Die FDP ist unzufrieden mit der bisherigen Aufarbeitung der Affäre Maisano am Universitätsspital Zürich.
Der Konflikt, der sich am Montagmorgen im Zürcher Kantonsrat abgespielt hat, tönt aufs Erste banal. Gestritten wurde darüber, ob ein Vorstoss auf der Traktandenliste auf Platz 6 oder 17 verhandelt werden sollte.
Doch so kleinlich, wie die Frage klingt, war sie nicht – zumindest nicht für FDP und Mitte.
Linda Camenisch (FDP, Wallisellen) setzt sich seit längerem für eine umfassende Untersuchung der Vorgänge an der Herzklinik des Universitätsspitals Zürich zwischen 2016 und 2020 ein. Unter der Leitung des damaligen Direktors Francesco Maisano kam es zu überdurchschnittlich vielen Todesfällen.
Zuletzt wandte sich Camenisch mit einer Interpellation an die Zürcher Kantonsregierung. Sie stellte mehrere kritische Fragen, unter anderem wollte sie wissen, wie der Regierungsrat den Handlungsbedarf für eine eigene administrative Untersuchung beurteile. Unterdessen hat die Regierung geantwortet. Und zu diesen Antworten war am Montag eine Debatte angekündigt – allerdings erst auf Platz 17 der Traktandenliste.
Weil das Parlament lediglich am Vormittag tagte, war abzusehen, dass die Zeit für die Behandlung des Geschäfts nicht reichen würde. Darum stellte Camenisch gleich zu Beginn den Antrag, den Vorstoss auf Platz 6 vorzuverschieben.
Laut Camenisch drängt die Zeit. Gewisse ungeklärte Todesfälle aus dem Jahr 2016 drohten bereits 2026 zu verjähren, sagte die Gesundheitspolitikerin. «Deshalb erträgt es jetzt keinen Aufschub mehr.» Die nächste Ratsdebatte zu Gesundheitsthemen wird wohl erst nach den Sommerferien stattfinden.
Camenisch wurde deutlich: «Wir sprechen hier von verstorbenen sowie mutmasslich geschädigten Patientinnen und Patienten.» Der Kantonsrat trage als parlamentarische Oberaufsicht über das Universitätsspital eine Mitverantwortung und müsse jedes Interesse daran haben, «dass diese Vorfälle lücken- sowie kompromisslos untersucht und aufgeklärt werden».
Ausser der FDP- und Mitte-Fraktion sowie einem grünen Kantonsrat sah aber niemand im Ratssaal die Dringlichkeit. Camenischs Antrag wurde deutlich abgelehnt. Damit ist die Debatte auf später verschoben.
PUK steht im Raum
Das Unispital selbst hat vergangenen August angekündigt, sämtliche Todesfälle in der Herzchirurgie zwischen 2016 und 2020 durch eine unabhängige Untersuchungskommission überprüfen zu lassen. Als Chef der Kommission hat es den früheren Bundesrichter Niklaus Oberholzer beauftragt.
Wie weit diese Abklärungen fortgeschritten sind, ist nicht bekannt. Der «Beobachter» schrieb vor einem Monat, dass mehrere wichtige Zeugen wie etwa einer der Nachfolger Maisanos, Thierry Carrel, noch nicht befragt worden seien. Oberholzer äussert sich während der laufenden Untersuchung nicht zum Fall.
Linda Camenisch findet, dass die Untersuchung des Unispitals allein nicht genüge. «Diese Kommission entlässt weder die Gesundheitsdirektion noch die Oberstaatsanwaltschaft aus ihrer Verantwortung», sagte sie am Montag in einer Erklärung, die sie im Namen der FDP-Fraktion vorlas.
In der Verantwortung stehen laut Camenisch namentlich die Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (SVP) und die Justizdirektorin Jacqueline Fehr (SP), als Vorgesetzte der Staatsanwaltschaften.
Allenfalls sei eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) notwendig – «sollten wir zu dem Schluss gelangen, dass weiterhin nichts oder zu wenig in dieser Angelegenheit unternommen wird».
Unzufrieden mit Antworten
In seiner Antwort auf Camenischs Interpellation schreibt der Regierungsrat unter anderem, dass die Anordnung einer Administrativuntersuchung gegen das Unispital durch den Regierungsrat oder die Gesundheitsdirektion nicht möglich sei. Er verweist auf geltende Zuständigkeiten und auf die Untersuchung Oberholzers, die der Spitalrat eingeleitet habe.
Die Kantonsrätin Corinne Hoss-Blatter (FDP, Zollikon) hat Camenischs Interpellation mitunterzeichnet. Sie ist unzufrieden mit den Antworten der Regierung. «Unser Vertrauen in die Gesundheitsdirektion und ins Unispital ist erschüttert», sagt sie. Die bisherige Aufarbeitung der Todesfälle werde dem Anspruch der Hinterbliebenen nicht gerecht.