der ultimative Kick
Was die Faszination von scharfem Essen ausmacht, findet unser Autor auf der Farm mit den schärfsten aller Chilis heraus. Und gibt hier das etwas abgemilderte Rezept für eine doch sehr feurige Paste preis.
Eva weint. Eva ist aber nicht etwa traurig. Im Gegenteil. Eva ist sehr glücklich. Sie wird nämlich gerade von mir bekocht. Und das ist prinzipiell schon einmal ein Riesenglück für jede Eva. Sie weint ob der Schärfe der Chilisauce, die ich ihr gerade serviere. Die habe ich selbst gemacht, nach einem Rezept namens Bushman’s Revenge, dem ich in Südafrika begegnet bin. Ich bin aber weder aus Südafrika, noch schmiede ich Rachepläne gegen Eva.
Ihr Gesicht läuft rot an, sie schnappt nach Luft. Rasch stopfe ich ihr etwas griechischen Naturjoghurt ins brennende Mündchen. Das lindert. Und ist – neben Mascarpone mit hohem Fettgehalt – das Einzige, was gegen Chilischärfe wirklich hilft. Auch Limetten oder Zitronensaft bekämpft den Hitzeschmerz. Massvoll getrunken natürlich.
Geschmackliche Schärfe, egal ob von Chilis, Pfeffer, Knoblauch oder Ingwer, brennt die Langeweile aus vielen Speisen, malträtiert aber unsere Empfindsamkeit bis zur Schmerzgrenze, verschlägt uns die Sprache. Sie erzeugt Schweissausbrüche und lässt uns nach Wasser schreien. Obwohl, wie wir alle schon erfahren haben, Wasser als Löschmittel nichts taugt. Im Gegenteil, es macht die Sache schlimmer, da es das Schärfemittel Capsaicin in der Mundhöhle verteilt. Trotz den Schmerzen, die allzu viel Chili erzeugen kann, greifen wir immer wieder danach.
Natürlich gibt es auch im Chili-Essen diverse Contests. Die legendärsten Schärfe-Heroes der Championship-Rankings tragen Namen wie Mike Jack «Eats Heat», «Pepper Paul» oder Aaron «MonsterHeat» Jewells. Auch eine Frau mischt vorne mit, Annee «The Reaper Teacher» Boyer.
Bei Länder- und Weltmeisterschaften werden in diversen Kategorien die «Masters of the Chili-Universe» ermittelt. Wer am schnellsten isst, am meisten, die schärfsten. Was immer wieder zu schwersten inneren Verbrennungen und durchaus auch schon zum Tod von furchtlosen Teilnehmern führte.
Insgeheim suchen auch wir Normalos den wiederholten Schärfekick, die kulinarischen Endorphinschübe. So auch Eva. Auf ihrer Stirn glänzen kleine Schweissperlen. «Scharf macht mich glücklich und lustvoll, mich nennen sie auch Million-Scoville-Woman!» Scoville? Gemeint ist die vom Apotheker Wilbur Lincoln Scoville vor hundert Jahren entwickelte Methode zur Bestimmung der Schärfe von Paprikapflanzen.
So wird der Schärfegrad einer Chili bestimmt
Der Wert ist abhängig vom Anteil des in Chilis enthaltenen Capsaicins. Dieses Alkaloid gaukelt unserem Gehirn Hitze vor, und dieses reagiert mit Verbrennungsreizen. Was sich medizinisch-trocken anhört, kann die reinste Folter bedeuten.
Peperoni kommen über den Wert 10 nicht hinaus, reines Capsaicin auf über 16 000 000 SHU (Scoville Heat Units). Da werden Milligramm davon zum Killerinstrument. Seine Schärfe ist derart mächtig, würde man zwei Tropfen davon im Wasser eines mittelgrossen Swimmingpools auflösen, dann kitzelte es bereits auf der Zunge, nähme man nur einen Schluck.
Tabasco mit mickrigen 5000 Scoville heizt uns schon tüchtig ein, indische Tezpur-Chilis sowie einige Habanero-Sorten aus Zentralamerika erreichen bis zu 1 Million auf der Schärfe-Schmerz-Lust-Skala und beschäftigen unseren Metabolismus noch Tage danach. Wenn er diese Attacken überhaupt überlebt.
Der schärfste Chili der Welt
Gerade hat der wohl berühmteste Chili-Züchter, der Amerikaner Ed Currie (ja, er heisst wirklich so), seine neueste Schöpfung vorgestellt, den Pepper X. Schon vorher hielt er den Rekord, mit der Sorte Carolina Reaper, mit 2,2 Millionen SHU.
Pepper X kommt auf im Guinness-Buch verbürgte 2,7 Millionen SHU. Eine Kreation direkt aus der Hölle, so tödlich brennend. Zurück zur Buschmann-Rache: Vor einigen Jahren durchquerte ich die unirdisch schöne Landschaft der Kleinen Karoo, einer Art Steppe nordöstlich von Kapstadt.
Lokale Farmer, die eine besondere Chili-Sorte namens Red Savina (immerhin bis zu 557 000 SHU) anpflanzten, verwiesen mich an eine kleine Firma, die ihnen die extrem scharfen Dinger abnahm und eine Sauce daraus braute. Als ich bei meinem Besuch dort die kleinen Fässer sah, in denen die Chilis in einem wahrhaften Höllensud zwei Jahre vor sich hin fermentierten, war schnell klar, warum die Mitarbeiter und auch die Besucher dort nur mit Atemschutzmasken nahe an die Holzfässchen herangeführt wurden. Das beissende Aroma brannte schon durch die Maske hindurch jegliche anderen Gerüche aus dem Weg. Ich änderte das Rezept etwas ab, wer möchte denn zwei Jahre auf das Ergebnis warten?
Rezept für eine feurige Chili-Paste
Als Basis verwende ich die grossen, roten Peperoncini, schon anständig scharf, etwa 300 Gramm davon. Dazu mische ich 100 Gramm kleine, rote Thai-Chilis, zwei Stengel Zitronengras, zwei braune Zwiebeln und zehn Knoblauchzehen und hacke alles grob.
Dann zusammen mit 300 ml Rapsöl im Mixer zu einer feinen Paste verarbeiten. Diese wird danach in einem breiten Topf etwa zehn Stunden auf kleinstem Feuer geköchelt; dabei immer wieder umrühren, es darf nichts anbrennen.
100 ml Tamarinde in flüssiger Form (gibt es im Asia-Shop) und 50 Gramm Palmzucker einrühren, weitere zwei Stunden köcheln, danach heiss in sterilisierte Gläser abfüllen.
Die Paste erfüllt auch noch andere Ansprüche, als Schmerz (und Lust) zu wecken, und passt hervorragend überall dort, wo ein kleiner bis grösserer Schärfe-Sidekick erwünscht ist. Und natürlich zu Eva. Zu ihr ganz besonders.