Swisscom, Sunrise, Salt und diverse weitere Anbieter locken Woche für Woche mit riesigen Preisabschlägen. Schweizer Konsumenten sind mitverantwortlich dafür.
Ausverkauf das ganze Jahr. Im Handy-Markt jagt ein Mega-Rabatt den nächsten. Und alle machen mit: Wer die Website von Salt aufruft, findet Mobilfunk-Abos mit bis zu 70 Prozent Rabatt. Auf der Seite der Sunrise-Tochter Yallo wird man mit Rabatt-Angeboten von 59 Prozent begrüsst, bei der Swisscom-Tochter Wingo wird das «Swiss Pro»-Abo derzeit zu 63 Prozent reduziert angeboten.
«In den letzten fünf Jahren gab es in der Schweiz wohl keine Woche, in der man nicht ein Handy-Abo mit mindestens 50 Prozent Rabatt abschliessen konnte», sagt Ralf Beyeler, Experte für die Mobilfunkbranche beim Vergleichsportal Moneyland. «Aktionsangebote sind der neue Referenzpreis für Handy-Abos geworden», sagt auch André Bähler von der Stiftung für Konsumentenschutz.
Wann genau die Entwicklung ihren Anfang nahm, ist schwierig zu sagen. Sicher ist, dass es viel mit der Nummer drei im Markt, der waadtländischen Salt (hiess bis 2015 Orange), zu tun hat. «Wenn ich ein Produkt für 25 Franken anbiete und eines für 25 Franken, das mit 50 Prozent Rabatt beworben wird, nehmen alle das zweite», sagte CEO Max Nunziata Ende März auf der Bilanzmedienkonferenz des Unternehmens.
November ist der wichtigste Monat
Die Resultate der Rabattschlacht zeigen sich besonders im Monat November. Für Salt ist es der wichtigste Monat des Jahres, denn rund um den Rabatt-Tag Black Friday kann das Unternehmen besonders viele Mobilfunk-Abos verkaufen. CEO Nunziata widmete dem Monat bei der Präsentation der Jahreszahlen sogar eine eigene Folie, die zeigte: Von November 2022 auf November 2023 konnte Salt die Zahl der Vertragsabschlüsse um 5,8 Prozent steigern. Der finanzielle Wert der Verträge verbesserte sich hingegen nur um zwei Prozent – weil die Abschlüsse so stark rabattiert waren.
Besonders Sunrise habe im November mit Yallo einen aggressiven Preiskampf betrieben, dem Salt sich schwer habe entziehen können, so Nunziata. Für ihn geht die Rechnung dennoch auf. Im Gesamtjahr 2023 konnte der mit Abstand kleinste Schweizer Telekomanbieter mit 120 000 neuen Abo-Kunden fast genauso stark zulegen wie die grösseren Anbieter Sunrise (132 000) und Swisscom (129 000).
Bei so grossen Preisabschlägen stellt sich schnell die Frage: Geht da alles mit rechten Dingen zu? Ja, zumindest solange sich die Mobilfunkanbieter an die sogenannte Preisbekanntgabeverordnung halten.
Normalpreise müssen länger gelten
Die hohen Rabatte laufen unter der Bezeichnung Selbstvergleich: Es wird mit einem viel tieferen Preis im Vergleich zu einem vorherigen geworben. Das Gesetz verbietet Pseudo-Rabatte, das heisst, dass der Vergleichspreis unmittelbar vor der Aktion tatsächlich gegolten haben muss – und zwar doppelt so lang wie der Rabatt-Preis.
In der Schweiz fungiert die Lauterkeitskommission als eine Art Watch-Dog in der Werbebranche. Fehlbare Kampagnen werden gerügt. Einen Fall wegen falscher Versprechen bei rabattierten Handy-Abos musste sie allerdings noch nie behandeln.
Das liegt vor allem daran, dass die Mobilfunkanbieter geschickt mit der Regelung umgehen. Meist haben sie Einsteiger-, Mittelklasse- sowie Premium-Angebote. Pro Kategorie haben sie mehrere Abos, die sich ähneln. So können sie rotieren und immer ein anderes stark rabattieren.
