Der Meta-Chef kleidet sich lässig. Seine Datenbrillen sind gefragter als jene von Apple, und Zuckerberg stellt seine KI zur freien Nutzung zur Verfügung. Vor allem aber hat der einstige Finsterling schon lange keine Skandale mehr produziert.
Mark Zuckerberg befindet sich in einem bemerkenswerten Imagewandel. Vielleicht sollten wir von «Meta-Morphose» sprechen. Natürlich wäre es übertrieben, den Herrscher über Social-Media-Plattformen wie Facebook, Instagram oder Whatsapp nun plötzlich als «beliebt» zu bezeichnen. Doch zumindest hat Zuckerberg, gemessen an seiner turbulenten Vergangenheit, schon lange keinen nennenswerten Skandal mehr produziert.
In der schnelllebigen Welt von Social Media verblasst das Schreckbild des skrupellosen «Move fast and break things»-Unternehmers rasch. Wir erinnern uns: Seine Firma sorgte regelmässig für Schlagzeilen, weil Instagram Jugendliche krank macht, Facebook zur Manipulation von Wahlen diente und Meta die Personendaten seiner Nutzer an den Meistbietenden verhökert.
Natürlich haben sich diese Probleme nicht in Luft aufgelöst. Aber Zuckerbergs Image muss man auch relativ zu jenem seiner Konkurrenten sehen. Er profitiert davon, dass es andere Akteure der Branche viel bunter treiben.
Neben Elon Musk wirkt Zuckerberg brav
Da ist etwa Elon Musk, der sich zunehmend radikalisiert. Sein Social-Media-Dienst X operiert hart an der Grenze des guten Geschmacks. Neben kruden Verschwörungstheorien bietet X auch ein reichhaltiges Porno-Angebot. XXX halt.
Oder der Telegram-Chef Pawel Durow, der im Ruf steht, ein Darknet im Taschenformat zu betreiben: Über seine Plattform werden Drogen abgesetzt oder Selbstmordattentäter in spe mit Jungfrauen gelockt.
Ja, und dann gibt es auch noch die Dopaminfalle Tiktok mit ihrem besonders süchtig machenden Algorithmus: Der Kurzvideodienst mit chinesischen Eigentümern, steht im Verdacht, ein Spionage- und Propaganda-Instrument der Kommunistischen Partei zu sein. Kurz: In diesem Kreis von Finsterlingen wirkt der 40-jährige Zuckerberg fast schon altersmilde.
Aktienkurs steigt um 70 Prozent
Auch die Investoren haben Zuckerberg nach ein paar Jahren Liebesentzug wieder ins Herz geschlossen, obwohl er nach wie vor Milliarden Dollar in ein Fass ohne Boden namens Metaverse versenkt. Doch dank der Sparrunde im Jahr 2023 – das der Firmengründer als ein «year of efficiency» bezeichnete – spielt Meta wieder viel Geld ein.
Mit dem Ergebnis, dass der Kurs von Meta seit Anfang Jahr um 70 Prozent zugelegt hat. Der Konzern bringt nun 1450 Milliarden Dollar auf die Waage, und der Grossaktionär Zuckerberg ist gemäss der Nachrichtenagentur Bloomberg im Oktober zum zweitreichsten Mann der Welt aufgestiegen.
Nur Elon Musk ist noch schwerer, aber den will Zuckerberg bekanntlich verprügeln. Gut, eigentlich war es Musk, der Zuckerberg zum Käfigkampf aufgefordert hatte. Doch danach muss Musk aufgefallen sein, wie durchtrainiert Zuckerberg in letzter Zeit wirkt. Er ertüchtigt sich mit Jiu-Jitsu und Mixed Martial Arts. Musk findet seither immer neue Ausflüchte, damit er der Auseinandersetzung aus dem Weg gehen kann, um die er selbst gebeten hatte.
