Heiner Gautschy, Mäni Weber, Heidi Abel – das ganze Land identifizierte sich mit Basler Stimmen. Das war einmal. Mittlerweile seien selbst die Büros der SRG-Kulturabteilung in Basel weitgehend ungenutzt, schreibt Roger Schawinski.
Während Jahrzehnten war es eine landesweit einmalige Rivalität, die zwischen den beiden grössten Deutschschweizer Städten waberte – allerdings mit unterschiedlicher Intensität. Vor allem in Basel verbiss man sich in den Vergleich mit dem grösseren und noch mächtigeren Zürich. Dort sah man die Sache gelassener als am Rheinknie. Und irgendwann verloren die Zürcher ganz ihr Interesse an diesem Diskurs, während sich die Basler weiter an den Zürchern abarbeiten.
Die Konkurrenz zwischen den beiden Städten bezog sich auf mehrere Bereiche. Dies nicht allein auf die politische und wirtschaftliche Kraft, sondern auch auf die internationale Ausstrahlung, auf den Sport und die Medien. Überall konnte Basel lange mithalten. Der FC Basel mit seinem richtigen Fussballstadion bot den beiden Zürcher Stadtklubs über Jahre hinweg Paroli. Mit zwei renommierten Zeitungen, der «National-Zeitung» und den «Basler Nachrichten», holte sich Basel Beachtung im Land. Und dann hatte man mit Roger Federer auch noch einen Star, wie ihn die Schweiz noch nie erlebt hatte.
Geblieben ist die Art Basel mit ihrer weltweiten Ausstrahlung und ihren amerikanischen Mitbesitzern aus dem Hause Murdoch. Davon abgesehen wirkt die Stadt aber im Vergleich zu Zürich abgehängt. Die beiden Basler Zeitungen verschmolzen zu einem Einheitsblatt, das mehrere überraschende Besitzerwechsel erlebte, bis es ausgerechnet zu einem der vielen Regionalausgaben des Zürcher «Tages-Anzeigers» verkümmerte. Verschwunden ist auch die Uhrenmesse. Der lange dominierende FC Basel torkelt von Krise zu Krise, und Roger Federer, der alles überstrahlende lokale Held, suchte sich einen feudalen Wohnsitz am Zürichsee. Und bei den reichweitenstarken Medien Radio und Fernsehen sank die Bedeutung von Basel ins Bodenlose.
Die TV-Stars der Schweiz waren Basler
Dabei hatte es ganz anders laufen können. Das damals neue Medium Fernsehen sollte nämlich in Basel entstehen. Doch die Bevölkerung von Basel-Stadt lehnte am 2. März 1952 einen von der Regierung beschlossenen Unterstützungsbetrag für ein erstes TV-Projekt in der Höhe von 55 000 Franken ab – das war den Baslern schon zu viel. Trotzdem wurde in Münchenstein auf privater Basis ein erster, zögerlicher Fernseh-Versuchsbetrieb lanciert. Doch bereits nach drei Monaten war Sendeschluss, und zwar aus Mangel an Geld und Publikumsinteresse, wie die Initianten lakonisch feststellten. Und so kam das Deutschschweizer Fernsehen der SRG nicht nach Basel, sondern ein Jahr später nach Zürich – und dort ist es bis heute geblieben.
Die ersten grossen Stars des neuen Mediums waren allesamt Basler. Der legendäre Radiokorrespondent Heiner Gautschy («Hier spricht Heiner Gautschy aus New York») wurde zu einer prägenden TV-Figur. Später moderierte er mit «Link» die erste Talkshow der SRG. Heidi Abel war ein elektrisierendes TV-Talent, das in verschiedensten Unterhaltungsformaten brillierte. Der blendend aussehende Mäni Weber wiederum wurde mit seinen Quiz- und Medizinsendungen zu einem Promi, wie ihn das Land noch nicht gesehen hatte.
Auch im Medium Radio gaben Basler lange den Ton an. Bei DRS 3 waren dies Christoph Schwegler (The Voice) und François Mürner (FM). Sogar bei Radio 24 moderierte mit Christian Heeb ein Basler die wichtige Morgensendung des Zürcher Senders. Die weltoffenen Basler besassen offensichtlich mehr Charme und Charisma als die anderen Schweizer. Vor allem mehr als die Zürcher.
