Vor einem Jahr ist sie als Underdog ins Rennen um die republikanische Präsidentschaftskandidatur eingestiegen. Als einzige Konkurrentin von Donald Trump hat sie lange durchgehalten. Nun verlässt Haley das Rennen erhobenen Hauptes.
In den vergangenen Tagen war Nikki Haley anzusehen, wie stark die republikanischen Vorwahlen sie gefordert hatten. Bei einem Interview in der Polit-Sendung «Meet the Press» am letzten Sonntag wirkte sie müde und abgekämpft. In den vergangenen zwei Wochen hat sie bei Reden sogar mit den Tränen gekämpft, als sie über ihren Mann Michael sprach. Er ist als Major der Nationalgarde seit Juni im ostafrikanischen Staat Djibouti stationiert. Es sind kleine Einblicke in das Innenleben einer Frau, die oben auf der Bühne steht, etwas zerbrechlich und allein, und die von Anfang an wusste, dass sie gegen den Haudegen Donald Trump keine Chance haben würde.
Am Mittwoch nun hat sie ihre Kandidatur zurückgezogen. Ihre Ansprache dauerte keine drei Minuten. Sie wünsche Trump als Kandidaten der Republikanischen Partei alles Gute, sagte sie und machte klar: Sie wird sich nicht hinter ihn stellen.
Vor gut einem Jahr hat die heute 52-Jährige ihre Bewerbung bekanntgegeben und damit kokettiert, dass sie noch nie eine Wahl verloren habe. Schon 2010 stellte sie sich als Underdog zur Gouverneurswahl von South Carolina – und gewann zur Überraschung vieler. Aber South Carolina, wo sie in einer Kleinstadt als Tochter indischer Einwanderer aufgewachsen war und wo sie von 2011 bis 2017 als Gouverneurin gewirkt hatte, sind nicht die USA. Und ihre Herausforderer hiessen nicht Donald Trump. Dieser zeigte seit Beginn der Vorwahlen, wie stark er seine Anhängerschaft mobilisieren kann. Es sind Trumps Anhänger, inzwischen aus allen Schichten, die dem ehemaligen Präsidenten eine Macht verleihen, die weit über das hinausgeht, was Amerika von früheren Präsidentschaftskandidaten kennt.
Ein Richtungsentscheid
Trump hat dank der Unterstützung seiner loyalen Fans die Grand Old Party (GOP) umgekrempelt in eine Richtung, in die Nikki Haley nicht mitmarschieren mag. Bei Auftritten sagte sie deshalb fast mantraartig und mit lebhafter Gestik, dass es nicht um ein Rennen zwischen ihr und Donald Trump gehe, sondern darum, in welche Richtung sich die GOP bewege. Das klang vernünftig, uneitel und fast heroisch. Doch damit konnte sie keine Mehrheiten gewinnen. Nur in den etwas gemässigteren Gliedstaaten konnte Haley in den Vorwahlen 30 bis 40 Prozent der Stimmen holen. Und einzig in Vermont und im Hauptstadtbezirk Washington (DC) konnte sie Trump schlagen.
Man kann Haley hoch anrechnen, dass sie die Niederlagen der vergangenen Wochen mit Fassung trug. Von ihrem Wahlkampfteam hiess es zuletzt, es sei der Haley-Kampagne gar nie ums Gewinnen gegangen, sondern darum, Amerika zu zeigen, dass noch Alternativen zu Trump denkbar wären. Das sei auch das Anliegen ihrer Geldgeber gewesen. Auch ohne realistische Wahlchancen hatte Haley ein stets gut gefülltes Wahlkampfkonto.
War Nikki Haley vielleicht zu vornehm-zurückhaltend für einen amerikanischen Vorwahlkampf mit Donald Trump? Möglich, dass sie sich von Anfang an mehr Glaubwürdigkeit hätte verschaffen können, wenn sie Trump und sein Gebaren klarer verurteilt hätte, vor allem rund um den 6. Januar 2021. Haley, die ausgebildete Buchhalterin, nannte Donald Trumps Sünden zwar durchaus beim Namen. Dazu gehören für sie der Schuldenberg, der Trump den Amerikanern nach seiner ersten Präsidentschaft hinterlassen hat, der Ausbau des Staatsapparats und vor allem die riesige Wut, die Trump anstachelte und die eine bereits polarisierte Gesellschaft kurzzeitig in den Abgrund blicken liess.
