Tipps der Redaktion
Nicht nur gute Mode, schöne Stoffe, sauberes Handwerk und hervorragende Verarbeitung: Ausschlaggebend für das Einkaufserlebnis sind bei diesen Modeadressen vor allem das Personal und die gute Beratung.
Wir alle kennen dieses Gefühl der Überforderung, das aufkommt, wenn man von allem eine zu grosse Auswahl hat. Das Online-Geschäft hat zugenommen in der Schweiz, im vergangenen Jahr um drei Prozent. 2023 gaben die Schweizer 14,4 Milliarden Franken für Waren aus dem Online-Handel aus. Und ja, es mag praktisch sein, gewisse Dinge über Websites einzukaufen. Gerade wenn es um Mode geht, kann es aber auch zeitaufwendig sein, sich durch Hunderte von Artikeln zu klicken, von denen man am Ende nicht weiss, ob sie wirklich passen. Entscheiden wir uns stattdessen, einen Laden aufzusuchen, erwarten wir heute umso mehr, dass sich unser Erlebnis dort von dem unterscheidet, was wir online bekommen.
Möglichst persönlich soll das analoge Erlebnis sein, im besten Fall haben wir eine Beziehung aufgebaut mit den Menschen, die in den Boutiquen arbeiten – und wenn nicht, wünschen wir uns, dass sie uns verstehen und sehen; dabei helfen, die passenden Hosen, Blusen, Schuhe für uns zu finden, oder uns sogar Teile zeigen, auf die wir selbst gar nicht gekommen wären, weil unser Blick schon viel zu routiniert ist.
Hier stellt die Redaktion ihre Lieblingsläden vor, in denen man noch richtig gut beraten wird.
Fünf Adressen, welche die Redaktion empfiehlt:
1. Schlichte und modische Herrenstyles bei Maison Julie
Im Maison Julie kann sowohl Mann wie auch Frau in intimer und doch luftiger Atmosphäre schmökern und sich vertun. Die zweistöckige Boutique bietet das pure Gegenteil vom Getummel im Warenhaus oder der Grosskette. Seit einigen Jahren gibt es hier nicht nur ein grosses Damensortiment, sondern auch Herrenkleider, von modisch bis schlicht. Seit September ist der Laden neu am Grossmünsterplatz und auf zwei Etagen verteilt, in verschiedenen Räumen – wie in einem grosszügigen Apartment. Die Wände sind mit lebensfrohen Tapetenmustern verziert. Es gibt viel Luft und Tageslicht, aber auch viele Rückzugsorte.
Zur Atmosphäre im Maison Julie tragen die Gründerin Juliana Kara und ihr Partner und Mitinhaber Kole Duhanaj bei. Das Herrensortiment ist Koles Reich. Charmant, aber auch kompetent und speditiv ist seine Beratung. Der langjährige Modeberater ist spürbar einer der Passioniertesten seines Fachs auf dem Platz Zürich.
Die Styles reichen von auffallenden Kombinationen der dänischen Männermarke Hello Sunflower – Seidenpyjama mit grauem Blumenmotiv zur Lederjacke – bis hin zu schlichteren Looks von Filipa K: sandfarbenes Strickpolohemd zur dunklen Chinohose. Das Sortiment zeichnet sich durch vielseitig kombinierbare Einzelteile mit guten Passformen für verschiedene Typen aus, die auch nach mehrmaligem Waschen noch schön sind: Basics aus Pima-Baumwolle (Polohemd für 98 Franken) von Anonym aus Biarritz, Chinos (unter 200 Franken) oder Tencel-Chambray-Hemd (160 Franken) von NN.07 oder Ledersandalen von K.Jacques aus Saint-Tropez.
Das Gute am Maison Julie: Während Mann sich in der Herrenabteilung, einem orange-weiss-gestreiften «Man Cave»-Gewölbe, beraten lässt, kann Frau ungestört in anderen Ladenecken Spannendes für sich entdecken: Mode, Schuhe, Lingerie und auch Wohnaccessoires.
Maison Julie, Grossmünsterplatz 8, 8001 Zürich
Text: Kim Dang
2. Wunderkammer Trois Pommes Outlet
Grundsätzlich gehe ich lieber wandern, als Kleider zu kaufen. Kleider kaufen überfordert mich. Meine Kauffrequenz spricht nicht gerade dafür, ein vorbildlicher Konsument zu sein. Ich trage alles auf, bis es auseinanderfällt, auch die Kleider, die Freunde und der Liebste nicht mehr tragen. Kleider sind für mich, wenn einmal eingetragen, der sichere Hafen, die Rüstung – und wer jetzt glaubt, ich mag es schlicht und zurückhaltend, liegt falsch.
