Der Chef eines kriminelle Clans aus der deutschen Hauptstadt will sich einbürgern lassen. Die Empörung ist gross, weil die Familie Remmo mit zahlreichen Straftaten in Erscheinung trat.
Das Oberhaupt eines der bekanntesten Clans in Deutschland zieht es offenbar von Berlin an die Mecklenburgische Seenplatte. Wie zuerst das Online-Medium «Wir sind Müritzer» berichtete, hat der 56-jährige Issa Remmo in dem kleinen Dorf Grabowhöfe, in der Nähe der Stadt Waren an der Müritz, eine neue Meldeadresse. Hintergrund des Umzugs von Berlin in das etwa zwei Autostunden entfernte mecklenburgische Dorf ist möglicherweise, dass der Clan-Chef dort den deutschen Pass beantragt hat. Nach NDR-Informationen läuft das Einbürgerungsverfahren bereits.
Der Landkreis teilte auf NZZ-Anfrage mit, dass er zu personenbezogenen Anfragen und laufenden Verfahren prinzipiell keine Auskünfte erteile. Das Innenministerium in Mecklenburg-Vorpommern liess eine Anfrage unbeantwortet.
Issa Remmo kam in den 1980er Jahren aus Libanon nach Deutschland, offiziell ist er staatenlos. Eine Einbürgerung hätte für ihn Vorteile, unter anderem könnte er nicht mehr ausgewiesen werden. Remmo erfüllt auch die formalen Voraussetzungen für die deutsche Staatsangehörigkeit: Er ist trotz diverser Ermittlungen gegen ihn nicht vorbestraft, lebt seit Jahrzehnten in Deutschland und verdient seinen Lebensunterhalt offiziell als Unternehmer.
Remmo-Clan verantwortlich für schwerste Straftaten
Entsprechend alarmiert reagieren deutsche Politiker. «Kein deutscher Pass für kriminelle Clan-Bosse. Wer Deutscher werden will, darf den deutschen Rechtsstaat nicht mit Füssen treten», sagte der CSU-Generalsekretär Martin Huber der «Bild»-Zeitung. «Issa Remmo und sein Familien-Clan verachten unsere Rechtsordnung und die Werte unseres Landes zutiefst. Der Antrag auf Einbürgerung muss jedem rechtstreuen Bürger wie eine Verhöhnung unseres Staates vorkommen», meinte der CDU-Innenexperte Christoph de Vries. Nach seiner Einschätzung bestehe «null Chance» auf Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft.
Ein Teil der Remmo-Grossfamilie wird mit schwersten Straftaten in Verbindung gebracht. Die Berliner Polizei hat den Clan seit Jahren im Visier. Im Jahr 2018 beschlagnahmte die Berliner Justiz 77 Clan-Immobilien, die mit Geld aus Straftaten finanziert sein sollen. Die Familie klagte dagegen, zahlreiche Verfahren sind noch anhängig.
In der vergangenen Woche wurde nach jahrelangem Rechtsstreit eine Villa der Remmos im Berliner Bezirk Neukölln geräumt. Rund 130 Polizisten waren an dem Einsatz beteiligt. Issa Remmo soll in dem Haus gewohnt haben.
Damit ist die Sorge in Mecklenburg gross, dass sich die Remmos eine neue Familienbleibe in Grabowhöfe zugelegt haben könnten. Die Dorfbewohner blicken mit Unbehagen auf ihren neuen Nachbarn. Das Haus liegt etwas abseits vom Dorfkern und soll einen eher renovierungsbedürftigen Eindruck machen. Der Briefkasten ist mit «I. Remmo» beschriftet, wie das Online-Medium «Wir sind Müritzer» berichtet. Das Haus soll von einem Unternehmer angemietet worden sein. Allerdings wurde der Clan-Boss laut Bewohnern in dem Dorf bisher noch nicht gesichtet.
Das Online-Medium berichtet auch, dass Remmo schon vor einiger Zeit seine Meldeadresse in Grabowhöfe hatte. Nachdem die Behörden aber rausgefunden hätten, dass es in dem angemieteten Haus weder Strom noch Wasser gebe, sei ihm diese wieder entzogen worden. Remmo habe dem widersprochen und sei vor rund zwei Wochen im Amt erschienen, um sich wieder anzumelden. Für ein Einbürgerungsverfahren braucht er eine offizielle Adresse. Diese hat er jetzt von den Behörden bekommen.
Politik will härter gegen Clans vorgehen
Der Remmo-Clan, der mehr als 500 Familienmitglieder zählen soll, gehört der Volksgruppe der Mhallami an und stammt ursprünglich aus Anatolien. Familienmitgliedern werden schwere Straftaten wie Schutzgelderpressung, Raub, Drogenhandel, Geldwäsche, Hehlerei, illegaler Waffenbesitz und Waffenhandel sowie Mord zugeordnet. Auf das Konto des Clans gehen auch der Diebstahl der 100-Kilo-Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum und der Juwelendiebstahl aus dem Grünen Gewölbe in Dresden.
Immer wieder wird ein härteres Vorgehen gegen Clan-Kriminalität gefordert. Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser hatte einen Vorstoss gestartet. Die Sozialdemokratin will nicht nur verurteilte Straftäter ausweisen lassen, sondern auch nicht rechtskräftig verurteilte Mitglieder einer kriminellen Vereinigung. Allerdings muss jedes Mitglieds einen Bezug zu kriminellen Aktivitäten haben.
Auch in Berlin wurden schon mehrfach Offensiven gegen die Clans ausgerufen, bislang mit mässigem Erfolg. So mussten zuvor konfiszierte Immobilen wieder zurückgegeben werden, weil den Beschuldigten Geldwäsche nicht nachgewiesen werden konnte.
Die Berliner Innensenatorin Senatorin Iris Spranger plädierte deshalb für eine volle Beweislastumkehr, wie sie in Italien bei der Mafia-Bekämpfung angewandt wird: «Mit ihr müsste zum Beispiel ein Tatverdächtiger, der über keine Einkünfte, keine bekannten Vermögenswerte verfügt, aber Immobilien in Millionenhöhe bar erworben hat, nachweisen, woher die hierfür genutzten Gelder stammen», sagte die Sozialdemokratin. Laut dem letzten Lagebericht der Polizei aus dem Jahr 2022 wurden den Clans in Berlin rund 300 Straftaten zugerechnet.
