Bei seiner Attacke auf Israel gab Iran Einblick in sein umfangreiches Raketenarsenal. Einen direkten Luftkrieg mit dem Erzfeind kann sich Teheran aber nicht leisten. Das zeigt auch Israels begrenzte, aber präzise Antwort auf den Angriff.
Weniger als eine Woche nachdem Iran über 300 ballistische Raketen, Marschflugkörper und Drohnen auf Israel abfeuert hatte, reagierte das angegriffene Land. Dabei verzichteten die israelischen Streitkräfte darauf, ihre militärische Überlegenheit durch einen breit angelegten Gegenschlag zu demonstrieren, und setzten stattdessen auf einen begrenzten Luftangriff. Dieser enthüllte militärische Schwächen des Regimes in Teheran.
Für den Luftangriff auf Iran nutzten die israelischen Streitkräfte laut übereinstimmenden Berichten zwei oder drei Mittelstreckenraketen vom Typ Blue Sparrow. Diese Raketen dienen eigentlich als Übungsraketen, mit denen die israelischen Streitkräfte die eigenen Flugabwehrsysteme testen. Sie wurden entwickelt, um Angriffe ballistischer Raketen russischer und iranischer Bauart zu simulieren. Doch die Reichweite der Blue-Sparrow-Rakete von 2000 Kilometern ermöglicht auch, einen Grossteil der Luftwaffenstützpunkte und Nuklearanlagen tief im Landesinneren Irans von Israel aus anzusteuern.
Israel kann Iran von nah und fern beschiessen
Offenbar griff Israel aber nicht vom eigenen Territorium aus an. Darauf deuten Funde von Raketen-Startmodulen nahe den irakischen Ortschaften Latifiya und al-Aziziya, rund 200 Kilometer von der iranischen Grenze entfernt. Die Sparrow-Raketen werden von Kampfflugzeugen aus abgefeuert – vermutet wird, dass israelische Jets via Syrien bis in den Irak flogen, um die Raketen von dort aus einzusetzen. Dazu passt, dass die syrische Nachrichtenagentur Sana an jenem Tag israelische Kampfjet-Aktivitäten über Syrien meldete.
Das israelische Vorgehen ermöglichte es, die Reaktionszeit der iranischen Flugabwehr zu verkürzen. Für solche Einsätze verfügt Israels Luftwaffe über hochmoderne amerikanische F-35-Kampfjets und Vorgängermodelle der Typen F-15 und F-16.
Der Angriff mit den Präzisionswaffen war erfolgreich. Eine Rakete traf ein Flugabwehrsystem auf dem Luftwaffenstützpunkt Shekari, etwa 20 Kilometer nordöstlich von Isfahan und südlich der Nuklearanlage Natanz. Die Urananreicherungsanlage war früher bereits Ziel israelischer Sabotageakte gewesen.
Auf der Basis Shekari sind Kampfjets stationiert, darunter F-14 Tomcats aus amerikanischer Produktion. Sie stammen noch aus der Zeit vor der iranischen Revolution 1979. Überhaupt gilt die iranische Kampfjet-Flotte als veraltet. Ihre neuesten Modelle sind russische Su-24 und MiG-29, die noch zu Sowjetzeiten hergestellt wurden. Das Regime in Teheran will sein Arsenal modernisieren und hat deshalb letztes Jahr 24 Kampfflugzeuge in Russland bestellt. Es wäre mit Abstand der grösste Waffenkauf Irans in den letzten zwanzig Jahren. Laut Experten ist aber unklar, ob und wann die Jets in Teheran eintreffen.
Am Freitag stiegen denn auch keine Kampfflugzeuge auf, um den Angriff Israels abzuwehren. Überhaupt bestritt die iranische Führung den Raketeneinschlag. Aussenminister Hossein Amir-Abdollahian sprach lediglich von «kleinen Spielzeug-Drohnen», die in den Luftraum eingedrungen und abgeschossen worden seien. Solche Kleindrohnen dürften die iranische Flugabwehr absorbiert haben. Dieselbe Taktik hatte letzte Woche schon Iran angewandt, indem es 170 Kamikaze-Drohnen als Vorhut nach Israel schickte.
Irans Flugabwehr mit wenigen Geschossen überlistet
Satellitenaufnahmen vom Stützpunkt Shekari widersprechen der iranischen Darstellung, wonach bei dem Angriff kein Treffer gelungen sei. Sie zeigen einen Einschlag beim Radar des dort stationierten S-300-Flugabwehrsystems.
S-300 ist ein Boden-Luft-Flugabwehrsystem, das in der Sowjetzeit entwickelt wurde. Es kann Flugobjekte in einer Entfernung von 300 Kilometern aufspüren und bis zu sechs Ziele mit zwölf Raketen auf einmal bekämpfen.
Iran verfügt über mehr als 100 Flugabwehrsysteme gegen Mittel- und Langstreckenraketen, darunter das russische S-300-System in Shekari. Iran verfügt auch über Flugabwehrsysteme aus eigener Produktion wie das Bavar-373-System, das Ziele in einer Reichweite von bis zu 450 Kilometern erkennen kann, sowie das Khordad-15-System, das angeblich Raketen auf 75 Kilometer abfangen kann. Ergänzt werden diese mit chinesischen und russischen Batterien für kürzere Reichweiten.
Teheran hat in den letzten Jahren in die Flugabwehr investiert und laut dem amerikanischen Think-Tank IISS über 400 Flugabwehrsysteme im ganzen Land stationiert. Doch der Schlagabtausch mit Israel zeigte, dass Irans Flugabwehr leicht überlistet werden kann. Derweil benötigte Iran für einen weniger präzisen Einschlag in der Nähe des israelischen Militärflugplatzes Nevatim über 300 Flugkörper. Im Direktvergleich wirkt Israel, das über gut ausgebildete Truppen und ein moderneres Arsenal an konventionellen Waffen und Atomwaffen verfügt, klar stärker. Iran muss deshalb weiterhin vor allem auf seine Verbündeten setzen.
Es sind vor allem die mehreren hunderttausend Raketen des libanesischen Hizbullah, der Huthi-Armee in Jemen und palästinensischer Milizen, die Israels Streitkräfte in Bedrängnis bringen könnten. Der Schattenkrieg, den Iran und Israel seit langem führen, kommt beiden Seiten gelegener als ein offener Schlagabtausch. Das zeigt sich deutlich daran, dass Israel seinen Angriff nicht offiziell bestätigte und Iran ihn kleinredete.