Als erster Aktienmarkt startet Tokio mit herben Verlusten in die neue Woche. Das lässt für den Handelsstart in Europa und den USA Böses ahnen.
In Asien hat die Angst vor einer globalen Krise den Absturz der Aktienkurse dramatisch beschleunigt. Nicht einmal die Mahnung von US-Finanzminister Scott Bessent, dass es «keinen Grund» gebe, eine Rezession einzupreisen, konnte den Ausverkauf noch abbremsen. Nach den bereits heftigen Kursverlusten der vergangenen Woche brach der Nikkei-225-Index am Montag in den ersten 25 Handelsminuten um 8,4 Prozent auf 30.814 Punkte ein, der breiter gewichtete Topix sogar um 10,3 Prozent auf 2244 Punkte.
Das war der schlechteste Stand seit Oktober 2023 und für den Nikkei-225 sogar 23 Prozent unter dem Jahreshoch kurz nach dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump im Januar. Damit reiht sich der Nikkei mit an Danach verringerte sich das Minus bis zur Mittagspause zwar leicht. Aber der Nikkei-255 sackte immer noch um 6,5 Prozent auf 31.591,84 Punkte ab.
Auch andere asiatische Märkte reagierten erneut heftig auf die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, Importe aus aller Welt ab dem 9. April mit hohen Zöllen zu belegen. Japan drohen 24 Prozent, der Europäischen Union 20 Prozent. Der australische S&P/ASX 200-Index fiel zeitweise um 6,4 Prozent, der südkoreanische Kospi-Index um 4,7 Prozent und der Straits Times-Index in Singapur um 6,7 Prozent.
Auch chinesische Aktien brachen ein, nachdem die chinesische Regierung ihrerseits als Gegenmassnahme einen Zoll von 34 Prozent auf US-Produkte verhängt hatte. Der Hongkonger Hangseng-Index verlor in den ersten Minuten zehn Prozent an Wert. Selbst der Shanghai Composite Index kollabierte um 6,7 Prozent. In Japan warnen Experten sogar davor, dass die Turbulenzen zu einer globalen Finanzkrise führen könnten.
Droht eine Finanzkrise?
Grund zur Sorge sind die Auswirkungen auf den Anleihemarkt. «Die Renditeaufschläge für US-Hochzinsanleihen haben ein Niveau erreicht, das Sorgen über eine Kreditkrise rechtfertigt», warnte Naka Matsuzawa, Chefstratege der japanischen Investmentbank Nomura, vor Handelsbeginn. Die Lage sei dramatisch.
Die Renditeaufschläge für US-Hochzinsanleihen seien auf mehr als 400 Basispunkte gestiegen, rechnete er vor. «Wenn sich nichts ändert, könnte es zu einem Finanzschock und einer Kreditklemme kommen.» Die US-Notenbank sieht er in einer extrem schwierigen Situation. Beim ersten US-Zollschock in Trumps erster Amtszeit habe die Fed durch Zinssenkungen einen Finanzschock verhindern können. «Das Ausmass der neuen Zölle ist viel grösser als unter Trump 1.0, so dass eine Zinssenkung der Fed allein wahrscheinlich nicht ausreichen wird, um einen Schock zu verhindern», urteilt Matsuzawa.
Die Krise hat sich auch auf japanische Staatsanleihen ausgewirkt, in die Anleger Zuflucht suchen. Die Rendite zehnjähriger Anleihen ist seit dem 2. April, dem Tag von Trumps Zollschock, um 0,44 Prozentpunkte auf 1,125 Prozent gefallen. Noch im vergangenen Monat wurde spekuliert, dass sie aufgrund der guten Wachstumsaussichten steigen könnte.
Japans Regierung bereitet Krisenmassnahmen vor
In den Regierungen rund um den Globus herrscht deshalb bereits Alarmstimmung. Japans Regierungschef Shigeru Ishiba sprach bereits vergangene Woche von einer nationalen Krise und rief alle Parteien im Parlament zu einer Krisensitzung zusammen, um geschlossen auf Trumps Handelskrieg zu reagieren.
Am Sonntag beauftragte Ishiba in einer weiteren Krisensitzung das Finanz- und Wirtschaftsministerium, die Lage auf den Finanzmärkten zu beobachten, gegebenenfalls gegenzusteuern und die internationale Zusammenarbeit zu verstärken. Seine Regierung hatte bereits am Donnerstag ein Überbrückungsprogramm vorgestellt, um den Geldfluss der Unternehmen nicht gefährlich einbrechen zu lassen. Auch ein Nachtragshaushalt zur Stützung der Wirtschaft ist in Planung. Zudem will Ishiba mit Trump über das Zollniveau oder Ausnahmen verhandeln. Doch der Ausgang ist noch ungewiss.
Das Ende der Krise noch nicht in Sicht
Weitere Rettungsmassnahmen könnten folgen, denn ein Ende der Talfahrt ist noch nicht in Sicht. Der US-amerikanische «CBOE Market Volatility Index», der die Krisenstimmung am Markt misst, ist mit über 45 Punkten auf den drittschlechtesten Wert gestiegen. Nur während der Weltfinanzkrise und nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie lag er höher. Die Auswirkungen des Zollschocks sind noch nicht vollständig absehbar.
Ein gutes Beispiel dafür ist die Exportnation Japan. Die von der Wirtschaftszeitung Nikkei befragten Analysten rechnen für das seit April laufende Geschäftsjahr mit einem Anstieg des Gewinns je Aktie der im Nikkei-225 gelisteten Unternehmen um 8,7 Prozent. Die Experten von JPMorgan Securities warnen nun, dass ein Importzoll von 24 Prozent die Gewinne um sieben Prozent schmälern könnte.
Das bedeutet, dass allein die Zölle das erwartete Gewinnwachstum fast aufzehren könnten. Zusätzlich drohen jedoch auch ein langsameres globales Wachstum und die jüngste rapide Abwertung des US-Dollars könnten die Gewinne zu belasten.
So ist der Dollar zwischen dem 2. April und Montag um rund fünf auf 144,83 Yen gefallen. Und je stärker der Yen wird, desto grössere Währungsverluste drohen japanischen Unternehmen. Denn zum einen werden Exporte teurer, zum anderen sinken die Gewinnbeiträge des Auslandsgeschäfts bei der Umrechnung in Yen. Umso dringender suchen Analysten nach einem möglichen Boden für die Aktienkurse. Sollten die Gewinne der Japan AG um zehn Prozent und das Kurs-Gewinn-Verhältnis auf das frühere Krisenniveau von 12,5 fallen, ergibt sich nach einer Berechnung der Wirtschaftszeitung Nikkei ein Nikkei-255-Index von 27.000 Punkten. Das wäre ein weiteres Abwärtspotenzial von rund zehn Prozent.