Ausgefallene Züge und gestrichene Flüge: Wegen erneuten Streiks im Bahn- und im Flugverkehr müssen Reisende in Deutschland seit Donnerstagmorgen viel Geduld aufbringen. Doch welche Rechte haben betroffene Passagiere?
Die Züge stehen still, die Bahnhöfe sind verwaist: Seit Donnerstagmorgen sorgt ein erneuter GDL-Warnstreik bundesweit für erhebliche Einschränkungen im Fern- und im Regionalverkehr. Die Bahn verkehrt lediglich mit einem Grundangebot. Laut Mitteilung sind nur 20 Prozent der Fernzüge im Einsatz, im Regionalverkehr sind die Auswirkungen unterschiedlich.
Doch nicht nur im Schienenverkehr gibt es dieser Tage Einschränkungen. Auch an den Flughäfen kommt es zu Verspätungen und Ausfällen. Bei der Lufthansa läuft seit dem frühen Donnerstagmorgen ein mehrtägiger Warnstreik des Bodenpersonals. Die Gewerkschaft Verdi will auf diese Weise höhere Zugeständnisse des Managements bei den laufenden Tarifverhandlungen für rund 25 000 Beschäftigte erzwingen. Wie die Lufthansa mitteilte, kann die Airline nur «etwa 10 bis 20 Prozent» ihrer Flüge anbieten.
Zudem gingen am Donnerstag die Mitarbeiter der Sicherheitskontrollen in Hamburg, Frankfurt und in Düsseldorf in den Ausstand. Der Hamburger Flughafen hat deswegen alle Abflüge gestrichen. Maschinen würden teilweise trotzdem starten, aber ohne Passagiere, teilte der Helmut-Schmidt-Flughafen mit. Besonders chaotisch wurde es in Düsseldorf. Dort hatte Verdi den Streik nicht wie üblich im Voraus angekündigt. Die Wartezeit an den Sicherheitsschleusen, die im Notbetrieb fortgeführt wurden, betrug am Donnerstag laut dem Airport mitunter eine Stunde oder sogar mehr. Der Chef des Düsseldorfer Airports, Lars Redeligx, kritisierte das Vorgehen von Verdi als «verantwortungslos». «Dieses Vorgehen zielt bewusst darauf ab, unseren Flughafen und unsere Passagiere zu schädigen», sagte er.
Was gilt, wenn ein Flug oder eine Zugverbindung wegen eines Streiks gestrichen wird?
Doch welche Rechte haben Passagiere, wenn ihre Zugverbindung oder ihr Flug aufgrund eines Streiks ausfällt? Es seien derzeit sehr turbulente Zeiten für die Reisenden, sagt André Schulze-Wethmar, Bahn- und Reiseexperte beim Europäischen Verbraucherzentrum. Er registrierte in letzter Zeit vermehrt Fälle von betroffenen Bahnpassagieren. Darunter viele Auslandsreisen, beispielsweise Zugfahrten nach Barcelona. «Da sind Reisende betroffen, die sich nachhaltig verhalten möchten und für längere Strecken den Zug nehmen, dann aber oftmals streikbedingt auf halber Strecke stranden», sagt Schulze-Wethmar.
Solche Situationen würden bei vielen Reisenden für Stress sorgen. Doch für solche Fälle habe die EU die Rechte von Bahn- und Flugpassagieren mit der europäischen Fahrgastrecht- sowie der europäischen Fluggastrecht-Verordnung erheblich gestärkt. Beide Verordnungen würden den Passagieren sogenannte Betreuungsrechte einräumen – Ansprüche auf Verpflegung und wenn nötig auf eine Unterkunft. Zudem haben die Reisenden laut Schulze-Wethmar ein Anrecht auf eine Umbuchung, sollte ihre Zugverbindung oder ihr Flug gestrichen werden. «Alternativ können sie auch den Geldbetrag zurückverlangen.» Diese Rechte gelten auch, wenn der Zug oder der Flug wegen eines Streiks ausfällt.
Weiter sähen beide Verordnungen ein Recht auf Entschädigungszahlungen vor. Bei einem Flug hänge der Betrag von der Länge der Flugstrecke ab. Die Gerichte würden in der Regel davon ausgehen, dass die Airline die Entschädigung auch dann zahlen müsse, wenn der Flug wegen eines Streiks der Mitarbeiter der Airline annulliert worden sei. «Anders kann es aussehen, wenn das Sicherheitspersonal am Flughafen, wie gegenwärtig in Düsseldorf, streikt.» Bei der Bahn haben die Reisenden hingegen Anspruch auf eine prozentuale Entschädigung. «Ab einer Stunde Verspätung beträgt sie 25 Prozent des Fahrpreises und ab zwei Stunden 50 Prozent», sagt Schulze-Wethmar. Dies gelte auch, wenn die Verspätung durch einen Streik verursacht worden sei.
Bei der Bahn hätten Reisende zudem neu die Möglichkeit, sich selbst auf einen anderen Zug oder einen Bus umzubuchen und die Kosten später dem Bahnunternehmen in Rechnung zu stellen. «Diese Option tritt aber erst in Kraft, wenn das Bahnunternehmen nicht innerhalb der ersten hundert Minuten nach der ursprünglich geplanten Abfahrtszeit reagiert.» Buche man aber auf ein Flugzeug um, habe man keinen Erstattungsanspruch. Schulze-Wethmar empfiehlt den Reisenden, auch auf Langstrecken wenn möglich eine Verbindung mit möglichst wenigen Umstiegen zu buchen. «Da ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass die Reisekette auseinanderbricht.» Wichtig sei zudem, für die gesamte Strecke eine einheitliche Fahrkarte – eine sogenannte Durchgangsfahrkarte – zu kaufen. Nur dann könnten Reisende auf eine Umbuchung bestehen, wenn wegen einer Verspätung der Anschlusszug verpasst werde.
Arbeitskämpfe kosten Lufthansa 100 Millionen Euro
Umbuchungen und Ausfälle könnten die Reisenden noch bis ins Wochenende begleiten. Im Regionalverkehr soll der GDL-Warnstreik bis am Freitag um 13 Uhr andauern, im Fernverkehr wird laut der Bahn gar erst am Samstag wieder das komplette Angebot zur Verfügung stehen.
Auch der Streik des Lufthansa-Bodenpersonals soll bis am frühen Samstagmorgen andauern. Das Unternehmen will die streikfreudigen Beschäftigten möglichst schnell wieder an den Verhandlungstisch holen. Die Arbeitskämpfe haben das Unternehmen laut einer Mitteilung vom Donnerstag im laufenden Jahr bereits 100 Millionen Euro gekostet. «Die Strategie der Gewerkschaft scheint derzeit die Eskalation zu sein», sagte der Lufthansa-Personalvorstand Michael Niggemann. Der Streik des Bodenpersonals dürfte indes erst der Anfang sein.
Am Mittwoch haben auch mehr als 96 Prozent der rund 19 000 Lufthansa-Flugbegleiter einem Streik zugestimmt. Die Gewerkschaft UFO fordert im Kern 15 Prozent mehr Geld für das Kabinenpersonal der Lufthansa. Ausserdem will die Gewerkschaft eine Inflationsausgleichsprämie von 3000 Euro sowie höhere Zulagen erreichen. Ein Termin für den Streik steht zwar noch nicht fest, der Lufthansa könnte damit aber der komplette Kollaps drohen.