Sie war «die Richtige zur richtigen Zeit»
Doch es brauchte Monate, bis Haley sich dezidiert von Trump distanzierte. Schliesslich wollte auch sie es sich wie die anderen Herausforderer nicht mit Trumps grosser Anhängerschaft verscherzen. Lange hat sie ihn auch deshalb geschont, weil sie ihm knapp zwei Jahre lang als Uno-Botschafterin gedient hatte. Es brauchte deshalb einiges an Erklärung, um glaubwürdig darzulegen, wieso sie sich jetzt nicht mehr hinter ihren früheren Chef stellen wollte.
«Ich denke», sagte sie, «Donald Trump war der richtige Präsident zur richtigen Zeit.» Sie stimme mit vielen seiner politischen Massnahmen überein. Doch nun sei Trump auf Rache aus. Vier weitere Jahre mit ihm als Präsidenten wären vier Jahre Chaos. «Amerika», so Haley, «hat Besseres verdient» – eine Präsidentin, zu der «die Kinder wieder hochschauen können». Und vor allem eine Führung, die weltweit Verantwortung übernimmt. Haley hat sich im Wahlkampf immer dazu bekannt, dass ein Amerika mit ihr an der Spitze seinen Alliierten militärisch die Stange halten werde.
Rückenwind haben ihr im November Umfragen gegeben, laut denen sie als einzige republikanische Bewerberin Präsident Joe Biden schlagen könnte. Ron DeSantis, Gouverneur von Florida und ein Konservativer am gleichen rechten Rand wie Trump, kam von dem Zeitpunkt an stark in Bedrängnis. DeSantis war lange der aussichtsreichste Herausforderer von Donald Trump gewesen. Doch er verzettelte sich im Wahlkampf. Auch half es ihm nicht, dass eine schlagfertige Haley ihn bei TV-Duellen zeitweise wie einen Schuljungen aussehen liess. Während Haleys Stern stieg, sank jener von DeSantis. Nach den Vorwahlen in Iowa nahm dieser den Hut.
Haley wollte ein TV-Duell mit Trump, vergeblich
Als noch einzig verbliebene Konkurrentin forderte Nikki Haley Donald Trump in den letzten Wochen immer wieder dazu auf, sich in einem TV-Duell mit ihr zu messen. Trump winkte ab. Vermutlich wusste er, dass das kein einfaches Unterfangen gewesen wäre: Haley mag bei Wahlkampfauftritten teilweise brav und im Vergleich zu Trump unglaublich gemässigt daherkommen, zuweilen gar emotional. In Debatten kommt ihr politisches Talent aber richtig zur Geltung. Haley ist nicht nur dossiersicher und kämpferisch, sondern auch unglaublich schlagfertig. So chaotisch diese Debatten teilweise waren, sie gehören zu den Sternstunden von Haleys Wahlkampf.
Im Gegensatz zu DeSantis hat sich Haley nun nicht hinter Trump gestellt. Sie sagte das nicht explizit, sondern mithilfe eines Zitats von Margaret Thatcher: «Folge nie einfach dem Mainstream.» Es wäre nach diesem Wahlkampf auch unglaubwürdig gewesen, wenn sie sich jetzt einfach Trump angeschlossen hätte.
Mit Nikki Haley hat nun die Vernünftige den Wahlkampf verlassen. Gut möglich, dass sie sich bald für die Präsidentschaft in vier Jahren wieder ins Gespräch bringt. Im Wahlkampf hat sie gezeigt, dass sie eine würdige erste amerikanische Präsidentin wäre. Ihre Eltern kamen aus Indien, haben in Amerika hart gearbeitet und einen gewissen Status erreicht. Die Tochter trägt das Erbe weiter. Amerikanischer geht es fast nicht.