Nach einem geruhsamen Winter steigen viele Hobbysportler übermotiviert in die Laufschuhe. Wie schafft man einen sanften Wiedereinstieg? Und was ist, wenn die Frühjahrsmüdigkeit dazwischenfunkt?
Der Wald im Frühling ähnelt zuweilen einer Koppel, auf der sich Fohlen austoben. Nur sind es im Wald Menschen, die über Stock und Stein rennen. In den ersten warmen Tagen ist die Motivation für das Training gross. Hobbysportlerinnen und -sportler testen die Geschwindigkeit, prüfen, ob sie noch gleich schnell wie vor dem Winter rennen. Die Gesichter sind glücklich, aber hie und da hochrot. Wer es über den Winter im Sport gemütlich genommen hat, für den gilt aber: nicht übertreiben.
Die vernünftige Wiederaufnahme des Sporttreibens stellt die höchsten Anforderungen am ehesten an den eigenen Stolz und den Ehrgeiz. Es schadet mehr, als es nützt, dort anzuknüpfen, wo man im Herbst aufgehört hat. Das gilt für die Intensität gleichermassen wie für die Länge des Trainings.
Dan Aeschlimann ist ein ehemaliger Radprofi und seit über 20 Jahren Ausdauercoach, er trainiert auch Wiedereinsteiger. Er rät, zu Beginn zwischen Joggen und Marschieren abzuwechseln: je nach Level mit ein bis zwei Minuten Joggen beginnen, dann drei bis vier Minuten marschieren. Mit steigender Fitness lassen sich die Laufphasen verlängern, die Marschsequenzen verkürzen und die Anzahl Wiederholungen steigern.
Beim Joggen muss der Körper das eigene Gewicht bei jedem Schritt auffangen. «Wenn die Struktur nicht genügend aufgebaut ist, gibt das körperliche Beschwerden», sagt Aeschlimann. Die Überforderung führt nicht nur zu Belastungsschäden an Sehnen, Bändern oder Gelenken, sondern lässt auch die Motivation rasch schmelzen.
Eine Sequenz Yoga vor dem Training unterstützt den Körper
Um die Strukturen zu unterstützen und aufzubauen, schlägt Aeschlimann vor, den Körper vor dem Training zehn Minuten lang auf die Belastung vorzubereiten, zum Beispiel mit einer Sequenz Yoga oder Gymnastik. Gut geeignet ist auch der Klassiker Vitaparcours, weil dort Kraft und Ausdauer kombiniert und Fuss- und Kniegelenke trainiert werden. Ebenfalls sanft und gesund ist ein polysportiver Einstieg ins Sportjahr, mit Schwimmen, Radfahren, Joggen – wer den Körper auf verschiedene Arten bewegt, kommt schnell wieder in Schwung, ohne sich einseitig zu überlasten.
Viele Hobbysportler haben Mühe mit der Frage, wie viel zu viel ist. Das ist nicht nur ein Problem des Frühjahres – gemäss Studien laufen viele Hobbyjoggerinnnen und -jogger generell zu schnell. «Sie können ihr Tempo zu wenig variieren», sagt Aeschlimann, liefen immer in derselben Geschwindigkeit, welche sie rund eine Stunde lang durchhalten könnten und danach müde seien. Das sei meistens zu intensiv, und ein Trainingseffekt stelle sich so auch nicht ein. Abwechslung hilft hier mehr.
Bei drei Trainings pro Woche empfiehlt Aeschlimann abzuwechseln: Ein Intervall mit ein bis zwei Minuten vollem Laufen, dann mit zwei Minuten Gehen, bis zu zehn Wiederholungen. Dann ein Lauf mit längeren Intervalls à vier bis acht Minuten zügig, die Gehpause dazwischen vier Minuten. Der dritte Lauf kann auch ein längerer Marsch sein.
Macht man in der Euphorie doch einmal zu viel und leidet an Muskelkater, sollte man diesen aussitzen, ehe man wieder trainiert. Und dann die Belastung zuerst etwas zurückschrauben.
