Der amerikanische Supreme Court hat am Dienstag über die Abtreibungspille Mifepriston verhandelt. Abtreibungsgegner fordern höhere Hürden bei der Erhältlichkeit. Die Entscheidung, die im Juni fallen wird, könnte auch die Präsidentenwahl beeinflussen.
Am Dienstag hat der Supreme Court in den USA über den Zugang zum Abtreibungsmedikament Mifepriston verhandelt. Die Pille ist in den Vereinigten Staaten seit dem Jahr 2000 erhältlich. Seit das Oberste Gericht das fünfzig Jahre lang existierende Recht auf Abtreibung im Sommer 2022 kippte, hat die Verbreitung von Mifepriston zugenommen – auch in Gliedstaaten, in denen Abtreibung eigentlich verboten ist.
Einschränkung des Zugangs eher unwahrscheinlich
Laut der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA ist Mifepriston sicher. Es wurde in den USA nach vierjähriger Prüfung zugelassen. Jeder Arzt kann es verschreiben; es wird mit der Post in alle Gliedstaaten verschickt und kann zu Hause eingenommen werden. In Europa ist das Medikament unter dem Namen Mifegyne erhältlich. Vor einem Jahr entschied jedoch ein Bundesrichter in Texas, der freie Zugang sei gesetzeswidrig und das Medikament gefährlich. Kurz darauf entschieden sowohl ein anderes Bundesgericht in Washington als auch das Justizministerium, es bestehe keine gesetzliche Grundlage für ein Verbot.
Dadurch war eine Unklarheit entstanden, die das Oberste Gericht nun ausräumen muss. Der Entscheid des Supreme Court soll Ende Juni veröffentlicht werden. Bis dann ist das Medikament verfügbar: Die Einnahme ist bis zur zehnten Schwangerschaftswoche erlaubt.
Der Supreme Court ist zwar konservativ dominiert, und nach dem aufsehenerregenden Entscheid zur Abtreibung («Roe v. Wade») könnte man damit rechnen, dass er auch gegen eine Abtreibung per Pille entscheidet. Nach der zweistündigen Verhandlung, während deren sowohl Befürworter als auch Gegner der medikamentösen Abtreibung vor dem Gerichtsgebäude in Washington demonstrierten, entstand allerdings eher der Eindruck, dass eine Einschränkung des Zugangs unwahrscheinlich ist, was auch diverse amerikanische Leitmedien feststellten.
Die meisten Abtreibungen werden medikamentös durchgeführt
Wie zum Beispiel die «Washington Post» feststellte, gelang es den Abtreibungsgegnern bei der Anhörung nicht, die angeblichen Risiken von Mifepriston glaubhaft aufzuzeigen. Die vorhandenen Forschungsdaten, die die Unbedenklichkeit des Medikaments zeigen, sind zu robust, und es zeigte sich, dass die diesbezüglichen Skeptiker eher ideologisch als wissenschaftlich argumentierten. Eine Gerichtsentscheidung, die implizierte, dass das FDA Risiken verschleierte, wäre ein massives Misstrauensvotum gegenüber den etablierten Prozedere der Medikamentenzulassung und der damit befassten Behörde.
Auch die Bezugnahme der Mifepriston-Gegner auf das Comstock-Gesetz aus dem Jahre 1873, das den Postversand von Abtreibungs- und Verhütungsmitteln sowie Pornografie verbietet, wirkte etwas weit hergeholt. Was aus juristischer Sicht auch gegen ein landesweites Verbot spricht: Etwa 60 Prozent aller Abtreibungen in den USA werden heute medikamentös durchgeführt; käme es zu einem Verbot in ganz Amerika, würde damit der Schwangerschaftsabbruch auch in Gliedstaaten illegal, in denen er eigentlich erlaubt ist.
Ein Verbot würde bei den Wahlen den Demokraten nützen
Die Entscheidung des Supreme Court ist auch politisch brisant und wird nur wenige Monate vor der Präsidentschaftswahl im November fallen. Zwar ist das Abtreibungsverbot ein zentrales Anliegen der Republikaner. Das Problem ist allerdings, dass die Mehrheit der konservativen Wähler gegen ein striktes Verbot ist. Dasselbe gilt für die Abtreibungspille. Laut einer Gallup-Umfrage vom letzten Jahr sind rund zwei Drittel der Amerikaner für einen freien Zugang zu Mifepriston, ein Drittel ist dagegen. Sogar 41 Prozent der republikanisch Wählenden sind gegen ein Verbot – Tendenz steigend.
Das heisst, dass es in dieser Frage eine Kluft zwischen der Republikanischen Partei und den konservativen Wählern gibt. Ähnlich wie die Aufhebung des Rechts auf Abtreibung könnte auch ein Verbot von Mifepriston bei der Wahl im Herbst den Demokraten in die Hände spielen.