Im Fahrverbot an der Langstrasse werden jeden Tag Hunderte von Autofahrern gebüsst. Auch andere Stellen spülen viel Geld in die Stadtkasse.
Die Stadt Zürich hat einen neuen Bussen-Hotspot: Innerhalb von nur einem Monat sind in der Ausgehmeile an der Langstrasse 17 310 Bussen à 100 Franken automatisch ausgestellt worden – macht über 1,7 Millionen Franken für die Stadtkasse.
Die Gebüssten haben das Fahrverbot missachtet, das seit Ende September tagsüber auf dem Abschnitt zwischen Brauer- und Dienerstrasse gilt. Mit einer automatischen Zufahrtskontrolle werden die Nummernschilder an die Zentralstelle für Verkehrs- und Ordnungsbussen weitergeleitet.
Rund 60 Millionen Franken an Bussgeldern nimmt die Stadt jedes Jahr insgesamt ein. Der Betrag ist fix im Budget eingeplant. Dieses Jahr könnte er wegen der vielen Übertretungen an der Langstrasse übertroffen werden.
Gut möglich auch, dass das dortige Kontrollgerät einen neuen Rekord aufstellt, wenn sich nicht bald etwas ändert. Denn die Summe, die dort in nur einem Monat zusammenkam, ist ähnlich hoch wie jene, welche die einträglichsten Blitzkästen der Stadt in einem ganzen Jahr einbringen.
Einsamer Spitzenreiter in der Statistik der Stadtpolizei war in den letzten drei Jahren jeweils das Kontrollgerät an der Kreuzung Neumühlequai und Walchebrücke hinter dem Hauptbahnhof. 2022 resultierten dort knapp 11 000 Bussen über insgesamt 2,7 Millionen Franken. Weil das Überfahren eines Rotlichts mit 250 Franken relativ viel kostet, dominieren in dieser Rangliste Geräte, die neben überhöhter Geschwindigkeit auch das Ignorieren einer Ampel ahnden.
Einer der höchsten bekannten Werte wurde im Jahr 2003 allerdings bei einem reinen Geschwindigkeitsmesser erzielt: an der Rosengartenstrasse, wo damals ein einzelnes Kontrollgerät mehr als 150 000 Autofahrerinnen und Autofahrer blitzte. Die Bussensumme ist zwar nicht überliefert, sie dürfte aber rund 8 Millionen Franken betragen haben. Auch diese Marke würde an der Langstrasse innert Jahresfrist selbst dann erreicht, wenn dort fortan nur noch halb so viele Personen gebüsst würden wie im ersten Monat.
Die weniger verbreiteten Zufahrtskontrollgeräte – auch jenes an der Langstrasse ist ein solches Modell – generierten, soweit bekannt, nie einen vergleichbaren Ertrag. Nachdem am Zähringerplatz in der Altstadt ein solcher Apparat eingerichtet worden war, registrierte er im Jahr 2019 etwas mehr als 16 000 Vergehen. Das macht 1,6 Millionen Franken Bussgeld – ein Wert, der an der Langstrasse schon nach einem Monat übertroffen war. Zu beachten ist allerdings, dass in der Altstadt auch weniger Fahrzeuge verkehren.
Aussagekräftiger als die Summe der Bussen ist die Zahl der Übertretungen pro Kontrollgerät – denn sie ist ein Indiz dafür, dass eine Verkehrsvorschrift übersehen oder bewusst ignoriert wird.
Besonders oft blitzen jene Kästen, die von der Polizei jeweils nur für zwei Wochen aufgestellt und dann wieder verschoben werden. An einer Strasse in Albisrieden wurden im Februar in einer einzigen Woche 2400 Bussen generiert, wie «20 Minuten» berichtete. Noch einmal zum Vergleich: An der Langstrasse waren es in gut vier Wochen über 17 000.
Auch bei den stationären Geräten lagen in dieser Statistik jüngst reine Geschwindigkeitsmessgeräte an der Spitze. Jenes an der Ueberlandstrasse in Schwamendingen, wo man von der Autobahn her stadteinwärts fährt, kam 2022 auf etwas über 2000 Übertretungen pro Monat.
2022 ebenfalls in den Top 3 der fix installierten Geräte, die am häufigsten geblitzt haben: eines in der Tempo-30-Zone an der Wasserwerkstrasse in Wipkingen und eines an der Rosengartenstrasse. Wobei auffällt, dass die Zahl der Bussen an der Rosengartenstrasse nur noch einen Bruchteil des dort vor zwanzig Jahren erzielten Rekordwerts beträgt.
Auch andernorts ist ein solcher «Lerneffekt» zu beobachten: Die Blitzkästen an der Seestrasse in Wollishofen oder an der Hohlstrasse nahe dem Letzigrund, in den Jahren 2019 und 2020 Spitzenreiter punkto gemessener Übertretungen, sind danach deutlich zurückgefallen.
Die Stadt rechnet damit, dass sich die Autofahrer auch an der Langstrasse an das neue Verkehrsregime gewöhnen werden und die Zahl der Bussen abnimmt.
Für die bürgerliche Minderheit hingegen ist klar: Das neue System ist ein Planungsflop und die Beschilderung des Fahrverbots ungenügend. «Mich ärgert, dass die Tausende von gebüssten Autofahrern einfach als Kollateralschaden in Kauf genommen werden», sagt der FDP-Verkehrspolitiker Andreas Egli.
FDP, SVP sowie EVP und Mitte denken nun über einen gemeinsamen Vorstoss im Stadtparlament nach, um gegen das Verkehrsregime vorzugehen, wie Egli der NZZ sagt. Konkret: Autofahrer sollen die Langstrasse auch tagsüber wieder passieren dürfen und nicht durch angrenzende Wohnquartiere fahren müssen. Der Bus erhält mittels intelligenter Verkehrssteuerung seine eigene Spur zurück, und Velos teilen sich die Spur mit Autos beziehungsweise dem Bus.
Es dürfte ein Wunschdenken bleiben. Denn die Stadt hat nicht vor, das Fahrverbot wieder aufzuheben – und sie weiss im Parlament die rot-grüne Mehrheit hinter sich.