Brauche ich wirklich etwas Neues, fahre ich in das Trois-Pommes-Outlet nach Zürich Wollishofen. Hier erwartet mich ein abenteuerliches Kleidermeer in allen erdenklichen Farben und Formen, aber auch Schuhe, Gürtel und Taschen der für mich sonst unerschwinglichen High-Fashion-Labels wie Celine, Jil Sander, Saint Laurent, Balenciaga, Gabriela Hearst oder Marni.
Auch wenn es viele Kleider sind, überfordert mich das Outlet nicht, weil es hier nicht das Diktat des einen Stils gibt und man spürt, dass die Qualität des Kleidungsstücks doch eine andere sein kann als in den vielen chic sortierten Kleiderketten, die rasant getaktet den letzten Schrei anbieten. Das Angebot ist so vielfältig, dass ich mich ob der Fülle an Stilen und Macharten auch unterhalten fühle.
Man findet eher unbeachtete Kollektionsteile, die zum Teil mehrere Jahre alt sind – klassisches, aber auch wildes, frohes und raffiniert Geschnittenes. Was habe ich hier schon für schöne Teile gekauft. Der Laden ist riesig – die Stimmung herzlich und zugewandt. Das Beste aber: Die Verkäufer lassen einen dann in Ruhe, wenn man seine ersten Runden dreht, und unterstützen dann, wenn es nötig ist. Das ist eine Kunst.
Trois Pommes Outlet Frauen, Seestrasse 463 und Trois Pommes Outlet Männer, Seestrasse 455 A in Zürich Wollishofen.
Text: Rike Hug
3. Schlicht und elegant: The Apartment Store
Hanspeter Limacher und Marcel Hofmann sind für einige Zürcher Modeinteressierte «alte Vertraute», wenn es um gute Modeberatung in Zürich geht. Ihr Geschäft The Apartment Store eröffneten sie vor rund zwanzig Jahren, viele kannten den ruhigen, sympathischen Marcel schon vorher, als er noch in einem anderen etablierten Modegeschäft angestellt war.
Im Frühling 2023 ist The Apartment Store nach 19 Jahren von der Kreuzung Sihlporte/Löwenstrasse in eine ruhigere Ecke umgezogen: die Oetenbachgasse 11 zwischen Bahnhofstrasse und Lindenhof, nur sechs Gehminuten vom Hauptbahnhof entfernt. An der neuen Adresse ist auch das bisherige Outlet-Sortiment Apartment Red zu finden, ebenso dessen bisheriger Betreiber Peter Brauneis.
Fast schon unscheinbar ist die Ladenfront, aber beim Betreten eröffnet sich über weite, niedrige Stufen ein längliches Lokal mit einem luftigen Atrium. Das passt zum Modesortiment. Alles wirkt auf den ersten Blick schlicht, elegant und fast schon diskret, ist aber von hoher Qualität – in Machart, Inhalt wie auch Design. Die Schuhmarke Common Projects, deren Edelsneaker seit je bei Apartment Store zu finden sind, ist charakteristisch für das Sortiment. Kennerinnen und Kenner schätzen den aparten, unprätentiösen «When you know, you know»-Stil.
Das Sortiment umfasst schätzungsweise zwei Drittel Damenkollektionen, etwa von der Belgierin Sofie d’Hoore, der Britin Margaret Howell. Interessante Entdeckungen auf dem Platz Zürich sind Labels wie die Taschen des Frankfurter Labels Tsatsas, Mode von Aton aus Japan oder der Zürcherin Claudia Bertini.
Unaufdringlich und doch gehaltvoll ist auch die Beratung, das ist bei diesem Konzept fast schon klar: Exuberante Gecken und Quasselstrippen findet man hier weniger. Streng und langweilig ist die Ambiance dennoch nicht, sondern wohlwollend und zuvorkommend. Ungezwungen kann man hier in Ruhe «browsen», erhält aber bei Fragen Antwort und Service – je nach Individuum und Situation, einmal gerade das Nötigste oder auch ganz umfassend.
