Die FDP Aargau hat deutlich die Nein-Parole beschlossen für die Abstimmung zum Mantelerlass. Der Fürsprecher der Vorlage fühlt sich alleingelassen – auch vom Parteipräsidenten.
44:0 Stimmen. Selten war man sich unter den Parteien so einig wie bei der Abstimmung des Ständerats über den Mantelerlass: Das Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien soll Solar-, Wind- und Wasserkraft fördern. Das war im September vergangenen Jahres. Jetzt ist der Konsens Geschichte.
Die SVP hatte vergangenes Wochenende in Langenthal die Nein-Parole beschlossen. Mit 242:149 Stimmen. Nun zieht eine weitere Partei nach: die FDP Aargau. Diese lehnte die Vorlage am Dienstagabend in Untersiggenthal mit 17 Ja- zu 40 Nein-Stimmen ab. Und damit noch deutlicher als die SVP-Basis.
Pikant: Sie widersetzt sich dabei dem Votum der Mutterpartei. Die FDP Schweiz hatte bereits im Januar ihre Mitglieder befragt, diese sprachen sich mit 267:29 Stimmen für den Mantelerlass aus.
Nun scheint sich an der Basis etwas verändert zu haben. Und dies ausgerechnet in der Kantonalpartei von FDP-Schweiz-Präsident Thierry Burkart. Er war am Dienstagabend ebenfalls vor Ort, sprach sich aber vor den Delegierten nicht für den Mantelerlass aus. Das überliess er FDP-Nationalrat Matthias Jauslin. Nun bereut Burkart dieses Versäumnis. Er sagt: «Aber im Nachhinein ist man immer schlauer.»
Damit flammt ein alter Konflikt zwischen den beiden Aargauern wieder auf. Schon 2016 waren sich Jauslin und Burkart in die Haare geraten, als sie beide neu in den Nationalrat gewählt wurden. Damals kritisierte Burkart Jauslin, weil dieser sich mit dem damaligen kantonalen Gewerbeverbandschef öffentlich anlegte.
Als Burkart diesen Herbst in den Ständerat gewählt wurde, bezeichnete Jauslin ihn auf der Plattform X, ehemals Twitter, als «Lobbyist aus dem Transportwesen». Burkart ist Präsident des Schweizerischen Nutzfahrzeugverbands Astag.
Thierry Burkart wurde glanzvoll in den Ständerat gewählt. Herzliche Gratulation! Er ist auch Präsident von ASTAG. Ich frage mich nun, ob es für uns AargauerInnen geschickt ist, mit Giezendanner junior einen weiteren Lobbyist aus dem Transportwesen in den Ständerat zu entsenden…
— Matthias Samuel Jauslin (@JauslinMatthias) November 10, 2023
Nun, nach der Parolenfassung von Dienstag fühlt sich Jauslin von Burkart im Stich gelassen. Er war in Untersiggenthal der Einzige, der sich öffentlich für die Ja-Parole ausgesprochen hat. Alle anderen machten sich für die Nein-Parole stark. Darunter Grossrat und Rechtsanwalt Lukas Pfisterer. Dieser überzeugte die Parteibasis, indem er rechtliche Bedenken zum Mantelerlass äusserte.
Jauslin hat es in Sachen Energiepolitik schwer innerhalb der FDP. Er war in der vergangenen Legislatur Teil der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (Urek). Zusammen mit anderen Kommissionsmitgliedern zimmerte er den Mantelerlass. Auf diese Legislatur hin wurde Jauslin intern in der Kommission durch Christian Wasserfallen ersetzt.
Er vermutet, dass sein Rauswurf damit zusammenhänge, dass er selber stark für den Umweltschutz engagiert sei. «Man will den Öko-Flügel stutzen», sagt Jauslin. Dem stimmt der Solothurner Alt-Nationalrat Kurt Fluri zu. Er finde es völlig illiberal, dass die FDP gestandene Kommissionsmitglieder wie Jauslin auswechsle. Er sagt, es gebe keinen Platz für verschiedene Meinungen mehr innerhalb der FDP.
Anders sieht das beim Mantelerlass aus: Die FDP Aargau ist die erste und einzige Kantonalpartei, welche die Nein-Parole beschlossen hat. Die FDP Waadt, FDP Genf und die FDP Neuenburg befürworten die Vorlage, die Voten aus den anderen Kantonen stehen noch aus.