Die beiden Banken führen seit längerem Gespräche über einen Kauf der EFG durch die Bank Bär. Offenbar wehren sich altgediente EFG-Berater gegen eine Übernahme.
«Es gibt immer wieder Gespräche zwischen der EFG und Bank Julius Bär», sagen zwei Beobachter mit Insider-Kenntnissen zur «NZZ am Sonntag». Bisher seien diese jeweils abgebrochen worden, nach einer Pause aber jedes Mal wieder aufgenommen worden, das gehe schon seit einer ganzen Weile so, sagen beide.
Der Inhalt der Gespräche: Eine Übernahme der EFG durch Julius Bär. Das Hindernis: Offenbar primär das unterschiedliche Kundenberater-Modell der Vermögensverwalter, die beide auf die Betreuung vermögender Privatkunden spezialisiert sind. Die grosse Unbekannte in der Gleichung: Der Hauptaktionär der EFG, die schwerreiche griechische Reeder-Familie Latsis.
Stellung zu solchen Spekulationen nimmt keine der Banken. Die Gerüchte kursieren aber seit langem, zuletzt berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg vor einer Woche über «vorläufige Gespräche um einen Zusammenschluss», kurz darauf vermeldete Reuters, dass jene gestoppt worden sein. Wie der Stand der Gespräche heute ist, ist unklar.
Weniger hohe Löhne bei Julius Bär
Unbestritten aber ist, dass derzeit mehrere Faktoren zu einer speziellen Konstellation und damit einem besonders günstigen Zeitfenster für einen solchen Deal geführt haben.
So sucht Julius Bär seit Anfang Februar einen neuen Konzernchef. Der frühere CEO Philipp Rickenbacher musste wegen der komplett schief gelaufenen Vergabe von strukturierten Bankkrediten an den Pleitier René Benko zurücktreten. Die Bank wird seither interimistisch geführt, der Verwaltungsrat sucht einen externen Bankchef.
Als einer der Topkandidaten gilt ausgerechnet der EFG-Chef Giorgio Pradelli. Die Kenntnisse für den Job bringt der erfahrene Banker mit. Ein Wechsel von der kleineren EFG zum Traditionshaus Bär wäre die bisherige Krönung seiner Karriere. Pradelli soll nicht abgeneigt sein, im Gegenteil, die Bären-Bank, deren Hauptsitz an der Zürcher Bahnhofstrasse nur unweit von der EFG liegt, bezeichnet er immer wieder als Peer, an dem sich seine Banker messen müssen.
Wird Pradelli tatsächlich neuer Bär-Chef, könnte er dabei helfen, das wohl grösste Hindernis einer Übernahme zu mildern. Für einen erfolgreichen Kauf müssten nämlich die wichtigsten Berater der EFG und möglichst viele derer Kunden an Bord bleiben.
Die EFG, die 157 Milliarden Franken Kundengelder betreut, hat als einzige Bank in dieser Grössenordnung ein Modell mit sehr selbständig agierenden Kundenberatern. Diese entscheiden, welche Kunden sie in welchen Regionen wie beraten und wo deren Gelder gebucht werden. Solche Entscheide werden bei der UBS oder eben bei Julius Bär längst von der Zentrale gefällt.
Eine Finanzexpertin, die beide Banken gut kennt, verweist auf die mächtige Stellung der EFG-Banker. Bei der noch jungen Bank, die erst seit gut dreissig Jahren existiert, habe es sich etabliert, dass die wichtigsten Berater mit den grossen Kundenportfolios bei wichtigen Entscheidungen von der Bankleitung konsultiert werden. Sie geht davon aus, dass sich diese «Gruppe der Erfahrenen» gegen eine Übernahme durch Bär stemmt oder diese zumindest stark hinterfragt.
Käme es zu einem Kauf, wäre künftig das Modell der Käuferin massgebend. Julius Bär wird als grösste Bank der sogenannten Kategorie drei, sie verwaltet 470 Milliarden Franken, aufwendiger vom Regulator überwacht als die EFG. Eventuell käme danach sogar ein Aufstieg in die Kategorie zwei in Frage, was noch strengere Regeln nach sich ziehen würde.
Die Finanzexpertin sagt, dass der Wechsel ins Bär-Modell auch dazu führen könnte, dass einzelne EFG-Banker tiefere Löhne erhielten. Deren Lohnmodell erlaubt hohe Boni von bis zu 20 Prozent auf den Kundenerträgen.
