Der 32-Jährige spielt wieder für den FC Basel, und die Stadt schäumt über vor Vorfreude. Transfers nach diesem Muster bringen aber Risiken und Nebenwirkungen mit sich.
Am Sonntag steht in Basel ein Festakt an, wie ihn die Stadt schon lange nicht mehr gesehen hat. Eine Woche fiebert sie nun schon, wegen Xherdan Shaqiri, des Fussballers, der lange weg war – und jetzt wieder da ist, in Basel, in Rot-Blau, Rückennummer: 10.
Als Shaqiri sich am Montag zum ersten Mal in Basel zeigte, kamen 3000 Menschen, um ihn zu begrüssen. Am Sonntag, wenn der FC Basel gegen Yverdon-Sport spielt und der 32-Jährige zum Debüt kommen dürfte, werden es noch viel mehr sein; 24 000 Tickets wurden bis am Freitagmittag abgesetzt. Letzte Saison waren im Durchschnitt knapp 20 000 Zuschauer gekommen.
Jetzt kehrt Shaqiri zurück, aber vor allem heim, das verleiht dem Transfer die Würze, das besondere Gewicht. Unter der Woche erzählte der 32-Jährige, dass er zunächst wieder bei den Eltern wohne. Es sei schön, daheim zu sein, sagte Shaqiri.
Dzemailis Märchen im FCZ
Heimkommen ist schön, aber das bedeutet noch lange nicht, dass es einfach ist. Das gilt für jeden Weitgereisten, und für Fussballer gilt es ganz besonders. Einige von ihnen sind in den letzten Jahren als verlorene Söhne von ihren Wanderjahren zurückgekommen, und wenn sie dann wieder zu Hause waren, beim Jugendklub, in der Stadt, in der alles anfing, erging es ihnen höchst unterschiedlich.
Da sind die Basler, Marco Streller, Benjamin Huggel und Alex Frei. Ricardo Cabanas, der Zürcher. Christoph Spycher, der Berner. Raphael Wicky, der Walliser. Oder Tranquillo Barnetta, der St. Galler.
Als Letzter vor Shaqiri ist Blerim Dzemaili heimgekehrt, im Winter 2021 war das, zum FC Zürich. Fast 14 Jahre lang war Dzemaili, der Stadtzürcher, weg gewesen. Als 21-Jähriger zog er 2007 los, mit zwei Meistertiteln im Gepäck. War kurz in England, viele Jahre in Italien, ein Jahr in Istanbul und eines in Kanada.
Dann, im Jahr 2020, sitzt Dzemaili in China, er ist beim FC Shenzhen unter Vertrag. Die Pandemie wütet, und der Mittelfeldspieler beschliesst, dass es an der Zeit ist, nach Hause zu gehen. Irgendwann, sagt er, mache das Alleinsein einfach müde, die Distanz zu Familie und Freunden.
Dzemaili kehrt als fast 35-Jähriger zum FC Zürich zurück, nach einem Jahr ohne Spielpraxis und mit Haar, das stellenweise ergraut ist. Als er vorgestellt wird, spricht er davon, dass es schön wäre, noch einen Titel zu gewinnen mit seinem Stammverein. Es ist eine mutige Ansage, weil der FC Zürich schwierige Jahre erlebt hat. Doch eineinhalb Jahre später, im Sommer 2022, steht Dzemaili auf dem Zürcher Helvetiaplatz und feiert; der FC Zürich ist Meister, der überraschendste im Schweizer Fussball seit vielen Jahren.
Noch einmal Helvetiaplatz: Für Dzemaili geht ein Traum in Erfüllung. Doch einfach ist der Weg dorthin nicht. Der Druck, der auf ihm lastet, den er sich selbst macht und alle anderen, weil sie immer auf ihn schauen: Das, sagt Dzemaili, habe er so nicht erwartet. «Ich musste zuerst lernen, diesen Druck in etwas zu verwandeln, was mich weiterbringt», sagt er.
Streller, der König von Basel
Als Blerim Dzemaili 2007 den FC Zürich verlässt, kehrt Marco Streller wieder nach Hause zurück, nach Basel. Drei Jahre hat er in Deutschland verbracht, vor allem in Stuttgart; dort wird er auch Meister. Der Stürmer hätte auch weiter weggehen können. Aber er bleibt lieber in der Nähe von Basel.
Mit 26 kehrt er dann ganz heim. Er müsste nicht, weil es auch im Ausland Interessenten gibt. Aber er will, weil es sein Traum ist, «mit dem FC Basel Geschichte zu schreiben». So erzählt er das heute. Und Geschichte schreibt Streller in Basel dann auch, er prägt die beste Ära der Klubgeschichte mit, gewinnt in acht Jahren sieben Meistertitel, feiert in der Champions League grosse Siege. Es gibt ein Buch über seine Karriere, Titel: «Der König von Basel».
Streller sagt, er sei damals nach Basel zurückgegangen, weil er den Klub «einfach fühle». Es habe ihn beflügelt, für den eigenen Klub zu spielen, in dem Umfeld, in dem er sich am wohlsten fühlt.
