Das Parlament vergrössert die Ausbaupakete für die Schiene laufend. Dabei kommen die Bundesbahnen schon heute mit den Bauarbeiten nicht nach.
Am Sonntag demonstrierten die SBB ihre Leistungsfähigkeit. Sie waren gut auf die Reiseströme vorbereitet, die mit dem Ende der Skiferien in manchen Kantonen zu erwarten waren. Zwischen Chur und Zürich setzten sie teilweise Triebzüge des Typs FV-Dosto in Doppeltraktion ein, die besonders viel Platz bieten, aber dort nur noch vereinzelt fahren. Zudem führten die Bundesbahnen Entlastungszüge, zusätzlich zum regulären IC-Halbstundentakt vom Wochenende. Trotz dem dichten Verkehr kam es kaum zu grösseren Verspätungen. Mit einer flexiblen Planung, genug Personal und einer guten Betriebsführung holten die SBB an diesem Spitzenverkehrstag das Maximum heraus – und das, obwohl es auf der Strecke am Walensee einen Einspurabschnitt gibt.
Dennoch gehört dieser Abschnitt nun zu den Strecken, die nach dem Ständerat auch der Nationalrat auf Doppelspur ausbauen will. Die Projektierung der Arbeiten ist bloss eines der Vorhaben, mit denen die grosse Kammer am Montag das Ausbaupaket des Bundesrats von 2,6 Milliarden Franken bis 2035 um 350 Millionen vergrössert hat – vom Walensee bis zum Genfersee. Frappierend war, dass es kein Thema war, ob die Doppelspur und weitere Ausbauten für das Angebot nötig sind. Stattdessen sprach das Parlament nur über Infrastrukturen. Die meisten Politiker wollten für ihre Region ein möglichst grosses Stück vom Kuchen herausholen.
Bezeichnend sind die 100 Millionen Franken für Verbesserungen in der Westschweiz ab 2025. Die Räte sprachen sich dafür aus, obwohl gar keine Projekte bereit sind. Die Mehrheit der SVP-Fraktion, die GLP und Bundesrat Albert Rösti wehrten sich erfolglos dagegen, planlos Geld auszugeben. Dass dies auch Rösti zu weit ging, spricht Bände. Denn der SVP-Magistrat hat gezeigt, dass er ein Gespür für die Befindlichkeiten der Landesteile hat. Auf seinen Antrag entschied der Bundesrat letztes Jahr, dass die Strecke Lausanne–Genf neu mit einem Tunnel ausgebaut werden soll. Das führt zu Mehrkosten von 1,3 Milliarden und sollte die Romandie beruhigen, die sich beim Bahnausbau vernachlässigt fühlt.
Vor zehn Jahren hat das Stimmvolk der Vorlage über die Finanzierung und den Ausbau der Bahn (Fabi) mit einem Fonds zugestimmt. Nachbarstaaten wie Deutschland beneiden die Schweiz um die gesicherte Finanzierung des Unterhalts und Ausbaus der Schiene. Doch immer deutlicher zeigt sich, dass der Topf Fluch und Segen ist, wie auch jener für die Strasse. Die Fonds führen dazu, dass die Politik für die Verkehrsinfrastrukturen laufend mehr ausgibt, während der Bund an allen Ecken und Enden sparen sollte – und die Armee auf Vordermann bringen muss. Es fehlt eine Bremse, die bei der Neat oder der Bahn 2000 dazu führte, dass die Schweiz nicht alles Wünschbare sofort realisieren konnte.
Doch auch im Bahnfonds sind die Mittel nicht unendlich. Wegen des Spardrucks will der Bundesrat die Einlagen ab dem nächsten Jahr kürzen. Die geplante Subventionierung des Binnengüterverkehrs soll ebenfalls aus diesem Topf finanziert werden. Dazu kommt, dass der Unterhalt der Bahn Vorrang vor dem Ausbau hat. Gemäss den SBB wird der Mittelbedarf für den Substanzerhalt stärker als prognostiziert steigen. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass das Geld beim nächsten grossen Ausbauschritt, den der Bundesrat im Jahr 2026 vorsieht, nicht für alle Vorhaben reichen wird. Die Kantone versuchen nun, mit Vorentscheiden möglichst viele Projekte abzusichern.
Doch das ist kurzsichtig. Die Politik ignoriert die Warnsignale. Die SBB kommen schon heute mit den Bauarbeiten kaum nach und können erst ab dem Jahr 2033 wieder grössere Ausbauten durchführen. Die vielen Baustellen sind ein Grund, weshalb der Fahrplan in der Romandie ab 2025 vorübergehend schlechter wird. Ab dem Jahr 2035 drohen trotz Investitionen von rund 20 Milliarden Franken in die Schiene national Angebotsverschlechterungen. Die Bahn geniesst in der Schweiz als umweltfreundliches, effizientes Massentransportmittel zu Recht grosse Sympathien. Diese droht sie auf die Dauer zu verlieren, wenn die riesigen Investitionen zu wenig bewirken.