Viele Frauen wünschen sich den Doppelnamen zurück. Die grosse Kammer will ihnen den Wunsch erfüllen. Dieser Rückschritt lässt tief in die Seele der Schweizer Kernfamilie blicken.
Viele Frauen wollen sich auch im Jahr 2024 nicht gegen ihre Ehemänner durchsetzen. Zumindest beim Familiennamen sieht es danach aus. Der Nationalrat will den Doppelnamen bei Ehepaaren wieder einführen – und lässt damit ein Relikt aus patriarchalen Zeiten wieder aufleben.
Das gegenwärtige Namensrecht ist eine gleichstellungspolitische Errungenschaft. Seit 2013 heissen Frau und Kinder nicht mehr automatisch wie der Pater familias. Jede Partnerin, jeder Partner kann den angestammten Namen behalten, das Paar entscheidet gemeinsam, ob die Kinder wie die Mutter oder wie der Vater heissen. So steht im Zivilgesetzbuch: «Jeder Ehegatte behält seinen Namen.»
Das klingt einfach, führt aber offenbar in zahlreichen Familien zu Konflikten. Zu diesem Schluss muss kommen, wer sich mit Standesbeamten und Politikerinnen über das Thema unterhält. Demnach bestehen Väter mehrheitlich darauf, dass die Kinder heissen sollen wie sie. Damit bringen sie ihre Frauen häufig ins Hadern: Eigentlich würde die Mutter ihren Namen gern behalten, fände es aber auch schön, wenn die Familie ihre Zugehörigkeit mit einem gemeinsamen Namen markierte.
Sklavenhalter tauften ihre Leibeigenen um
Die meisten Frauen beugen sich deshalb dem Willen ihrer Männer und geben den eigenen Namen auf. So nehmen sieben von zehn Bräuten den Namen des Partners an. Aber nur fünf von hundert Bräutigamen wechseln den Namen. Die Wiedereinführung des Doppelnamens soll die Frauen nun aus diesem Dilemma befreien. Er erlaubt es ihnen, es allen recht zu machen – dem Mann und sich selbst.
Historisch war der Name durchaus politisch zu verstehen – als Ausdruck herrschender Machtverhältnisse. Amerikanische Sklavenbesitzer gaben frisch erworbenen Leibeigenen jeweils einen neuen Namen, um zu zeigen: Dieser Mensch gehört mir. Dass die Schweizerin bis ins Jahr 2013 automatisch wie ihr Ehemann hiess, ist ebenfalls ein Abbild vergangener Verhältnisse. Bis 1988 war eine Ehefrau nicht vertragsberechtigt, durfte kein eigenes Konto eröffnen oder ohne Erlaubnis des Mannes erwerbstätig sein. Ihr Vermögen wurde der Verfügungsgewalt des Mannes unterstellt, und nach einer Scheidung erhielt sie nur einen Drittel der ehelichen Ersparnisse.
Tempi passati, zum Glück. Doch mit der Wiedereinführung des Doppelnamens will der Nationalrat nun wieder einen Schritt zurück in die Vergangenheit machen. Das lässt tief in die Seele der Schweizer Kernfamilie blicken. Auf Ebene Verfassung und Recht mag unser Land die Gleichberechtigung grosso modo vollzogen haben. Aber zumindest im Namensrecht blieb die Realität von den juristischen Umwälzungen bisher nahezu unberührt.
Väterchen Staat soll helfen
Überraschend ist das nicht. Auch die Statistiken zur Verteilung der Familienarbeit weisen darauf hin, dass Eheleute bis zu einem gewissen Grad traditionelle Rollenmuster leben. Das ist, selbstverständlich, die private Entscheidung jedes Einzelnen.
Vor diesem Hintergrund ist einfach interessant, dass die Linken die Wiedereinführung des Doppelnamens unterstützten. Und sogar noch weiter gehen wollten als der Nationalrat: Eine Minderheit forderte erfolglos die Einführung des Doppelnamens auch für Kinder, damit beide Elternteile die gemeinsame Beziehung zum Kind nach aussen tragen könnten. Diese Möglichkeit hätte den schwierigen Entscheid der Eltern einfach auf die Kinder übertragen. Linke sowie Teile der GLP, Mitte und FDP stimmten dafür.
Normalerweise sind die Linken die lautesten Verfechterinnen der Gleichberechtigung. Doch offenbar wollen sie die Frauen vor Auseinandersetzungen mit ihren Ehemännern bewahren. Wenn es hart auf hart kommt, soll Väterchen Staat die schützende Hand über die Schweizerinnen halten. Und vor allem über deren Ehemänner: Sie müssen sich bei der Wiedereinführung des Doppelnamens am wenigsten bewegen.