Die städtische Velo-Planung sei «unsäglich engstirnig», findet die Kilchberger Gemeindepräsidentin.
Das Stadtzürcher Tiefbauamt hat ehrgeizige Ziele. 130 Kilometer Velo-Highways will es in der ganzen Stadt innert eines Jahrzehnts bauen. Das Amt geht dabei ziemlich bestimmt vor. Man könnte auch sagen: resolut.
In Zürich-Wollishofen ist eine Veloroute auf der Kilchbergstrasse geplant. Sie ist eine von drei Strassen, die Kilchberg mit der Nachbargemeinde Zürich verbindet. Nun will die Stadt jeglichen Autoverkehr, der von Kilchberg her Richtung Wollishofen rollen könnte, kategorisch unterbinden. An der Stadtgrenze sollen Poller quer über die Strasse verankert werden.
Dies hat nun zu einer Einsprache gegen das Strassenbauprojekt geführt, wie man sie nicht alle Tage sieht: Sie stammt von der Nachbargemeinde Kilchberg.
Die zentrale Planung stösst auf Widerstände
Das Stadtzürcher Tiefbauamt setzt das um, was die Chefin, Stadträtin Simone Brander (SP), vorgibt. Brander hatte die Velorouten-Initiative vorangetrieben, als sie noch Stadtparlamentarierin war. 2020 wurde das Begehren an der Urne angenommen, Brander wurde 2021 in den Stadtrat gewählt. Dort übernahm sie den Tiefbau.
Deshalb ist sie nun direkt für die Umsetzung ihrer eigenen Initiative zuständig. Ihre Idee ist ein einheitliches Netz – zentral geplant für die ganze Stadt. Doch dies stösst in vielen Quartieren auf Ablehnung.
Als die Pläne in Wollishofen vor zwei Jahren bekanntwurden, formierte sich rasch breiter, überparteilicher Widerstand. Der Velo-Highway auf der Kilchbergstrasse sei unnötig, denn es handle sich um eine ruhige Quartierstrasse. Vor allem störte die Anwohnerinnen und Anwohner, dass bestehende Verkehrshindernisse wie Berliner Kissen und versetzt angeordnete Parkplätze verschwinden sollen. Das Ergebnis sei freie Fahrt für rasende Velofahrer.
Frei erfunden sind solche Bedenken nicht: Eine Untersuchung der Stadt bei einem Schulhaus, das direkt am Velo-Highway im Seefeld liegt, hat gezeigt, dass kaum ein Velofahrer bremst, wenn Schulkinder die Strasse passieren wollen.
471 Einwendungen gingen vor zwei Jahren in Wollishofen gegen die Pläne ein – verglichen mit anderen Strassenbauprojekten eine enorm hohe Zahl. Einwendungen sind keine Rechtsmittel, sondern Rückmeldungen aus dem Quartier: Die öffentliche Hand kann ein Strassenbauprojekt anpassen, bevor sie die definitive Version veröffentlicht. Sie muss aber nicht.
Die Stadt Zürich entschied sich für Letzteres. Letzten Herbst lehnte sie die Einwendungen summarisch ab. Doch als die Stadt das Projekt diesen Januar öffentlich auflegte, zeigt sich: Angepasst hat sie das Projekt durchaus. Aber nicht im Sinne vieler Quartierbewohner.
Die neuen Poller an der Stadtgrenze sind in den Augen der Anwohner das grösste Ärgernis. Aber in den Plänen figurieren jetzt auch künstliche Strassenverengungen. Ein weiteres Sicherheitsrisiko, findet Fritz Klein. Er ist einer der Anwohner, die Rechtsmittel ergriffen haben. Unterschrieben hätten «ausschliesslich Anwohnerinnen und Anwohner, keine Verbände», betont er.
Klein sagt, an der Einsprache seien ursprünglich 30 Parteien beteiligt gewesen, aber der Kreis habe sich nach Bekanntgabe der Pläne im Januar auf 70 vergrössert. Man habe vereinbart, den Fall mindestens bis zur dritten Instanz, dem kantonalen Verwaltungsgericht, weiterzuziehen.
Die Einspracheschrift ist 60 Seiten dick. Sie liegt der NZZ vor. Unter anderem argumentiert sie mit der 2020 angenommenen Volksinitiative. Darin stehe, dass die Routen unter Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten umgesetzt werde. Davon könne nun aber gar keine Rede sein. Und anscheinend seien ortsfremde Planer am Werk. Am Montag ging die Einsprache auf die Post.
Kilchberg hat plötzlich eine Sackgasse
Ebenfalls am Montag wurde die Einsprache des Gemeinderats Kilchberg bekannt. Die Gemeinde hat handfeste Gründe gegen das Vorhaben: Wenn die Stadt Zürich die Strasse an der Stadtgrenze mit Pollern abriegelt, entsteht eine Sackgasse. Kilchberg muss eine Wendeschlaufe bauen.
Doch die Irritation jenseits der Stadtgrenze geht tiefer. Gemeindepräsidentin Phyllis Scholl (FDP) spricht von «unsäglicher Engstirnigkeit», die die Stadt Zürich an den Tag lege. Mit einer Planung, die «nicht über den eigenen Tellerrand hinaus» blicke.
Die Stadt Zürich hat den Kilchberger Gemeinderat laut Scholl nicht in die Planung mit einbezogen. Dies sei auch rechtlich von Belang, sagt sie: In der Raumplanung gelte stets das Koordinationsgebot, «und dieses wird hier mit Füssen getreten».
Und grundsätzlich sei es doch seltsam, wenn ein seit Jahrzehnten bestehender Verkehrsweg ohne Rücksprache gekappt werde.
Weshalb hat die Stadt über den Kopf der Kilchberger hinweg geplant? Das Tiefbauamt stellt die Sachlage anders dar. Kilchberg sei im letzten Herbst erstmals informiert worden, zwei Vertreter des örtlichen Gemeinderats seien vor Ort gewesen. Allerdings war damals noch von einer Einbahn Richtung Wollishofen die Rede, nicht von der Abriegelung der Strasse mit Pollern.
Über das Projekt in der heutigen Form sei dann die Kilchberger Bauabteilung informiert worden, und zwar vor Weihnachten 2024, schreibt das Tiefbauamt.
Erstaunlich ist, dass die Poller-Idee erst ganz am Schluss Eingang in die Pläne fand. Bei zwei öffentlichen Informationsveranstaltungen in Wollishofen wurden der Bevölkerung andere Ideen präsentiert.
Wie kam es zu diesem Sinneswandel? Hierzu schreibt das Tiefbauamt, nach einer der beiden Informationsveranstaltungen habe man von «Besuchenden» die Rückmeldung erhalten, das vorgesehene Einbahn-Regime werde «als nicht positiv und schwer verständlich» angesehen. Es bestehe die «Angst, dass die Einbahnen einfach ignoriert werden».
Deshalb habe das Projektteam entschieden, dass die Variante mit den vier Pollern die einzige effektive Lösung sei. «So erfüllt die Velovorzugsroute den Auftrag der Stimmbevölkerung, frei von Durchgangsverkehr zu sein.»
Es ist jene Direktive, mit der die Stadt den Bau der Velo-Highways entschlossen vorantreibt.