Die gestiegenen Zinsen haben dazu geführt, dass die Agios der Immobilienfonds unter Druck geraten sind. Anleger und Sparer sollten aber genau hinsehen.
Schweizer Immobilien sind bei Investoren beliebt – das gilt nicht nur für Direktinvestitionen, sondern auch für indirekte Anlagen wie Immobilienfonds.
Galten solche Fonds in früheren Zeiten als eine Art «Mauerblümchen» des Kapitalmarkts, so ist ihre Zahl in den vergangenen Jahren auf 42 gewachsen. Die Produkte sind im Branchen-Barometer SXI Real Estate Funds Broad (Swiit-Index) enthalten – dieser umfasst alle an der Börse SIX Swiss Exchange primärkotierten Immobilienfonds, die mindestens 75 Prozent ihres Vermögens in der Schweiz investiert haben.
Im April dieses Jahres kamen diese auf eine Marktkapitalisierung von insgesamt 58,9 Milliarden Franken. Insbesondere seit der Übernahme der Credit Suisse dominiert die UBS den Markt und stellt mehrere der grössten Fonds (vgl. Tabelle).
Deutlich gesunkene Agios
Die Fonds repräsentieren ein Sammelvermögen von Immobilien, ihre Preise bilden sich an der Börse. Anleger sind zumeist bereit, dort einen Aufpreis auf den inneren Wert der Immobilienfonds zu bezahlen. Diese Aufschläge werden auch «Agios» genannt. Das Branchen-Barometer Swiit wies laut einer Kennzahlen-Übersicht der Bank J. Safra Sarasin Ende Mai einen Aufpreis von 18,1 Prozent aus.
In den letzten Jahren sind die Aufpreise der Schweizer Immobilienfonds indessen stark gesunken. «Seit 2022 haben sich die Agios halbiert und befinden sich auf historisch niedrigen Niveaus», sagt Katja Gisler, Senior-Investment-Strategin bei dem Wirtschaftsberatungsunternehmen Wellershoff & Partners.
Überbewertet oder nicht?
Sind Schweizer Immobilienfonds also derzeit besonders günstig? Davon geht Gisler nicht aus. Vielmehr hält sie einige Immobilienfonds sogar für deutlich überbewertet.
Dies erklärt sie folgendermassen: Die Basis für die Bewertung der Fonds bilden erstens der erwartete zukünftige Wert der Immobilien sowie zweitens die Mieteinnahmen. Für die Immobilienbewertung wird der sogenannte Diskontfaktor – ein Zins – verwendet. «Angesichts des seit 2022 andauernden Inflations- und Zinsanstiegs sind die bei den Fonds für die Immobilienbewertung verwendeten Diskontfaktoren oft zu tief», sagt die Investment-Strategin.
Die Diskontfaktoren für die Immobilienbewertung seien in den letzten zwei Jahren fast unverändert geblieben, während die Kapitalmarktzinsen deutlich gestiegen sind. So hat die Rendite von zehnjährigen Schweizer Staatsanleihen seit 2022 um rund 0,8 Prozentpunkte zugelegt. «Betrachtet man die historischen Zusammenhänge, hätten auch die Diskontfaktoren zur Immobilienbewertung um rund 0,4 Prozentpunkte steigen müssen», sagt Gisler. Die Faktoren seien im Durchschnitt aber fast unverändert geblieben.
Gestiegene Zinsen
Berücksichtige man dies, so erscheine die Bewertung der Schweizer Immobilienfonds in einem anderen Licht: Der zu zahlende Aufpreis für Schweizer Immobilienfonds verdoppelt sich dann laut Gisler von tiefen rund 20 Prozent auf 40 Prozent. Berücksichtige man die höhere Inflation, so führe das zu einer höheren Bewertung – dies könne den Wertverlust durch die höheren Diskontfaktoren aber nur in geringem Ausmass kompensieren.