Sowohl Salt als auch Swisscom geben an, sich bei den Rotationen unter anderem an den Ferienzeiten zu orientieren. Vor den Ferien sind dann Angebote mit Roaming reduziert, dazwischen Inland-Angebote. Sunrise erklärt, man verfolge eine «bedürfnisspezifische Preispolitik», bei der Rabatte vor allem bei sogenannten «No Frills»-Angeboten zum Einsatz kommen. Das sind Angebote von Yallo, die ohne zusätzliche Vorteile wie kostenlosen Kundendienst oder ein breites Netz an Service-Stellen auskommen. Bei der Hauptmarke Sunrise setze man weniger auf Rabatte als auf Treue-Angebote für Bestandeskunden.
Vor allem die Swisscom-Abos sind teuer
«Die Anbieter operieren nicht mit Mondpreisen. Die Normalpreise liegen in der Regel unter demjenigen eines vergleichbaren Swisscom-Abos», sagt Ralf Beyeler.
Die Swisscom ist der Elefant im Raum. Sie hat noch immer einen Marktanteil von über 50 Prozent – obwohl sie im Vergleich enorm teuer ist. «Es gibt sehr viele Leute, die 70, 80 oder sogar 100 Franken für ein Abo bezahlen – auch wenn es Vergleichbares für 20 Franken bei einem anderen Anbieter gibt», sagt Beyeler. Das führt dazu, dass die durchschnittlichen Schweizer Handy-Preise im internationalen Vergleich sehr hoch sind. Für relativ wenig Leistung zahlen Schweizer Konsumenten im Schnitt mehr als 20 Franken (siehe Tabelle).
Dass die Mobilfunkanbieter überhaupt so hohe Preise anbieten können, hat viel mit dem Verhalten der hiesigen Konsumenten zu tun. Wie bei Krankenkassen oder Sparkonti tun sie sich mit Wechseln schwer, ebenso mit neuen, knalligen Anbietern.
Schweizer Kunden wechseln ungern
In anderen Ländern, wo die Menschen preissensibler sind, wären die Normalpreise längst nach unten angepasst worden – entsprechend könnten auch nicht so grosse Rabatte angeboten werden. Sunrise-Mediensprecher Rolf Ziebold zitierte im Gespräch mit der NZZ Studien, laut denen in Deutschland, Frankreich oder Grossbritannien die Preisdifferenz, bei der Kunden den Anbieter wechseln, bei fünf bis zehn Prozent liege – in der Schweiz hingegen bei 30.
Ralf Beyeler sagt, dass sich viele Günstigangebote denn auch an Menschen mit Migrationshintergrund richten würden. «Sie sind es aus ihren Herkunftsländern eher gewohnt, auf den Preis zu schauen.»
Fälschlicherweise gehen viele Konsumentinnen und Konsumenten davon aus, dass sie, je mehr sie bezahlen, desto eher viel Leistung beanspruchen können. Aber dem ist nicht so. Die Datenübertragung und die Telefongespräche sind die gleichen – egal, ob man ein Günstig- oder ein Premium-Abo hat.
«Mobilfunk ist ein Dienstleistungsgeschäft. Das bedeutet, dass ein Netzbetreiber einen grossen Kostenblock hat. Er muss diesen möglichst geschickt auf die Kunden mit den verschiedenen Zahlungsbereitschaften zu verteilen versuchen», sagt Ralf Beyeler.
Fragt man nach den Gründen, weshalb viele Kundinnen und Kunden ihren teuren Swisscom-Abos treu bleiben, dann wird oft auf den Kundenservice und die Netzqualität verwiesen. Allerdings hat die Konkurrenz in den letzten Jahren in beiden Bereichen aufgeholt.
So bleibt der Schweizer Markt zweigeteilt: Auf der einen Seite gibt es die vielen treuen Kundinnen und Kunden, die den Günstig-Angeboten nicht trauen. Auf der anderen gibt es die tendenziell jüngere Kundschaft, die auf die Preise schaut. Sie kann sich jede Woche für ein neues Angebot entscheiden.
Der Rat des Konsumentenschutzes lautet denn auch: erst Preis, Leistung und Gebühren vergleichen. Und dann «das gewünschte Abo zum Aktionspreis abschliessen».