Der Baukonzern leidet unter seinem Aktionariat, der Börsenkurs steht trotz geglückter operativer Trendwende seit vergangenem Sommer unter Druck. Doch jetzt ist mit einem neuen Grossaktionär eine Lösung gefunden worden.
Geschätzte Leserin, geschätzter Leser
Der Aktienkurs von Implenia steht seit Monaten unter Druck. 33% hat der Baukonzern seit dem Höchst im Mai 2023 an Börsenwert eingebüsst. Seit Oktober zeigt der Trend zwar leicht aufwärts, die Kursentwicklung ist aber geprägt von Rückschlägen bei niedrigen Handelsvolumen.
Dabei schien sich vor den Toren der Stadt Zürich endlich alles zum Besseren zu wenden. Als André Wyss 2018 als CEO übernahm, musste er nach schwierigen Jahren aufräumen, hohe Abschreibungen vornehmen und eine Risikokultur aufbauen. Seit drei Jahren läuft das Geschäft wieder. Der freie Cashflow steigt, die Schulden sinken.
Der neuerliche Rückschlag an der Börse im vergangenen Sommer wurde von Beobachtern mit der deutschen Baukrise in Verbindung gebracht: Direkt, weil trotz gegenteiliger Aussagen des Managements Befürchtungen im Raum standen, diese könnte das Geschäft der Schweizer belasten. Indirekt, weil Implenia-Grossaktionär Norbert Ketterer sich am dortigen Immobilienmarkt verspekuliert haben könnte.
Das war noch nicht alles. Doch der Reihe nach.
Grossaktionär Ketterer gibt auf
Im vergangenen Frühsommer ging dem deutschen Bauinvestor Ketterer die Luft aus. Seit Oktober 2019 bei Implenia und als Folge der Abspaltung im Sommer 2020 auch bei der Immobilien-Beteiligungsgesellschaft Ina Invest engagiert, brachten ihn wohl die hohen Baukosten bei steigenden Zinsen sowie die fallenden Preise am deutschen Immobilienmarkt unter Druck.
Ende August 2023 gelang es Ketterer in einem beschleunigten Bookbuilding-Verfahren, einen Grossteil seiner Beteiligung von ursprünglich mehr als 10% an Implenia auf unter 3% zu verringern. Die verbliebenen Aktien von Ketterer dürften nun im März 2024 auf den Markt gekommen sein. Dafür sprechen drei grössere Pakete mit insgesamt 530’000 Aktien, die gemäss Bloomberg-Daten zu diesem Zeitpunkt die Hand wechselten.
Damit endet auch ein schwieriges Kapitel für Implenia: Ketterer stiess beim Baukonzern nie auf Gegenliebe. Mitunter kursierten Gerüchte, er wolle mithilfe seiner Beteiligung an Implenia Investitionen in riskante Immobiliengeschäfte ermöglichen, mitunter auch an seiner eigenen Firma Nokera.
Die Misere an der Börse aber war damit für Implenia noch nicht vorbei.
Grossaktionär Rössler wird zum Unsicherheitsfaktor
Nach dem Deutschen Ketterer hat nun ein weiterer Implenia-Grossaktionär seinen Anteil deutlich reduziert: Max Rössler. Gemäss heutiger Medienmitteilung des Bauunternehmens verkauft der 84-jährige Investor den Grossteil seiner Aktien und hält danach noch weniger als 3% an Implenia.
Der auch nach Ketterers Ausstieg anhaltende Druck auf dem Aktienkurs hat damit deutlich gemacht: Rössler war aus Sicht des Markts mit seiner grossen Beteiligung von rund 16,5% wohl zum Unsicherheitsfaktor geworden.
Nach der Erfahrung mit Ketterer und dem Kurssturz, der sein Ausstieg ausgelöst hatte, hat das Unternehmen dieses Mal anscheinend nach einer anderen Lösung gesucht – mit Erfolg. Philipp Buhofer übernimmt über die Buru Holding, der Investmentgesellschaft seiner Familie, 13,7% an Implenia und damit fast das gesamte Aktienpaket von Max Rössler im Wert von schätzungsweise knapp 84 Mio. Fr.