Die Überbewertung der Immobilienfonds akzentuiere sich noch, wenn man davon ausgehe, dass die Zinsen in der Schweiz nicht nachhaltig tief seien, sagt Gisler. Sie sieht Aufwärtspotenzial für die langfristigen Zinsen.
Grosse Unterschiede bei Aufschlägen der Immobilienfonds
Beat Seger, Partner und Immobilienexperte bei dem Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen KPMG, weist auf die grossen Unterschiede bei den Agios der Immobilienfonds hin. Manche der Produkte haben auch Disagios, dies sind Abschläge an der Börse auf den inneren Wert der Immobilienfonds. Auf- und Abschläge reflektierten zu einem grossen Teil das Potenzial beziehungsweise das Risiko, das die Anleger der Investition in einen Immobilienfonds attestieren, sagt Seger.
«Wenngleich die Agios historisch niedrig sind, heisst das nicht unbedingt, dass die Vermögenswerte des Fonds günstig sind», sagt auch er. Es könne sein, dass noch nicht alle Immobilienwerte die Anpassung an die gegenwärtige Zins- und Wirtschaftssituation vollzogen haben, da die Immobilienbewertungen eine zeitliche Verzögerung beinhalten. Des Weiteren spielten die Qualität der Sachwerte und der Diversifikationsgrad auf Fonds-Ebene eine Rolle bei der Beurteilung der Attraktivität eines Fondsprodukts.
Vermeidung von «Klumpenrisiko» als Chance
Welche Chancen und Risiken haben Schweizer Immobilienfonds für Privatanleger?
Zu den Chancen gehört sicherlich, dass Anleger mit den Fonds die Möglichkeit haben, ihr Portfolio zu diversifizieren. Mit dem Kauf einer Wohnung oder eines Hauses haben viele hingegen ein «Klumpenrisiko» im Portfolio – wenn sie sich dies überhaupt angesichts der gestiegenen Immobilienpreise noch leisten können.
Laut Seger zählt auch die Liquidität durch den täglichen Handel an der Börse zu den Vorteilen. Es könnten auch steuerliche Vorteile gegenüber Direktinvestitionen identifiziert werden, diese seien allerdings zumindest teilweise in den Agios berücksichtigt.
Der Blick auf die Renditen des Swiit per Ende April dieses Jahres zeigt eine positive Performance von 3,31 Prozent in diesem Jahr. Auf Sicht von drei Jahren resultiert allerdings eine Rendite von –0,86 Prozent pro Jahr. Hier schlägt das sehr schlechte Jahr 2022 durch, als der Swiit ein Minus von 15,2 Prozent verbuchte. Auf Sicht von sieben Jahren sieht die Performance wieder deutlich besser aus: Während dieser Zeitspanne erzielte der Swiit eine Rendite von 3,3 Prozent pro Jahr.
Risiken der Produkte
Wie Seger weiter ausführt, haben Investoren bei Immobilienfonds keinen Einfluss auf den Manager oder die assoziierten Gebühren. Zudem unterliegen die Fonds den Einflussfaktoren der Börse. Je nach Ausgestaltung des Fonds oder wirtschaftlichen Einflüssen könne es auch zu zeitlich ungünstigen Vermögensliquidationen kommen, sagt der KPMG-Experte.
Zudem ist die persönliche Finanzsituation zu beachten. Schweizer Pensionskassen halten bereits fast 20 Prozent ihrer Vermögen in Immobilien – wer einer Vorsorgeeinrichtung angeschlossen ist, ist also bereits indirekt engagiert. Kämen noch privates Wohneigentum und die Verschuldung durch selbstgenutztes oder vermietetes Immobilieneigentum hinzu, könne dies eine Übergewichtung der Vermögenswerte in Immobilien zur Folge haben, sagt Seger. Dann sei ein weiteres Engagement in dieser Anlageklasse nicht naheliegend.
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