Fabrice Leggeri stand bis 2022 an der Spitze der EU-Grenzschutzagentur, bevor er aufgrund schwerwiegender Vorwürfe gegen ihn zurücktrat. Nun will er gemeinsam mit dem Rassemblement national die Migrationspolitik in Europa gestalten.
Der frühere Chef der europäischen Grenzschutzagentur Frontex, Fabrice Leggeri, kandidiert bei der Europawahl vom 9. Juni für das Rassemblement national (RN) von Marine Le Pen. Dies gaben Leggeri und die Partei am Wochenende bekannt. In einem exklusiven Interview mit dem französischen «Journal du Dimanche» erklärte der gebürtige Elsässer seinen Schulterschluss mit den Rechtspopulisten damit, dass das RN insbesondere in der europäischen Migrationspolitik einen konkreten Plan habe: «Gemeinsam wollen wir die migrantische Überflutung bekämpfen, die die Europäische Kommission und die Eurokraten nicht als Problem, sondern vielmehr als Projekt betrachten. Das weiss ich aus eigener Erfahrung», sagte Leggeri.
Die Partei habe ausserdem die Fähigkeit, ihren Plan auch umzusetzen, so der 55-Jährige. Das Rassemblement national liegt in neusten Umfragen für die Europawahlen mit knapp 10 Prozent Vorsprung auf die Renaissance-Partei des französischen Präsidenten Emmanuel Macron auf dem Spitzenplatz. Sie käme derzeit auf einen Wähleranteil von rund 30 Prozent. Bei den Europawahlen 2019 erreichte das RN einen Stimmenanteil von rund 23 Prozent und verwies damit die Präsidentenpartei bereits damals auf den zweiten Platz.
Der ehemalige Frontex-Chef steht für die Europawahlen auf Listenplatz drei des Rassemblement national. Damit hat er sehr gute Aussichten, einen Sitz im Europaparlament in Strassburg zu ergattern. Die Liste wird angeführt von Jordan Bardella, dem Parteichef des RN.
Leggeri bleibt in Migrationspolitik bei seinen Überzeugungen
Die Entscheidung, in die Politik zu gehen, sei nur konsequent, erklärte Fabrice Leggeri im Interview mit dem «Journal du Dimanche». Nachdem er seinen Posten bei Frontex im April 2022 geräumt habe, sei ihm klar geworden, dass er in die Politik gehen müsse, um seine Überzeugungen zu verteidigen. «Persönliche Attacken und Druckversuche haben mich nur dabei bestärkt, dass ich mich in den Dienst der Franzosen stellen muss», sagte der Politiker.
Im April 2022 hatte Leggeri nach schweren Vorwürfen gegen ihn und einige Mitarbeiter die Leitung von Frontex, die er seit 2015 innegehabt hatte, zur Verfügung gestellt. Hintergrund waren insbesondere Ermittlungen zu illegalen Zurückweisungen von Migranten im Mittelmeer. Führungskräfte der in Warschau ansässigen EU-Agentur sollen absichtlich vertuscht haben, dass griechische Grenzschützer Flüchtlinge zurück aufs offene Mittelmeer brachten.
Zurückweisungen von Schutzsuchenden an den Aussengrenzen, sogenannte Pushbacks, sind nach internationalem Recht illegal. Nichtregierungsorganisationen werfen Frontex vor, die Rechte von Flüchtlingen nicht ausreichend zu schützen. Leggeri sei während seiner Amtszeit ein Hauptverantwortlicher dieser Praxis gewesen, heisst es.
Le Pen freut sich über das Insiderwissen
Leggeri kennt die Brüsseler Politik schon seit über 20 Jahren. Im Jahr 2000 wurde er zum Berater der Europäischen Kommission. Im Projekt «Management der EU-Aussengrenzen» war er für die Gründung von Frontex zuständig.
Marine Le Pen, die derzeit als Abgeordnete für das RN im französischen Parlament sitzt, zeigte sich erfreut über die Kandidatur des ehemaligen Frontex-Chefs. «Es ist sehr spannend, jemanden zu haben, der von innen heraus den Franzosen sagen kann, was vor sich geht», erklärte Le Pen gegenüber dem Fernsehsender LCI.
Weniger erfreut, aber kaum überrascht, äusserte sich derweil die politische Konkurrenz. «Seine Ankunft auf der Liste des Rassemblement national zeigt, wie die europäische Migrationspolitik in Richtung Chaos und Rassismus kippt. Aber ein anderer Weg ist möglich», schrieb Chloé Ridel, Sprecherin der französischen Sozialisten im Europaparlament, auf X. Der grüne Europaabgeordnete Damien Carême schrieb auf der Plattform, Leggeri habe bereits die Farbe und den Geschmack des RN gehabt, und die belgische Europaparlamentarierin Sophie in ’t Veld twitterte: «Weshalb bin ich nicht überrascht? Der ehemalige Chef von Frontex hat sich endlich als Rechtsextremist geoutet.»