Die Buru Holding ist unter anderem beim Lagerlogistikspezialisten Kardex und dem Immobilienunternehmen Cham Group langfristig und erfolgreich engagiert. Aus dem Verkauf des 17,2%-Anteils am Industrieunternehmen Schaffner im August 2023 an die amerikanische TE Connectivity dürften ihr zudem rund 55 Mio. Fr. zugeflossen sein. Und auch sonst fehlt es dem Investmentvehikel kaum an Mitteln; das Familienvermögen wird auf über 1,5 Mrd. Fr. geschätzt.
Dass die Wahl Implenias auf den gut vernetzten, aber selten öffentlich auftretenden Buhofer fällt, ist auch angesichts einer anderen publik gewordenen Entwicklung kaum überraschend.
Grossaktionär Buhofer als Retter – und geschickter Investor
Der drohende Ausfall Ketterers hatte im vergangenen Jahr nicht nur bei Implenia Besorgnis ausgelöst. Noch angespannter dürften die Nerven bei der deutlich kleineren Ina Invest gewesen sein, werden doch ihre Aktien kaum gehandelt. Aber bereits Ende 2023 hat Ina die erlösende Nachricht erreicht: Gemäss Beteiligungsmeldung der SIX Exchange Regulation hält der Deutsche auch hier mittlerweile weniger als 3% am Unternehmen.
In Bresche gesprungen war: Philipp Buhofer.
Gut möglich, dass Verwaltungsrat Christoph Caviezel, der Buhofer von der gemeinsamen Tätigkeit bei Cham Group gut kennt, als Vermittler agierte. Und für den aktiven Investor dürfte Ina Invest auch als Anlage attraktiv sein. Jedenfalls war er genug interessiert, um im März 2024 auch gleich ein 7%-Paket von Max Rössler zu übernehmen und seinen Anteil an Ina Invest auf insgesamt 19% auszubauen, wie aus Beteiligungsmeldungen hervorgeht.
Nach der anstehenden Verschmelzung der Ina Invest Holding mit Ina Invest wird die Buru Holding mindestens 12% am Unternehmen halten. Obwohl Buhofer gemäss informierten Beobachtern derzeit nur an einer Finanzanlage interessiert sei, kann ich mir kaum vorstellen, dass es ihn nicht reizt, eine aktivere Rolle einzunehmen. Zumal durchaus denkbar ist, dass Ina Invest und Cham Group näher zusammenrücken.
Gute Aussichten für die Implenia-Aktien
Zurück zu Implenia: Der Baukonzern ist so gut unterwegs wie selten in den vergangenen Jahren. Nach der gescheiterten Wachstumsstrategie der Ära vor 2019 steht nun die Rentabilität im Fokus des Managements. Das macht sich für die Anleger bereits bezahlt; für das Geschäftsjahr 2023 wird das zweite Mal in Folge eine Dividende ausgeschüttet. Die Aktien sind – auch wegen der Unsicherheit am Markt – nicht teuer bewertet.
Es bleiben jedoch Herausforderungen. An der Oberfläche kaum sichtbar, sorgten die steigenden Baukosten angesichts der dünnen Margen zuletzt auch hierzulande für mehr Konkurse unter den kleineren Bauunternehmen. Den Problemen ihrer Abnehmer wird sich Implenia trotz ihrem konjunkturresistenteren Geschäft mit Infrastrukturbauten kaum gänzlich entziehen können. Dies auch wenn das Management Projekte im niedrig margigen Segment bewusst nicht annimmt.
Ich halte aber insgesamt an meiner Einschätzung vom Februar fest: Implenia hat mehr Vertrauen verdient. Dass mit Buhofer nun ein neuer, langfristig denkender Ankeraktionär gefunden werden konnte, dürfte die Nerven bei Implenia weiter entspannen – und der Druck auf den Aktien wird wohl weichen.
Freundlich grüsst im Namen von Mrs Market
Gabriella Hunter