Heusler ging für Frei ins Risiko
Hinter Streller, im Mittelfeld, räumt in Basel in jener Zeit Benjamin Huggel auf, ein anderer Rückkehrer. Und bald greift neben ihm Alex Frei an, sein Freund, und macht ihm das Stürmerleben leichter. Für Frei geht im Sommer 2009 Bernhard Heusler, der damals die Geschäfte des FC Basel leitet, ins Risiko. Er holt ihn für sechs Millionen Franken aus Dortmund zurück.
Der FC Basel befindet sich damals im Umbruch. Den Titel hat der FC Zürich geholt, der Trainer Christian Gross ist weg, auch Ivan Ergic, der Regisseur. Im Training der ersten Mannschaft taucht erstmals ein Jungspund namens Xherdan Shaqiri auf. Die FCB-Leitung kommt zum Schluss, dass der Klub jetzt einen wie Frei braucht.
Heusler und seine Kollegen werden später gefeiert für den Transfer, doch er betont schon damals, dass Rückholaktionen nie eine Strategie sein könnten. Davon ist er immer noch überzeugt. «Klar, solche Personalentscheide kommen unglaublich gut an», sagt er. Aber am Ende, sagt Heusler, gälten die gleichen Grundsätze wie bei jeder anderen Spielerverpflichtung. Positive Emotionen seien als Nebeneffekte sehr willkommen, aber nicht bestimmend für den Entscheid.
Dzemaili, Frei, Streller: Das sind die Erfolgsgeschichten der Heimgekehrten. Die von Wicky im Dress des FC Sion dauert 2007 nur fünf Spiele, er hat Probleme mit dem Körper und Christian Constantin. Andere Fälle sind komplizierter. Cabanas, der mit GC um die alte Grösse ringt. Spycher, der Berner, der auf andere Art heimkehrt, weil er als 32-Jähriger erstmals für YB spielt und 127 Mal insgesamt. Wirklich prägend wird er später als Funktionär.
Dann ist da noch Tranquillo Barnetta. Der St. Galler kehrt 2017 mit 31 Jahren zurück in die Heimat. Er ist damals ähnlich alt wie Shaqiri jetzt, und auch er kommt aus den USA in die Schweiz.
Barnetta hat dann mit Verletzungen zu kämpfen und auch damit, dass die Trainer nicht immer auf ihn setzen. Seine letzte Saison wird die beste. Nach dem Rücktritt sagt er in einem Interview mit dem «St. Galler Tagblatt», dass man in St. Gallen wohl den 17-jährigen Barnetta erwartet habe. Gekommen war aber der 31-Jährige. Es ist ein Ende, bei dem der eine oder andere Misston durchklingt, insbesondere darüber, wie im Verein mit ihm umgegangen worden ist.
Es kann so kommen. Oder so. Und es braucht, wie so oft im Leben, auch ein wenig Glück. Glück, wie Blerim Dzemaili es hatte, «Riesenglück», so formuliert er es sogar. Weil 2022 im FC Zürich plötzlich alles stimmt, die Mannschaft, der Trainer André Breitenreiter; «perfekt», sagt Dzemaili, der das Team damals zum Titel zog.
Dzemailis Warnung an Shaqiri
Jetzt, in Basel, kommt auch Shaqiri in einen Klub, der viel von seiner einstigen Ausstrahlung verloren hat. Man kann das als Nachteil sehen, weil nun alle erwarten, dass der kleine Mann den Klub wieder aufrichtet. Marco Streller aber findet, die jüngere Vergangenheit mache die Sache «ein bisschen einfacher» für Shaqiri. Bernhard Heusler sagt, man solle sich in Basel jetzt einfach freuen. Und dem Rückkehrer dann «ein wenig Zeit» lassen.
Und Blerim Dzemaili, der langjährige Mitspieler im Nationalteam, hat für Shaqiri eine Warnung bereit. Die Schweizer Liga habe «ihre eigenen Macken», man müsse bereit sein, gerade als grosser Name, gegen den alle doppelt motiviert seien.
Apropos grosse Namen: Wer weiss, wie viele von ihnen künftig noch in die Super League zurückkehren werden. Fest steht: Je mehr sich die finanziellen Gräben zwischen Topligen und Mittelbau vertiefen, desto komplizierter werden solche Transfers, auf umso mehr Geld müssten Yann Sommer, Manuel Akanji, Granit Xhaka oder Breel Embolo dereinst verzichten, um heimzukehren.
Wenn man dann wieder daheim ist, kann es so kommen. Oder so. Aber wie wichtig ist es überhaupt? Barnettas zweieinhalb Jahre in St. Gallen waren ein Auf und Ab, doch sein Status in der Ostschweiz ist in Stein gemeisselt: als Ikone des Klubs, verewigt etwa auf einer Wand beim Kybunpark.
Vielleicht ist es ja so, dass mit der Heimkehr allein schon viel getan ist.