Der Speicherchiphersteller Samsung steht vor wirtschaftlichen Problemen. Und nun fordert auch noch die Gewerkschaft das Management mit einem Kurzstreik heraus.
Samsung-Chef Lee Jae Yong macht eine neue Erfahrung. Erstmals seit sein Grossvater 1969 den heute grössten Speicherchiphersteller der Welt gegründet hat, muss er sich mit einem Streik eines Teils der Belegschaft auseinandersetzen. Ausgerechnet Samsungs grösste betriebliche Arbeitnehmervertretung, die Nationale Samsung-Electronics-Gewerkschaft (NSEU), hatte im Streit um Gehaltserhöhungen zum ersten Streik in der Unternehmensgeschichte aufgerufen.
Warnschuss ans Management
Die Ankündigung dieses Novums überraschte vor einer Woche die Anleger. Der Aktienkurs von Südkoreas grösstem Konzern gab prompt um drei Prozent nach, da die Investoren einen Einzug härterer Arbeitskämpfe bei Samsung fürchteten. Denn die Gewerkschaft repräsentiert mit rund 28 000 Mitgliedern immerhin bereits 22 Prozent von Samsungs Beschäftigten in Südkorea.
Seit Samsungs Führung 2020 das Versprechen gegeben hat, an einer Gewerkschaftsmitgliedschaft Interessierte nicht mehr zu entmutigen, wächst die Zahl der organisierten Arbeitnehmer auch bei dem Elektronikriesen. Sollten sie sich radikalisieren, würde das das Unternehmen schwer treffen, besonders wenn sich die Mitarbeiter langfristig an historischen Vorbildern orientieren sollten. Beim Autohersteller Hyundai Motor legten die Mitarbeiter im vorigen Jahrzehnt wiederholt für Wochen die Arbeit nieder.
Kurzfristig bestätigten sich die Sorgen jedoch nicht. Der «Streiktag» wurde auf diesen Freitag gelegt, einen regelmässigen Brückentag zwischen einem Feiertag und dem Wochenende, an dem sich traditionell viele Koreaner freinehmen. Genau das sollten die Streikenden auch tun. Denn die Gewerkschaft wollte nach eigenen Angaben vorerst nicht die Produktion treffen, sondern einen Warnschuss ans Management abgeben.
«Der koordinierte Einsatz von Ferien ist unser erster Schritt auf dem Weg zu unserem endgültigen Ziel eines grossangelegten Streiks», sagte ein Gewerkschaftsvertreter laut der Tageszeitung «Korea Herald». Dabei geht es der Organisation nicht darum, dass Samsung seine bisher angebotene Gehaltserhöhung von 5,1 Prozent aufstockt. Die Arbeitnehmervertreter verlangen auch einen Tag mehr Ferien und vor allem ein faireres und transparenteres Gehaltssystem.
Samsungs Chip-Sparte ist lukrativ
Der taiwanische Marktforscher Trendforce gab daher ebenfalls Entwarnung für den Chipmarkt. Der Streik werde «keine wesentlichen Auswirkungen auf das künftige Speicherangebot haben», so die Analysten. Die grosse Frage bleibt, was diese Warnung mittel- und langfristig für Samsung bedeutet.
Der gewählte Zeitpunkt ist durchaus brisant. Die Chip-Sparte, seit Jahren der wichtigste Gewinnmotor des Mischkonzerns, arbeitet sich gerade erst aus einem Jahr der Verluste heraus. Doch Samsungs geplante Erholung steht vor Problemen.
Bei der neuen Speicherchipgeneration für Anwendungen künstlicher Intelligenz, den High Bandwidth Memory (HBM), liegt Samsung inzwischen hinter seinem Lokalrivalen SK hynix zurück. Die Auftragsfertigung hinkt immer weiter hinter dem Marktführer TSMC aus Taiwan her. Um der Sparte mehr Schwung zu geben, wechselte Samsung vorigen Monat sogar ihren Chef aus.
Die gute Nachricht für Samsungs Management ist, dass sich andere Betriebsgewerkschaften bisher nicht an dem Streik beteiligt haben. Einige ihrer Vertreter vermuten sogar, dass es der NSEU weniger um den Lohnkampf als vielmehr um die Mitgliederwerbung geht.
Aber es hält sich auch die Vermutung, dass die NSEU damit einen Wechsel vom älteren und zahmeren Gewerkschaftsverband, der Föderation der koreanischen Gewerkschaften, zum jüngeren und streikbereiteren Koreanischen Gewerkschaftsbund vorbereitet.
Die Frage bleibt allerdings, wie enthusiastisch die für koreanische Verhältnisse hoch entlohnten Mitarbeiter einen derartigen Schwenk mitmachen würden. Die Gewerkschaft machte keine Angabe über mögliche Teilnehmer. Das Unternehmen erklärte, es hätten dieses Jahr weniger Mitarbeiter einen Tag freigenommen als im vorigen Jahr.