Der Hersteller von Kabelverbindungsmaschinen sieht im zweiten Halbjahr 2024 eine Stabilisierung der Auftragslage. Die Erholung dürfte sich aber weiter verzögern – und das ganz grosse Risiko ist nicht gebannt.
Geschätzte Leserin, geschätzter Leser
Die europäische Automobilindustrie befindet sich in einer Jahrhundertkrise. Der Absatz enttäuscht, bei den neuen Elektroautos hinkt man der Konkurrenz aus China und den USA hinterher, Politik und Unternehmen schieben sich gegenseitig die Schuld für das Versagen zu. Selbst das Überleben des deutschen Traditionskonzerns Volkswagen scheint mittlerweile nicht mehr hundertprozentig sicher.
Mitten drin in dieser Krise: Komax.
Der Schweizer Hersteller von Kabelverbindungsmaschinen durchläuft schwierige Zeiten. Die Aufträge von Autoherstellern respektive deren Zulieferern sind schon länger eingebrochen, für 2024 rechnet Komax deshalb mit einem 20% niedrigeren Umsatz. Damit würde er auf rund 600 Mio. Fr. unter das Niveau von 2022 sinken. Dank strikten Massnahmen zur Kostensenkung soll der Betriebsgewinn auf Stufe Ebit im laufenden Jahr trotz Restrukturierungskosten von rund 10 Mio. Fr. noch leicht positiv ausfallen, 2023 betrug das Ebit 68 Mio. Fr.
Der Boden scheint vorläufig erreicht, …
Zumindest im ersten Halbjahr 2025 werde sich indes das Marktumfeld noch nicht wesentlich verändern, schreibt Komax anlässlich des heute stattfinden Kapitalmarkttages. Dies, obwohl der Auftragseingang im ersten Halbjahr 2024 den Tiefpunkt wohl durchschritten hat und in den letzten Monaten endlich leicht höher war als der Umsatz. Trotz dieses leichten Aufwärtstrends werden die Gewinnschätzungen für das kommende Jahr wohl nochmals nach unten angepasst.
Darauf deutet auch die Marktreaktion hin. Nach einem Minus von gegen 50% seit Jahresbeginn fallen die Aktien am Freitagvormittag erneut.
Das Management hat bereits lobenswerte Massnahmen ergriffen, um Komax zukunftsfähiger aufzustellen, insbesondere durch die Optimierung der Standorte. Neben der Aufgabe der Produktion in Japan und zwei bereits angekündigten Schliessungen in Deutschland soll 2025 nun auch das Werk im deutschen Wiedensahl geschlossen werden. Bereits bekannt war, dass die Produktion in der chinesischen Metropole Schanghai nach Tianjin verlagert wird, um Doppelspurigkeiten zu vermeiden. In der Schweiz werden die beiden Standorte in Cham und Rotkreuz an den Hauptsitz in Dierikon verlegt. Zudem hat Komax die Produktion von Testing Bulgaria in die Türkei verlagert.
Auch die Integration der 2022 übernommenen Schleuniger schreitet laut Komax wunschgemäss voran. Insgesamt resultieren durch die Massnahmen auf das Gesamtjahr gerechnet bereits Einsparungen von rund 20 Mio. Fr. Dank der niedrigeren Kostenbasis könnte das Unternehmen in einem Aufschwung überproportional profitieren.
Für mich steht grundsätzlich fest: Komax ist ein gut geführtes Unternehmen, das dank seiner herausragenden Produktpalette eine starke Position in einem lukrativen Markt innehat oder zumindest innehatte. Weltweit werden noch immer mehr als drei Viertel der Kabelverarbeitung manuell vorgenommen. Die herkömmliche Fertigung wird oft als Komax› grösster Konkurrent bezeichnet – und ist gleichzeitig auch die grösste Chance. Durch die zunehmende Automatisierung könnte sich das Unternehmen einen grösseren Markt erschliessen. Gerade weil es die hochwertigsten und am stärksten automatisierten Lösungen anbieten kann.
… aber was folgt danach für Komax?
Die grosse, noch nicht beantwortbare Frage aber bleibt: Wie wird die weltweite Automobilindustrie mittel- bis langfristig aussehen? Und was bedeutet das für europäische Zulieferer?
Dass China Elektroautos in aller Welt verkaufen will, steht fest, dass etwa die Batterien dafür von chinesischen Herstellern stammen sollen, ebenfalls. Für Schweizer Zulieferer ist der chinesische Markt mittlerweile wohl wichtiger als etwa der deutsche, wie verschiedene Unternehmen an einer von der Zürcher Kantonalbank vorletzte Woche durchgeführten Konferenz durchblicken liessen.
Wenn die Lieferketten nun aber noch weiter gedacht werden und auch die Zulieferer der Zulieferer durch chinesische Unternehmen ersetzt werden sollen, dann wird es noch schwieriger für Komax. Und dafür gibt es durchaus Indizien: Der Elektroautokonzern BYD streckt die Fühler in verschiedene Richtungen aus, wie ich Mitte Juni beschrieben habe. Zumal die Devise, wie ich höre, im Land derzeit «China first» lautet. Oder anders gesagt: Alles, was sich in vergleichbarer Qualität von chinesischen Produzenten kaufen lässt, sollen chinesische Unternehmen gefälligst auch von denen beziehen. Der Preiskampf ist enorm.
Dabei müssten die Vorzeichen für Komax genau umgekehrt sein: Sie muss in China stark wachsen und Marktanteile gewinnen, um ihre Ziele zu erreichen. Dafür hat das Unternehmen zum Beispiel eine Mehrheit an Hosver, dem führenden chinesischen Hersteller von Maschinen zur Verarbeitung von Hochvoltkabeln, gekauft. Und noch glaubt das Management an die Strategie und ist nicht so pessimistisch mit Blick auf China, auch wenn es etwas vorsichtiger geworden ist. Die vor rund einem Jahr vorgestellten und damals schon sehr ambitionierten Mittelfristziele für 2028 sollen neu 2030 erreicht werden. Sie sehen einen Umsatz zwischen 1 Mrd. und 1,2 Mrd. Fr. vor, bei einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 6 bis 9%. Der Ebit soll bis dahin auf 120 Mio. bis 160 Mio. Fr. steigen.
Bis dahin kann vieles passieren, zu vieles. Ich habe mir bereits einmal die Finger an den Aktien verbrannt und bleibe an der Seitenlinie, bis mehr Klarheit im Automobilsektor herrscht.
Freundlich grüsst im Namen von Mrs Market
Gabriella Hunter