Die SVP hat verhindert, dass im Kanton Schwyz eine Kraft rechts von ihr entstanden ist.
Provozieren wollte Ueli Maurer gemäss eigenen Aussagen natürlich nicht. So bezeichnete er es im September 2021 als «reinen Zufall», dass er an einem SVP-Anlass ein T-Shirt der Freiheitstrychler getragen hatte. Dass Massnahmenkritiker wenige Tage später mit Mühe und Not vom Sturm auf das Bundeshaus abgehalten werden konnten und dabei «Ueli, Ueli» riefen, wollte der SVP-Bundesrat damals gegenüber CH Media nicht kommentieren.
Inzwischen zeigt sich, dass die Corona-Skeptiker damals durchaus an der richtigen Adresse waren. Seit Ueli Maurer Ende 2022 aus dem Bundesrat ausgeschieden ist, macht er aus seinem Herzen keine Mördergrube mehr. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit zieht der 73-Jährige gegen die damalige Corona-Politik vom Leder. Vor kurzem erklärte er in der «Sonntags-Zeitung», bei der Pandemie habe es sich um eine weltweite Massenhysterie gehandelt. «Wer eine kritische Frage stellte, wurde aussortiert, indem man ihn als ‹Verschwörer› oder als ‹Rechtsextremen› brandmarkte, der ‹Tote in Kauf nimmt›», sagt Maurer.
Hochburg der Corona-Skeptiker vor Wahlen
Stände Ueli Maurer am Anfang seiner politischen Karriere, würde er wohl zum Aushängeschild jener Kreise, die staatlichen Eingriffen grundsätzlich kritisch gegenüberstehen. Ein solches Aushängeschild fehlt gegenwärtig den Bürgerinnen und Bürgern, die während der Pandemie politisiert wurden und sich auch nach Ende aller Einschränkungen unverstanden und zurückgelassen fühlen.
Das Potenzial, diese Rolle auszufüllen, hätte Josef Ender. Der Schwyzer IT-Unternehmer wurde während der Pandemie über die Innerschweiz hinaus bekannt als Sprecher des Aktionsbündnisses Urkantone. Im Abstimmungskampf gegen das revidierte Covid-Gesetz führte er die Gegner an. Ender fiel inner- und ausserhalb der Szene auf, weil er sich zwar hart in der Sache, aber durchaus sanft im Ton gab. Statt mit Verschwörungstheorien argumentierte er lieber mit Statistiken.
Enders Einstieg in die Tagespolitik schien programmiert. Bei den Nationalratswahlen erreichte er als Parteiloser mit seiner Freien Liste das fünftbeste Resultat im Kanton Schwyz und lag damit vor sämtlichen Vertretern der Mitte-Partei. Es galt als sehr wahrscheinlich, dass Ender nach diesem Achtungserfolg bei den am 3. März stattfindenden kantonalen Wahlen antreten würde.
Doch Anfang des Jahres kam die Absage. Ender kandidiert nicht für den Regierungsrat. «Es wäre natürlich schön gewesen, wenn wir den Schwung aus den Nationalratswahlen hätten mitnehmen können», bedauert Ender. «Doch ist dieses Vollamt gegenwärtig mit der Arbeit in meinem IT-Unternehmen nicht vereinbar.» Wenn er seine Firma übergeben wolle, brauche dies eine längere Vorbereitungszeit.
Dies sei nicht der einzige Grund, der zur Absage geführt habe, sagt Toni Dettling überzeugt. «Die SVP hätte gar keine Freude daran gehabt, wenn Ender angetreten wäre. Dies hat man ihm wohl deutlich zu verstehen gegeben», sagt der ehemalige FDP-Nationalrat und -Ständerat (1991–2003). Bei den Nationalratswahlen sei Ender ein beliebter Wasserträger für die dominierende politische Kraft im Kanton gewesen. Deshalb kam es zur Listenverbindung zwischen SVP und Enders Einzelliste. «Doch bei den kantonalen Wahlen gibt es keine Listenverbindungen, und so wurde er zur unerwünschten Konkurrenz», erklärt Dettling, der zu den besten Kennern der politischen Landschaft im Kanton Schwyz gehört.
Fast noch überraschender als Enders Absage für die Kantonsregierung kam, dass die von ihm initiierte Bewegung «Frye Schwyzer» am 3. März nicht zu den Kantonsratswahlen antritt. Wenn diese Bewegung in einem Kanton Wahlchancen hätte, dann wohl in Schwyz, wo eine grundsätzliche Skepsis gegen den Staat gewissermassen zur DNA weiter Teile der Bevölkerung gehört.
Josef Ender begründet den Verzicht damit, dass die «Frye Schwyzer» nur sechs der dreissig Schwyzer Kandidatinnen und Kandidaten hätten mobilisieren können. «Das hätte wahrscheinlich nicht gereicht, um einen Wähleranteil von 1 Prozent zu erreichen, der für den Einzug ins Parlament notwendig ist. Letztlich hätte sich der Aufwand nicht gelohnt», sagt Ender.
SVP profitiert von Absage
Toni Dettling führt die mangelnde Strahlkraft der Bewegung nicht zuletzt darauf zurück, dass sie zu stark auf die Person von Josef Ender konzentriert war. «Es stellt sich heraus, dass nicht jeder, der während Corona bei Demonstrationen auf Podien viel Applaus erhält, auch in der Politik Erfolg hat.» Auch im Parlament werde die SVP profitieren, die bereits jetzt 33 von 100 Sitzen besetzt. «Die SVP hat es geschickt verhindert, dass rechts von ihr eine neue Kraft entstanden ist», sagt Dettling.
Insofern ist es auch konsequent, dass Ueli Maurer zunehmend zum Wortführer der Corona-Skeptiker wird. Ender und seine «Frye Schwyzer» wollen jedoch weiterkämpfen und allenfalls in vier Jahren antreten. «Wir müssen dafür schauen, dass die Freiheit und die Unabhängigkeit in allen Bereichen der Gesellschaft gelebt und in die politische Arbeit eingebracht werden», sagt er. So werde die Vereinigung gegen den WHO-Pandemiepakt kämpfen und sich bei der Revision des Epidemiengesetzes gegen zu starke Eingriffe des Staates wehren. Doch das Thema Corona, das am Anfang von Protestbewegungen wie dem Aktionsbündnis Urkantone, Mass-voll und den Freunden der Verfassung steht, wird zu diesem Zeitpunkt eine gefühlte Ewigkeit zurückliegen.
Für die Schwyzer Regierung und das Parlament heisst dies kurzfristig, dass am 3. März mit grosser Wahrscheinlichkeit alles beim Alten bleiben wird. Alle bisherigen Regierungsmitglieder (3 SVP, 2 Mitte, 2 FDP) treten erneut an und werden die Wiederwahl wohl problemlos schaffen. Die beiden Herausforderer, Jonathan Prelicz von der SP und der parteilose Bauer Peter Abegg, dürften chancenlos sein. Für Spannung sorgt einzig die Frage, ob der von Ender und Co. unterstützte Abegg vor dem offiziellen Kandidaten landet.