Opfer der SRG-Zentralisierung
Tempi passati. Heute gibt es kaum noch vergleichbare Basler Medienpersönlichkeiten. Der Basler Dialekt ist in den wichtigsten Sendungen von SRF kaum mehr vernehmbar, ganz im Gegensatz zu den vielen Zürcher Stimmen. Es scheint beinahe so, als ob sich die Basler in ihr lokales Schneckenloch zurückgezogen haben.
Basel wurde zudem durch die laufenden Sparmassnahmen und die im Zürcher Leutschenbach forcierte Zentralisierung immer weiter marginalisiert. Die aufgeschreckte SRG-Führung versuchte zwar aus regionalpolitischen Gründen gegenzusteuern. Schliesslich verfiel man auf die Idee, eine ganze Abteilung von SRF – die Kultur – an bester Lage, direkt beim Hauptbahnhof, in Basel anzusiedeln. Unter besonderer Betreuung des Baselbieter SRF-Direktors Ruedi Matter gönnt man sich im Zentrum von Basel ein Prachtsgebäude, gebaut von den lokalen Stararchitekten Herzog & de Meuron.
Doch die Ausgliederung einer einzigen TV-Abteilung ergibt kaum Sinn und widerspricht jeder betriebswirtschaftlichen Logik. So sind heute viele der opulenten Räumlichkeiten weitgehend leer und werden kaum genutzt. Den Schmerz der Basler über ihren Bedeutungsverlust konnte diese extrem teure, aber faktisch wirkungslose Massnahme ohnehin nicht mildern.
Kampf um den ESC
Aber jetzt könnte alles mit einem Schlag ganz anders werden. Basel kann von der Rolle des medialen Mauerblümchens zum Nabel der internationalen Fernsehwelt werden – zumindest zwei Wochen lang. So hat die SRG vor kurzem entschieden, dass Basel neben Genf in der Endausscheidung für den ESC steht, den weltweit grössten Musikevent.
Auch Zürich hatte sich um diesen einmaligen Prestigeanlass beworben und sich wegen einer intakten Infrastruktur und der durch das Stadtparlament hastig zugesagten 20 Millionen Franken gute Chancen ausgerechnet. Doch dann wurde Zürich ohne jede Erklärung bereits in der ersten Runde durch die SRG ausgebootet. Dies, obwohl Zürich mit dem Hallenstadion einen viel grösseren, geeigneteren Austragungsort anbieten kann als Basel mit der klaustrophobisch engen St.-Jakobs-Halle.
Wie konnte dies geschehen? Handelt es sich um eine Form der Busse, um den Baslern eine Wiedergutmachung anzubieten? Oder waren es die angedrohten Referenden von Rechtsaussengruppierungen, die man in Zürich besonders fürchtete und die den gesamten Zeitplan ins Wanken gebracht hätten?
Lieber Morgenstreich als ESC-Kitsch
Oder ist alles vielleicht ganz anders? Dass nämlich bereits feststeht, dass der ESC unter Federführung des welschen SRG-Generaldirektors Gilles Marchand in Genf stattfinden wird und dass ein Entscheid gegen das schmalbrüstige Basel viel weniger kritische Fragen auslösen wird, als wenn das Schwergewicht Zürich noch im Rennen wäre? Dass also Basel im Bereich der Medien, wie schon seit so langer Zeit, den Kürzeren ziehen wird und sich daran nichts ändern kann? Und dass der ESC, diese bombastische, prollige Kitschveranstaltung gar nicht ins dezente Basel passt, das sich am liebsten durch seinen Morgenstreich mit seinen lieblich klingenden Piccolos definiert? Denn die «drey scheenschte Dääg» nimmt ihnen niemand weg. Ebenso wenig das Gefühl, in so vielem eben doch besser zu sein als diese arroganten Zürcher.
Roger Schawinski, promovierter Ökonom, entwickelte beim Schweizer Fernsehen in den 1970er Jahren den «Kassensturz». Später leitete er Sat.1 und gründete mit Radio 24 und mit Tele Züri das erste Privatradio und das erste Privatfernsehen der Schweiz. Heute ist er CEO und Inhaber des Schweizer Senders Radio 1.