Das Archiv des Spielwarenhändlers wäre beinahe aufgelöst worden. Dann sprang der Rüschliker Fritz Maurer in die Bresche.
Das Zürcher Spielzeugmuseum wird gerettet: Die Eisenbahnen, Blechautos, Zinnsoldaten und Puppenstuben finden in der herrschaftlichen Villa Flora im Zentrum der Gemeinde Wald im Zürcher Oberland ein neues Zuhause.
Fast wäre die Sammlung der Familie des Spielwarenhändlers Franz Carl Weber aufgelöst worden. Im Februar dieses Jahres wurde bekannt, dass das Spielzeugmuseum dem Grosshandel weichen muss. Seit 2022 war es an der Altstetterstrasse in Zürich einquartiert, nachdem es seinen langjährigen Standort in der Altstadt hatte räumen müssen.
Nun entsteht dort eine Müller-Filiale. Im Juli 2023 hatte die deutsche Drogeriemarktkette Franz Carl Weber und damit auch das Geschäftshaus in Altstetten übernommen. Das Untergeschoss, in dem das Museum beheimatet war, wird als Lager gebraucht. Die Stiftung Spielzeugmuseum ging in Liquidation.
Laut den Tamedia-Zeitungen hätten sich daraufhin vier Interessenten beim Zürcher Konkursamt gemeldet. Den Zuschlag für das Archiv erhielt der Rüschliker Fritz Maurer, ein Unternehmer und Bauleiter bei Renovationen von historischen Liegenschaften.
Der 70-jährige Maurer übernimmt das Archiv komplett. Dazu gehören nicht nur 3000 Spielsachen, sondern auch das Foto- und Pressematerial von Franz Carl Weber sowie die legendären «Franzki»-Kataloge, durch die Maurer in der Kindheit selbst gerne blätterte.
Schweizer Rock und nun Spielzeuge
Fritz Maurer hat es sich zur Aufgabe gemacht, Dinge zu retten. Mit seinem Sohn Severin übernahm er 2020 die Villa Flora, die seit 2018 zum Verkauf stand, und öffnete sie für die Bevölkerung. Das Wohnhaus wurde Anfang der 1870er Jahre in spätklassizistischem Stil für den Textilfabrikanten Johannes Honegger gebaut. Fast alles ist noch im Originalzustand.
Unter anderem widmet sich Maurer dort der Schweizer Rockmusik. Er ist Präsident des Fördervereins CH-Rock, der den Erhalt und die Dokumentation der hiesigen Rock-Kultur bezweckt. Der Verein organisiert regelmässig Konzerte von Musikern in der Villa und im dazugehörigen Park sowie zweimal im Jahr eine Vinylbörse. Als kürzlich eine Druckerei in Zürich aufgelöst wurde, die Konzertplakate druckte, habe Maurer auch letztere provisorisch bei sich eingelagert, um sie dereinst der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Und nun will Maurer das Zürcher Spielzeugmuseum vor der Vergessenheit bewahren. Bisher dienten die Räumlichkeiten im Obergeschoss der Villa als Event- oder temporäre Gewerberäume. Doch diese seien zu wenig genutzt worden, sagt Maurer. Deshalb habe er nach einer Möglichkeit gesucht, das Obergeschoss zu beleben, und fand in den Spielsachen die passende Idee.
Mit der Villa Flora erhält das Spielzeugmuseum einen würdigen Standort. Die europäischen Spielwaren aus dem 19. und 20. Jahrhundert passen zeitlich zu den hohen stuckierten Decken, den glänzenden Tapeten, dem Parkett mit Tafelmuster.
«Kein totes Museum»
Mit den Spielsachen zügelte Maurer viel Literatur zum Thema. Deren Seiten wälzt er nun, um sich Wissen anzueignen. Dass Maurer belesen ist, merkt man schnell. Faszinierend seien etwa die Blechspielzeuge, sagt er und breitet deren Geschichte aus. Weil 1815 der Metalldruck erfunden worden sei, hätten diese in Deutschland schon früh in Grossserien gefertigt werden können. Sie zeigen, wie der technische Fortschritt in den Kinderzimmern Einzug hielt.
Mit der Neugründung des Vereins «Franz Carl Weber Spielzeugmuseum» will er das Wissen erhalten. Ziel des Vereins ist es, das Museum weiterhin betreiben zu können sowie den seit 1881 bestehenden Traditionsnamen Franz Carl Weber zu pflegen. Dieser droht mit der Übernahme durch Müller zu verschwinden.
Der Verein organisiert zudem Veranstaltungen unter dem Titel «Spielen einst und jetzt». Maurer sagt: «Es soll kein totes Museum sein, schliesslich sind die Besucher vor allem Kinder.»
Zurzeit werde aber noch nach Spenden und Darlehen gesucht, damit das Museum finanziert werden könne, räumt Maurer ein. Er rechnet mit der Eröffnung des Spielzeugmuseums spätestens im Dezember 2024.
Zufrieden mit der Lösung, die man in Wald gefunden hat, zeigt sich auch Ewald Schuler, der Vizepräsident der Stiftung, die das Spielzeugmuseum bisher betrieb. In der Stadt Zürich sei es schwierig, ein Lokal zu finden, das zahlbar sei. Auch interessiere das alte Spielzeug kaum mehr. Schuler sagt: «Es ist wie mit der Dorfbeiz: Man besucht sie nie, aber wenn sie nicht mehr da ist, vermisst man sie.» Das Spielzeugmuseum sei schliesslich das einzige Überbleibsel, auf dem noch Franz Carl Weber draufstehe.