Grosser Bizeps, lockiges Haar, Goldkette
Der Meta-Chef jedoch, früher ganz der blasse Tech-Nerd, hat jetzt nicht nur einen grossen Bizeps, sondern trägt auch lockiges Haar, Goldketten und weite T-Shirts. Dass dieses Surfer-Bro-Outfit nicht im Widerspruch zu einem gewissen intellektuellen Anspruch stehen muss, bewies Zuckerberg an seinem letzten Geburtstag.
Da stand auf der breiten Brust des Multimilliardärs die Aufschrift «Carthago delenda est», Karthago muss zerstört werden. Wie sich das auf die Nutzerzahlen von Instagram oder Facebook in Tunesien auswirkte, ist nicht bekannt.
Und wenn man Zuckerberg dann auch noch mit einer jener Smart Glasses sieht, die Meta zusammen mit Ray-Ban entwickelt hat, geht er glatt als cool durch. Dass die Investoren heute wieder hoffnungsvoll auf Meta schauen, hat auch mit diesen Datenbrillen zu tun.
Zuckerberg predigt seinen skeptischen Mitaktionären schon seit langem, dass Virtual-Reality- und Augmented-Reality-Headsets die Computerplattform der Zukunft sein werden. Diese will Meta beherrschen. Heute, wo noch fast alles über Smartphones läuft, ist Meta stark von Apple und Google abhängig.
Sind Datenbrillen doch nicht tot?
Dass Datenbrillen künftig eine wichtige Rolle spielen könnten, scheint heute nicht mehr so abwegig wie noch vor ein paar Jahren. Das hat drei Gründe:
1. Auch Apple ist in diese Produktkategorie eingestiegen, wenn auch bisher mit sehr überschaubarem Erfolg. Die Apple Vision Pro ist bestimmt ein High-End-Gerät. Aber sie wirkt klobig und kostet zehnmal so viel wie das neuste Virtual-Reality-Headset von Meta, das es in der Schweiz schon ab 319 Franken gibt. Zehnmal so gut ist die Apple Vision Pro bestimmt nicht.
2. Meta hat sich jüngst den leichten Datenbrillen zugewandt, die digitale Inhalte auf die Gläser projizieren. Diese sind im Gegensatz zu den schweren Headsets, den ewigen Nischenprodukten für Gamer und Nerds, wirklich wearable.
Die Ray-Ban Meta hat zwar noch nicht viele Funktionen, dafür aber ein tolles Design. Und mit der handlichen Datenbrille Meta Orion hat das Unternehmen im September einen Prototyp vorgestellt, der viele Experten überzeugt.
3. Es ist dank generativer künstlicher Intelligenz viel einfacher, Datenbrillen wie Ray-Ban Meta oder Meta Orion über Sprachbefehle zu steuern.
Meta ist eine grosse Nummer bei der Künstlichen Intelligenz
Und Meta kann KI. Dass Zuckerberg letztes Jahr mit Llama ein grosses Sprachmodell aus dem Hut zauberte, führte seinen Mitaktionären vor Augen: Es lohnt sich womöglich doch, Milliarden in neue Technologien zu investieren, weil diese plötzlich das Mass aller Dinge sein können. Wer weiss, vielleicht kommt in ein paar Jahren plötzlich wieder das Metaverse in Mode. Und dann sehen alle dumm aus, ausser Zuckerberg.
Llama ist im Gegensatz zur KI-Konkurrenz ein Open-Source-Sprachmodell, das heisst, der Programmcode steht Nutzern zur freien Verwendung zur Verfügung. Man kann ihn studieren, verändern, verbreiten. Mit dieser Offenheit hebt sich Meta wohltuend von anderen Konzernen ab. An Open AI ist nur der Name offen.
Auch das Open-Source-Sprachmodell Llama ist ein wichtiger Faktor für das neue Image von Zuckerberg. Der Finsterling von einst wirkt nun fast ein bisschen wie ein Wohltäter. Noch fragen sich viele: Ist das real oder bloss ein virtueller Trick?