Der deutsche Segler strebte bei seiner zweiten Teilnahme das Podest an. Dieses verpasste er als Zwölfter deutlich. Die Enttäuschung darüber ist ebenso gross wie die Erschöpfung.
«Ich bin froh, wenn das vorbei ist.» Diese Worte äusserte Boris Herrmann kurz vor seiner Zielankunft an der Vendée Globe. In der Biskaya war der deutsche Segler dem schlimmsten Sturm seines Lebens ausgesetzt: Wellen bis zu zehn Metern Höhe und Windgeschwindigkeiten von bis zu 65 Knoten machten die letzten Seemeilen zur Tortur. Die Ziellinie überquerte er alleine – ohne Empfangsboote, die wegen des Wellengangs den Hafen nicht verlassen konnten. Die Wartezeit auf das Hochwasser, um in den Hafen von Les Sables-d’Olonne einzulaufen, verbrachte er schlafend.
Geweckt wurde Herrmann von seinem engen Freund und Mäzen Pierre Casiraghi, dem Sohn von Caroline von Monaco. Casiraghi war an Bord gestiegen, um den Deutschen zu begrüssen und ihm zu seiner Leistung zu gratulieren. Nach 80 Tagen auf hoher See, geprägt von zahlreichen Havarien, hatte ein übermüdeter Herrmann seine zweite Vendée Globe beendet.
Sein zwölfter Platz ist ein herber Rückschlag. Vor dem Start hatte er gesagt: «Alles ausser den Top Ten wäre eine Enttäuschung.» Als Favorit gehandelt zu werden, störte ihn nicht. «Auf dem Papier ist das korrekt.» Ein Blick auf das Imoca-Ranking von 2024 bestätigte damals seine Zuversicht: Aufgrund der bisherigen Erfolge lag er hinter Charlie Dalin, dem späteren Sieger der Vendée Globe 2025, auf Rang zwei. Die Schweizerin Justine Mettraux folgte auf Platz fünf.
Bei seiner ersten Teilnahme wurde er zum Publikumsliebling
Doch Herrmanns Hoffnung auf einen Podiumsplatz erlitt schon kurz nach dem Start Schiffbruch. Er hatte Schwierigkeiten, im Atlantik die richtige Route zu wählen. Während sich an der Spitze ein Trio absetzte, kämpfte der 43-jährige Hamburger lange Zeit mit Mettraux um Platz zehn. Bis zum Kap Hoorn lag er noch aussichtsreich auf einem Platz zwischen vier und sechs, doch dann begannen die Herausforderungen: Herrmann musste auf den Mast steigen, um Reparaturen durchzuführen, einen Tag später traf ein Blitz sein Boot und legte die Elektronik vorübergehend lahm, das Fallschloss eines Vorsegels brach, mehrere Segel rissen – und schliesslich verlor er eines seiner Foils nach einer Kollision mit einem unbekannten Objekt.
«Es war immer etwas los», resümierte Herrmann im ersten Interview nach dem Zieleinlauf erschöpft, «eine Aneinanderreihung von schwierigen Umständen». Am Ende fiel er auf Rang zwölf zurück und war nur zehn Stunden schneller als vor vier Jahren.
Boris Herrmann, der seit gut einem Dutzend Jahren als Profi-Segler unterwegs ist, war in Deutschland lange Zeit nur in Fachkreisen bekannt. 2019 sorgte er erstmals für Schlagzeilen, als er die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg mit seinem Boot über den Atlantik nach New York zum UN-Klimagipfel segelte. Ein Jahr später nahm er als erster Deutscher an der Vendée Globe teil. Während der Pandemie gewann er dank seinem grossen Erzähltalent ein Millionenpublikum, das seinen Kampf um die Spitze an den Bildschirmen mitverfolgte. Doch in der letzten Nacht auf See kollidierte er mit einem Fischerboot, beschädigte sein Rigg und verlor ein Foil. Die Podiumschancen waren dahin, Herrmann wurde Fünfter.
Über Nacht hatte Deutschland einen neuen Sporthelden. Die Medien rissen sich um ihn, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lud ihn ein und er war in zahlreichen Talkshows zu Gast. Die ARD produzierte eine Dokumentation, Herrmann selbst schrieb den Bestseller «Allein zwischen Himmel und Meer». Der Sympathieträger stieg zu einem der Spitzenverdiener der Offshore-Szene auf. Mit einem neuen Boot und starken Ergebnissen in den Qualifikationsregatten galt er als einer der wenigen Nicht-Franzosen, denen ein Sieg bei der Vendée Globe zugetraut wurde.
Herrmanns Mäzen Cairaghi bestätigt die nächste Teilnahme
Doch auch die Jubiläumsausgabe wurde von einem Franzosen gewonnen – Charlie Dalin setzte die Dominanz seiner Landsleute fort, die nun alle zehn Austragungen für sich entschieden haben. 13 ausländische Segler waren am Start, die bestplatzierte unter ihnen war die Schweizerin Justine Mettraux auf Rang acht. Die Briten Alex Thomson (Zweiter 2017), Ellen MacArthur (Zweite 2001) und Mike Golding (Dritter 2005) verpassten den Sieg in früheren Ausgaben ebenfalls nur knapp.
In den deutschen Fachmedien wurde bereits diskutiert, warum Herrmann trotz bester Voraussetzungen kein gutes Ergebnis erzielte. Neben Wetterpech und zahlreichen Materialschäden wurde darauf hingewiesen, dass seine Open 60 für Vorwind-Bedingungen optimiert war – doch die blieben in diesem Rennen aus.
Der zweifache Vendée-Globe-Teilnehmer Yann Eliès äusserte zudem Zweifel, ob Herrmann die letzte Entschlossenheit zum Sieg habe. Fest steht: Er gibt nicht auf. In Les Sables-d’Olonne bestätigte Pierre Casiraghi bereits Herrmanns Teilnahme an der nächsten Vendée Globe. Und der Segler selbst sagte: «Aller guten Dinge sind drei.»