Laufband-Liebhaber müssen draussen wieder laufen lernen
Wer im Winter zwar aktiv war, sein Lauftraining aber ins Fitnesscenter verlegt hat, steht ebenfalls vor Herausforderungen. «Das Laufen auf dem Laufband ist biomechanisch eine andere Bewegung», sagt Aeschlimann, dort brauche man nur das Bein zu heben. Die Beziehung zum natürlichen Laufen müsse in der Natur zuerst wieder aufgebaut werden.
Ein guter Trick dafür ist, draussen eine höhere Kadenz laufen, zum Beispiel 180 Schritte pro Minute, was man per Taktgeber auf dem Handy oder mithilfe einer Sportuhr überprüfen kann. Dieser Rhythmus kann in den oben erwähnten Intervalltrainings umgesetzt werden. Auch Sprünge lassen sich gut einbauen. Auf einem Bein vorwärtsspringen für weniger Trainierte, einbeinige Sprünge auf einer Treppe für Fortgeschrittene.
Wie viel Leistungsfähigkeit man in einem eher inaktiven Winter verliert, lässt sich nicht pauschal sagen, da das Ausgangsniveau entscheidend ist. Grundsätzlich baut der Körper das ab, was er nicht braucht. Also zum Beispiel die Kapazität, Sauerstoff aufzunehmen und zu verwerten, die er durch das Ausdauertraining aufgebaut hat. «Der Körper versucht sich immer zu ökonomisieren», sagt Aeschlimann. «Ein trainiertes System verbraucht mehr Energie, Kohlenhydrate, und hat einen besseren Fettstoffwechsel. Wenn das im täglichen Gebrauch nicht gefragt ist, baut er das ab.»
Um dieses System am Laufen zu halten, ist nicht unbedingt ein herkömmliches Training gefragt. Menschen, die viele Stunden täglich draussen unterwegs sind wie Schafhirten, haben gemäss Aeschlimann eine ähnlich gute maximale Sauerstoffaufnahme wie Ironman-Athleten.
Abnehmen und fitter werden: beides gleichzeitig ist schwierig
Viele Hobbysportlerinnen und -sportler verspüren im Frühling den Wunsch, fitter zu werden und dabei ein paar Kilo Winterspeck zu verlieren. Beide Ziele gleichzeitig zu verfolgen, kann gefährlich sein. Zum Abnehmen muss man mehr Kalorien verbrennen, als man zu sich nimmt. «Wer aber mit einem Kaloriendefizit trainiert, setzt den Körper einem grossen Stress aus», sagt Aeschlimann. Zu Beginn möge dieser Trainingsansatz aufgehen, und man verliere Gewicht. Doch der Körper sei so gestresst, dass sich der Effekt nach zwei bis drei Monaten umdrehe und der Jo-Jo-Effekt einsetze. Wer in einem Kaloriendefizit trainiert, marschiert besser nur.
Die Lust und Motivation sind da, aber irgendwie ist man zu schlapp, wirklich die Schuhe zu schnüren? Dann ist vielleicht die Frühjahrsmüdigkeit schuld. Die Wissenschaft geht davon aus, dass diese Antriebslosigkeit, die manche Menschen im Frühjahr verspüren, von dem Hormonhaushalt und dem Kreislauf ausgehen. Letzterer, da der ständige Wetter- und Temperaturwechsel den Körper anstrengt; vor allem betroffen sind deswegen Leute mit niedrigem Blutdruck.
Im kalten und dunklen Winter produziert der Körper zudem mehr vom «Schlafhormon» Melatonin. Sobald es wieder mehr Tageslicht gibt, steigt hingegen der Spiegel des «Glückshormons» Serotonin. Dieses Ungleichgewicht ist in der Übergangsphase spürbar, es dauert eine Weile, bis der Überschuss an Melatonin abgebaut ist.
Die Lösung ist aber nicht, sich auf dem Sofa auszuruhen, sondern im Gegenteil mehr Bewegung an der frischen Luft und im Licht, damit der Kreislauf in Schwung kommt und das hormonelle Ungleichgewicht wieder behoben wird.