Die Schweizer Autorin steht mit ihrem dokumentarischen Roman «Die Holländerinnen» auf der Shortlist für den Schweizer und den Deutschen Buchpreis.
Der Herbst geht sich ganz gut an für die Schweizer Literatur. Am Dienstag wurde bekannt, dass Dorothee Elmiger mit ihrem vierten Roman «Die Holländerinnen» nicht nur auf der Shortlist für den Schweizer, sondern auch auf jener für den Deutschen Buchpreis steht.
Ein Doppelsieg, wie er 2022 Kim de L’Horizon mit «Blutbuch» gelungen ist, würde Elmiger nicht nur viel Aufmerksamkeit im deutschsprachigen Raum einbringen, sondern auch ein schönes Preisgeld von knapp 55 000 Franken – der Schweizer Buchpreis ist mit 30 000, der Deutsche mit 25 000 Euro dotiert.
Verloren im Dschungel
«Die Holländerinnen» erzählt vom Erzählen, vom Hörensagen und Kolportieren. Verankert ist der Roman, der genau genommen eine halb fiktive Dokumentation ist, in einer tatsächlichen Geschichte. 2014 hatten sich zwei Niederländerinnen aufgemacht zu einer Wanderung im Dschungel von Panama – und waren nie zurückgekehrt. Nach monatelanger Suche fand man Leichenteile der beiden Frauen; später auch ihren Rucksack, darin zwei Smartphones und eine Kamera. Die Todesursache ist bis heute unbekannt, das Spekulationspotenzial entsprechend gross.
Elmiger spekuliert nicht mit, sie erzählt nach. Dazu schickt sie eine Autorin in der Schreibkrise gemeinsam mit einem Theaterregisseur und seiner Truppe in die Wildnis Panamas. Man wohnt, wo die Niederländerinnen wohnten, und wandert, wo die Niederländerinnen wanderten. Die Autorin soll dokumentieren, wie die Truppe selbst sich im Dschungel ein wenig verliert, bevor das Verschwinden der Holländerinnen zur Theaterinszenierung wird. Denn der Regisseur bringt nur auf die Bühne, was er und seine Truppe zumindest nachempfunden haben.
Vom Erzählen erzählen
Elmiger erzählt ihre Geschichte konsequent in indirekter Rede, indem sie kolportiert, was die Autorin nach ihrer Rückkehr im Rahmen einer Lesung an der Universität über die Reise nach Panama erzählt. Dabei sucht Elmiger immer wieder die Steigerung, gibt etwa weiter, was jemand den Theaterleuten gesagt hat, die das der Autorin weitererzählen, die es ihrerseits ihrem Publikum berichtet, was dann im Roman wiedergegeben wird.
Das ist alles reichlich verschachtelt und konstruiert und dazu mit vielen literarischen und kulturellen Referenzen angereichert. Damit die geneigten Fährtensucher beim Umblättern nicht die Spur verlieren, ist das Büchlein aber einigermassen kurz gehalten.
Keine Fremde auf der Shortlist
Es ist bereits das zweite Mal, dass Elmiger sowohl für den Deutschen als auch für den Schweizer Literaturpreis in der engsten Auswahl steht. Gleiches gelang ihr bereits 2020 mit «Aus der Zuckerfabrik». Beim Schweizer Buchpreis schaffte sie es sogar mit allen vier Romanen unter die Top fünf. Gewonnen hat sie bisher nicht.
Gemeinsam mit Elmiger gehen auch Kaleb Erdmann mit «Die Ausweichschule» und Jehona Kicaj mit «ë», Thomas Melles «Haus zur Sonne», dazu «Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft» von Fiona Sironic und «Wachs» von Christine Wunnicke ins Rennen um den Deutschen Buchpreis.
Über die diesjährige Auswahl sagt die Jurysprecherin und SRF-«Literaturclub»-Moderatorin Laura de Weck, jedes Werk auf der Shortlist sei «ein Befreiungsschlag».