Vergangene Woche wurde publik, dass die Justiz gegen tricksende Unterschriftensammler vorgeht. Eine neuerliche Strafanzeige lässt aufhorchen.
Um die notwendigen 100 000 Unterschriften für eine Volksabstimmung zu beschaffen, greifen die Initiativkomitees häufig auf kommerzielle Unterschriftensammler zurück. Dabei wurden in mehreren Fällen Unterschriften gefälscht, wie vergangene Woche publik wurde. Nun wird eine weitere Methode bekannt.
Einige dieser Anbieter sollen ohne Auftrag Unterschriften gesammelt haben, um die entsprechenden Initiativkomitees zum Kauf dieser Unterschriften zu drängen. Darüber informierte die Bundeskanzlei am Dienstag. Sie geht an die Öffentlichkeit, weil sie am Freitag erfahren hat, dass das Präsidium eines Initiativkomitees Strafanzeige erstattet hat. Um welches Komitee es sich dabei handelt und welche Initiativen betroffen sein könnten, wollte die Bundeskanzlei mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht mitteilen.
Nicht die erste Strafanzeige
«Ein solches Geschäftsgebaren kann die politischen Rechte von Stimmberechtigten und die Integrität des Sammelprozesses beeinträchtigen», heisst es im Communiqué der Bundeskanzlei. Das könnte etwa so ablaufen: Ein Sammelunternehmen schickt seine Mitarbeiter an einen Bahnhof, um Unterschriften zu sammeln. Dort sollen sie aber nicht nur für das Initiativkomitee sammeln, das den Auftrag erteilt hat, sondern auch noch für andere – obschon sie gar nicht von diesen engagiert wurden.
Im Anschluss daran bietet das Sammelunternehmen diese 2000 Unterschriften gegen Bezahlung einem Komitee an, für das es gar nicht hätte sammeln müssen. Lehnt dieses Komitee die Unterschriften nun ab, kann es sein, dass sie im Abfalleimer landen, statt eingereicht zu werden. Womit die 2000 Personen, die eine gültige Unterschrift abgegeben haben, um ihr politisches Recht gebracht werden.
Im vorliegenden Fall verfügt eine Initiative über mehr Unterschriften als eigentlich angenommen. Bei den in der vergangenen Woche publik gewordenen Fällen waren es weniger Unterschriften als angenommen. Falsche Adressen und Geburtsdaten, gefälschte Unterschriften, Namen, die mehrfach verwendet wurden – die Liste der mutmasslichen Verfehlungen ist lang. Neu sind derartige Vorwürfe nicht: Die Bundesanwaltschaft etwa hat schon 2022 Anzeige erstattet, eine zweite bereitet sie vor.
Transparenzpflicht als Lösung?
Nun kommt also noch eine weitere Variante hinzu: der Verkauf von Unterschriften gegen den Willen der Initianten. Die Bundeskanzlei zeigt sich besorgt. Am Dienstag hat sie sich mit einem Schreiben an die 16 Initiativkomitees gewandt, die gegenwärtig Unterschriften sammeln. «Wir raten weiterhin zu Sorgfalt bei der Auswahl von Organisationen, die Unterschriften gegen Bezahlung sammeln», schreibt die Bundeskanzlei. Gleichwohl würden «die im Raum stehenden Vorwürfe nur gegenüber wenigen Anbietern erhoben». Zu hören ist jedoch, dass es sich bei dieser Masche nicht um einen Einzelfall handelt.
Neben dem Schreiben an die Initiativkomitees hat die Bundeskanzlei zwei konkrete Massnahmen in Aussicht gestellt. Zum einen verspricht sie ein «engmaschigeres Monitoring». Wohl dürften unter anderem die Abläufe in den Gemeinden unter die Lupe genommen werden. Was passiert, wenn viele ungültige Unterschriftsbogen abgegeben wurden? Muss die Gemeinde in solchen Fällen den Bund informieren? Derlei Fragen sind bis jetzt nicht geregelt.
Zum anderen sollen die wichtigen Akteure «mittelfristig» an einem runden Tisch zusammenkommen, wobei noch kein Zeitplan definiert ist. Denkbar ist, dass eine Transparenzpflicht diskutiert wird. Dass beispielsweise die jeweiligen Mitarbeiter der kommerziellen Unterschriftensammler ihre Initialen auf die Unterschriftsbogen schreiben. Oder dass das Initiativkomitee ausweist, wie viele Stimmen von kommerziellen Organisationen stammen.
Für ein Verbot dieser Anbieter, wie es in den vergangenen Tagen mehrfach gefordert wurde, ist eine Gesetzesänderung notwendig. Die Staatspolitische Kommission des Nationalrats hat vergangene Woche bereits entsprechende Anträge diskutiert – und vorderhand abgelehnt. Man wolle erst die Ergebnisse der Strafuntersuchungen abwarten.