Als CEO von Bär könnte Pradelli hier Brücken bauen. Und beispielsweise Speziallösungen für einzelne EFG-Berater ermöglichen, wie dass diese weiterhin Kunden aus verschiedenen Regionen betreuen dürften, was bei Bär nicht möglich ist.
Ein weiteres Zeitfenster stellt der Aktienkurs der beiden Banken dar. Gemessen an einigen Kennzahlen ist die EFG heute teurer als Bär, sagt Andreas Venditti, Bankenanalytiker bei Vontobel. Bislang war die Bär-Aktie immer wesentlich höher bewertet als die EFG, doch im letzten Jahr wurde der Kurs belastet, von Benko und von der Vakanz auf dem CEO-Posten. Die EFG weist seit Quartalen beeindruckende Wachstumszahlen vor und hat aufgeholt.
Ein Verkauf würde sich für den Eigentümer nun lohnen», sagt Venditti. Er rechnet nicht damit, dass die EFG-Bewertung noch weiter deutlich steigt. In den letzten beiden Jahren sei das Ertragswachstum durch das höhere Zinsniveau getrieben worden, das habe nun gedreht. Ein Kauf würde aber auch der Bär-Aktie neue Impulse liefern, auch wenn diese für den Kauf eine grosse Kapitalerhöhung durchführen müssten, sagt Venditti.
Keine weitere verpasste Chance
Am Schluss aber entscheidet die Familie Latsis. Mit ihrer über 45%-Beteiligung kontrolliert sie faktisch die EFG. Einem Verkauf ist die Familie wohl nicht ganz abgeneigt. Offenbar stand sie schon einmal kurz vor einem Verkauf an die Credit Suisse, dieser soll wegen dem Archegos-Skandal geplatzt sein, sagen Befragte.
Würden die EFG-Besitzer jetzt tatsächlich verkaufen, und Bär käme nicht zum Zug, gerieten die Bär-Manager in Erklärungsnot, meint ein Insider. Denn die Investoren würden wissen wollen, warum erneut eine Chance verpasst worden sei. Bei Bär ist nicht vergessen, dass ihnen die Safra-Familie im 2011 die Bank Sarasin vor der Nase wegschnappte.
Zwischen Bär und der EFG gibt es einige Synergien. Beide haben, zeitversetzt, eine ähnliche Geschichte, gegründet von einer Familie, spätere Kotierung an der Börse, beide bezeichnen sich als Pure Player, deren Kerngeschäft die Betreuung vermögender Privater ist. Auch mussten sich beide Banken nach Skandalen im Compliance- und Risikomanagement deutlich stärker aufstellen. Bär wohlgemerkt einschneidend nach der Ära ihres früheren Bankchefs Boris Collardi, der heute im Verwaltungsrat der EFG sitzt. Bei beiden Häusern stehen die Banker unter grossem Erfolgsdruck. Laut Venditti wären zudem «die Kostensynergien im Falle einer Übernahme enorm. Nur schon im Backoffice, wenn sich man die fast identischen Standorte und damit die potenziellen Doppelspurigkeiten weltweit anschaut».
Bär kann heute wieder frei Übernahmen tätigen, ein Insider bestätigt, dass zudem wegen Benko kein Enforcement-Verfahren gegen die Bank läuft.
Es gibt zudem weitere Risiken: Bislang konnte Bär nicht in die EFG-Bücher schauen. Welche Kunden doppelt gebucht sind und ob es solche gibt, die bei Bär nicht willkommen sind, ist offen. Die Finanzexpertin betont, dass ein Zusammenschluss und damit der Wegfall eines weiteren Spielers schlecht für den Finanzplatz wäre. «Die EFG ist gross genug für den Alleingang,» sagt sie. Wegen Doppelspurigkeiten dürften geschätzt 1000 Stellen in der Schweiz wegfallen. «Ich sehe keine Notwendigkeit für den Kauf, der wohl stark von den Ambitionen bei beiden getrieben ist, grösser zu werden», sagt sie.
Sehr bald dürfte zumindest Klarheit über die Besetzung des CEO-Postens bei Bär herrschen, Insider rechnen mit der Ankündigung noch im Juni.