Pavillons und Umnutzungen waren in der Schulraumplanung bisher zu Unrecht als Notlösungen und Ausdruck von Versagen verrufen.
Die Stadt Zürich erlebt gerade eine Zäsur, die überfällig war: das Ende vorbehaltloser, überteuerter Investitionen in den Schulhausbau.
2019 hat die Zürcher Stadtregierung unter dem Eindruck rasant steigender Schülerzahlen zur grossen Schulraumoffensive geblasen. Seither plante sie im Akkord neue Schulhäuser – und tat, als spielten Kosten keine Rolle. Allein in den letzten beiden Jahren kamen vier Bauvorhaben an die Urne, von denen jedes ein Preisschild in dreistelliger Millionenhöhe trug. Den Rekord hält das Schulhaus Saatlen für über eine Viertelmilliarde Franken.
Trotz diesen immensen Summen winkte eine grosse Mehrheit der Stimmberechtigten alle Vorhaben mit einer an Fatalismus grenzenden Routine durch. Seit Beginn der Schulraumoffensive wurde ohne Murren mehr als eine Milliarde Franken in neue Schulanlagen gesteckt. Eine Stadt beugte sich dem Killerargument der Alternativlosigkeit.
Dass dabei allerdings nicht wenigen zunehmend unwohl war, zeigt sich an den schwindenden Zustimmungsraten. Hatten diese anfangs noch gegen 90 Prozent betragen, sanken sie zuletzt auf unter 75 Prozent. Dennoch hätte es noch lange in diesem Stil weitergehen können.
Aber dann tat das Zürcher Stadtparlament letzte Woche, was es sonst nie tut: Es wies ein Projekt an die Stadtregierung zurück, wegen Zweifeln an der Notwendigkeit. Es geht um 5 Millionen Franken für ein 15-monatiges Provisorium. Vor dem Hintergrund früherer Investitionen mag eine solche Summe verblassen, aber der Entscheid ist ein Signal: Das Argument der Alternativlosigkeit zieht nicht mehr.
Selbst die am linken Rand politisierende Alternative Liste stimmte gegen die Ausgabe. Mit der bemerkenswerten Begründung, dass sie kein seriöses Urteil treffen könne. Es fehle an verlässlichen Daten.
Der Hintergrund dieser Aussage: Die Stadt musste die erwarteten Schülerzahlen für die nächsten 15 Jahre kürzlich dramatisch nach unten korrigieren. In manchen Stadtkreisen wird statt ein Zuwachs nun eine Abnahme erwartet. Dies wegen eines abrupten Geburtenknicks nach der Corona-Pandemie, über dessen Gründe noch gerätselt wird.
Scheingenauigkeit und Vermessenheit
Dadurch wird erstens die Scheingenauigkeit der Zürcher Schulraumplanung entlarvt. Auch wenn die Experten der Stadt bis ins Feingewebe einzelner Quartiere eintauchen, um die Kinderzahlen zu prognostizieren, können unerwartete Ereignisse eintreten, die alles über den Haufen werfen.
Dadurch wird zweitens die Vermessenheit entlarvt, unsichere Prognosen auf alle Ewigkeit in Beton zu giessen und dafür Milliarden auszugeben.
Dies spricht nicht gegen eine Schulraumplanung an sich. Aber es spricht für eine Planung, die flexibler auf die Realität reagieren kann. Das ist die Lehre für die Zukunft. Sollten die Schülerzahlen wieder steigen, müssen Ansätze in den Vordergrund treten, die bisher zu Unrecht als Notlösungen und Ausdruck von Planungsversagen verrufen waren.
Da wäre zum einen die vergleichsweise günstige Umnutzung bestehender Bauten zu Schulraum. Etwa einer Kirche wie im Quartier Wipkingen oder zweier Bürotürme wie in Seebach. Beides sinnvolle Projekte.
Da sind zum anderen die Schulpavillons des Typs «Zürich Modular», die laufend verbessert worden sind und zu Dutzenden in der Stadt stehen. Die ersten davon können wegen rückläufiger Schülerzahlen schon bald wieder entfernt werden, relativ einfach und günstig. Man muss sich fragen, was wäre, wenn an ihrer Stelle Schulhäuser gebaut worden wären.
Zürich ist gut beraten, solche modularen Lösungen weiterzuentwickeln, wie dies andere Städte getan haben, etwa München. Also Schulhäuser zu planen, die sich je nach Bedarf erweitern lassen. Im Idealfall in der Vertikalen, damit – anders als heute – keine wertvollen Spiel- und Grünflächen geopfert werden müssen.
Darauf sollten die städtischen Planer ihre Energie konzentrieren. Statt weiter auf der Alternativlosigkeit teurer Schulbauten zu beharren.