The Apartment Store, Oetenbachgasse 11, 8001 Zürich
Kim Dang
4. Neues entdecken im Modestrom
Bibiana «Bibi» Stoecklin-Bruderer, Mitinhaberin der Damenboutique Modestrom im Zürcher Seefeld, muss man vielen Zürchern nicht mehr vorstellen. Sie ist eine der Vertreterinnen jener Generation, die in den 1980er Jahren (und auch früher) in der Limmatstadt gross geworden ist, mit diversen Projekten Zürich geprägt hat und heute zu einer Art Kreativ-Etablissement zählt.
Einst betrieb Bibiana das Fitness- und Tanzstudio Arena in der Mühle Tiefenbrunnen. Später spezialisierte sie sich auf Mode, erst als Vertriebsagentur für Marken wie By Malene Birger, zusammen mit ihrer Geschäftspartnerin, der Anwältin Gabrielle «Gabi» Mazurczak. Bald folgte die erste gemeinsame Boutique. Seit 2016 ist das Hauptlokal an der Seefeldstrasse 110. Die grossen Schaufenster mit farbiger Auslage geben preis, dass hier eine lebensbejahende Atmosphäre vorherrscht. Drinnen wird man von Ambra begrüsst, der Labrador-Retriever-Hündin von Bibiana.
Die moderne, geradlinige Architektur des Ladenlokals kontrastiert mit dem Reichtum an Farben und spannenden Materialien und Mustern der Kleider. Passioniert erzählt Bibiana von den Geschichten, Designern und Manufakturen hinter den Designs. Sie ist sichtlich stolz und ein Fan ihrer Schätze. Der Austausch ist anregend und erheiternd, man wird aber auch in Ruhe gelassen, wenn man erst mal im mit vereinzelten Nomadenteppichen ausgelegten Lokal einen Rundgang machen will. Zum Sortiment zählen neben hochwertiger Mode und Accessoires für Frauen auch die eine oder andere Trouvaille für Herren, etwa die nachhaltig produzierten, perfekt geschnittenen T-Shirts des japanischen Labels Sunray.
Modestrom, Seefeldstrasse 110, Zürich
Text: Kim Dang
5. Seit Jahren gut: Fidelio
Ich kann meinem Kollegen Kim Dang nur zustimmen, dass The Apartment Store zu den vertrauenswürdigsten Läden in Zürich gehört, wenn es um Beratung geht.
Eine weitere Adresse in Zürich, die mich schon lange begleitet, ist Fidelio am Münzplatz. Als ich vor über 20 Jahren als Studentin von Deutschland nach Zürich kam, war dies einer der ersten Läden, die ich entdeckte und wo ich mich immer wohlfühlte. Hier wurde man auch ernst genommen, wenn man noch nicht zu den Kundinnen gehörte, die viel Geld liegen lassen können. Ich habe heute noch Kleider in meinem Schrank, die ich damals dort erstand. Dazu gehört ein Mantel von Helmut Lang und eine Jeans-Jacke von Margiela, die ich dank wunderbarer Beratung inmitten eines hektischen Sales ergatterte.
Als ich später meine ersten Stellen antrat und Kleider für Events brauchte – jedoch wenig Zeit für Shopping hatte –, musste ich nur kommen, und innert kürzester Zeit pickten meine Lieblingspersonen im Laden jeweils die richtigen Sachen für mich heraus. Sie sagten mir auch ehrlich, wenn etwas nicht passte.
2017 ging die Fidelio-Boutique, 1986 gegründet von Marco Kunz und seiner Schwester Eliane sowie Daniel Schlegel, in neue Hände: Der Investor Andrin Waldburger übernahm. Viele befürchteten, das Geschäft könnte damit seine kreativ-nischige Seele verlieren. Tatsächlich wurde das Portfolio der Marken mainstreamiger, vieles findet man inzwischen auch in anderen Geschäften, dazu gehört Acne Studios, Comme des Garçons oder Isabel Marant. Es gibt aber auch Entdeckungen wie das nachhaltige Jeanslabel Haikure. Interessant ist an der Boutique ausserdem, dass sie immer einen guten Mix zwischen Luxus- und bezahlbaren Labels bot; das gilt auch heute noch.
Was ich auch zu schätzen weiss: dass einige, die schon früher zum Personal gehörten – wie die Verkaufsberaterin Angela –, nach dem Besitzerwechsel geblieben sind und ihren Job nach wie vor leidenschaftlich machen. Ein Besuch im Laden geht stets über ein Kauferlebnis hinaus. Wenn man sich über so lange Zeit regelmässig begegnet, gibt es immer etwas zu erzählen!
Fidelio, Münzplatz 1, Zürich
Text: Kerstin Netsch