriekunden bei Elektroanlagen berät. «Die Transformation ist da und wird bleiben», sagte Rosengren Anfang Februar.
ABB: «Der Zug ist abgefahren»
Wird sie das? Scharfmacher aus dem republikanischen Lager kündigen bereits an, den Rotstift anzusetzen. Die rechte Heritage Foundation, eine Denkfabrik, schlägt in einem 920-seitigen Politikentwurf vor, zahlreiche Abteilungen in den Behörden aufzulösen, die Bidens Klimapolitik in die Tat umsetzen – darunter jene, welche die Kredite zuteilt. Trump selbst hat versprochen, an seinem ersten Tag im Weissen Haus Bidens «verrückte» Elektrofahrzeugförderung zu beenden. Seine Vorlieben sind bekannt: Erdöl, Erdgas und Verbrennerautos.
In eine zweite Amtszeit dürfte Trump viel besser vorbereitet gehen als in die erste. Doch in der Schweiz zeigt man sich unbesorgt: «Ich habe überhaupt keine Angst», sagt Hasler. «Biden und Trump sind beide auf die amerikanische Wirtschaft fokussiert.» Jenisch argumentiert, Biden setze eigentlich nur das fort, was Trump begonnen habe. Rosengren ist überzeugt: «Der Zug ist abgefahren. Es gibt keinen Weg zurück, selbst mit einer anderen Partei an der Macht.»
So sieht es auch ein Mann, der genau verfolgt, was auf der anderen Seite des Teiches passiert: «Trump liebt es, zu provozieren und zu kritisieren, aber das ist Wahlkampf. Man sollte nicht zu viel darauf geben. Das Risiko für die Wirtschaft ist gering», sagt Martin Naville, Chef der Schweizerisch-Amerikanischen Handelskammer. Trump werde nichts abschaffen, was sehr populär sei, davon ist er überzeugt – und von Bidens Förderprogrammen haben bisher vor allem Unternehmen in republikanischen Gebieten profitiert.
Ein US-Präsident hat nicht alle Macht – aber viel
Tatsächlich wäre es rational, Bidens Programme laufen zu lassen – aber wie rational ist Trump? Genug, findet Naville: «Was er in seinen ersten vier Jahren in der Wirtschaftspolitik getan hat, war sehr rational. Und es war sehr wirtschaftsfreundlich.» Zum Beispiel hat Trump die Unternehmenssteuern stark gesenkt. Ausserdem habe der 77-Jährige andere Prioritäten, so Naville, etwa die Bekämpfung der Immigration.
Neben seinen persönlichen Vorlieben müsste Trump auch seinen Stolz vergessen und das politische Erbe eines Demokraten akzeptieren. Zu einem gewissen Grad hat er keine andere Wahl: Die Förderprogramme können in ihrer Gesamtheit nicht per Regierungsentscheid, sondern nur vom Kongress gekippt werden. Dafür braucht es starke republikanische Mehrheiten. Ob die zustande kommen, ist fraglich.
Unruhe zu stiften vermag Trump trotzdem. Er könnte mit Erlassen das Ausmass der individuellen Steuervergünstigungen beschränken, Darlehen zurückhalten oder versuchen, einzelne Regeln umzuschreiben. Was nach Details klingt, kann potenziell grosse Auswirkungen haben: Wer in teure, langfristige Projekte investieren soll, braucht Planungssicherheit. Wie viel sicherer wird die Lage mit einem Donald Trump, der alles als Verhandlungsmasse betrachtet?
Selbst Wirtschaftsvertreter erwarten nicht, dass Trump einfach stillhalten wird. «Vielleicht gibt es Verschiebungen, andere Prioritäten, andere Gebiete, die profitieren werden», sagt Hasler. Besorgt ist der Sika-Chef trotzdem nicht: Viele der Projekte seien bereits geplant oder würden nun ausgeführt. «Es wäre sehr mühselig, das mittendrin zu ändern», so Hasler.
Schon unter Biden ist manches unklar
Potenzial für Störungen ist jedoch vorhanden. Je grösser die Subventionen, desto leichter kann sich der Teufel im Detail verstecken. Erstes Beispiel: Der dänische Windpark-Entwickler Örsted hat vergangenes Jahr den Bau von zwei Offshore-Parks vor der Ostküste abgesagt und musste fast 4 Milliarden Dollar abschreiben. In einem Umfeld gestiegener Zinsen wird spitz gerechnet – und die Kalkulation der Projekte ging nicht mehr auf.
Die IRA sieht sofortige Steuergutschriften von 30 Prozent der Investitionen vor. Wenn der Anteil der Wertschöpfung in den USA hoch genug ist und die Investition in einer strukturschwachen Gegend stattfindet, sind noch höhere Zuschüsse möglich. Örsted hatte auf diese Zuschläge gezählt, bekam aber Probleme, sich zu qualifizieren. Meeresgewässer sind nicht per se strukturschwach, und viele Hightech-Komponenten für Windräder werden in den USA nicht hergestellt.
Zweites Beispiel: Der taiwanische Konzern TSMC, der weltgrösste Auftragsfertiger von Computerchips, verschiebt die Eröffnung eines zweiten Werkes in Arizona um bis zu zwei Jahre. Das erste Werk verzögert sich bereits bis 2025. TSMC begründet dies unter anderem mit nicht ausreichenden Subventionen.
«When America goes big, they go big»
Kritiker befürchten eine Erpressung durch die Taiwaner, um eine höhere Förderung zu erkämpfen. In der Branche wird hingegen auf den Fachkräftemangel in den USA verwiesen und den Aufwand für TSMC, Amerikaner erst nach Taiwan zu bringen und dort anzulernen. Auf jeden Fall ist von den Geldern der Chips Act bisher kaum etwas ausgezahlt, obwohl sich mehr als 170 Firmen beworben haben.
Manche Firmen sind sich ihrer Sache hingegen sicher: Samsung errichtet in Texas eine Halbleiterfabrik mit einer Fläche von fast achtzig Fussballfeldern – in der ersten von zehn Ausbaustufen. «Ich habe noch nie etwas Vergleichbares gesehen. When America goes big, they go big», so schwärmt der Sika-Chef Hasler. Sika liefert für die Fabrik Bauchemie zum Abdichten, als Zusatz zum Beton und für das Dach. Damit dieser Boom weitergeht, muss Donald Trump nur etwas tun, was er noch nie getan hat: berechenbar werden.
Ein Artikel aus der «NZZ am Sonntag»