Die Russen prägten den Klub über ihre Aktivzeit hinaus, obwohl nie ein Titel gewonnen wurde. Mit dem Rücktritt des Sohnes von Slawa Bykow endet eine Ära.
Am Dienstagabend fand im Freiburger Kino Arena Cinemas die Vorpremiere des Dokumentarfilms «Until the End» statt. Der Film zeichnet den Weg des HC Fribourg-Gottéron in den vergangenen Play-offs nach. Entstanden war die Idee im Herbst zuvor, als der Klub während der Qualifikation von Sieg zu Sieg eilte und damit die Hoffnung nährte, im 87. Jahr seines Bestehens endlich den ersten Titel feiern zu können.
So weit kam es nicht, wieder einmal nicht. Doch «Until the End» ist mehr als ein Rückblick auf das jüngste Scheitern dieses Klubs. Gottéron schöpft einen Teil seiner Kraft und Faszination gerade aus der Tatsache, dass er offensichtlich nicht Meister werden kann. Slawa Bykow fasst das am Ende des 52-minütigen Werks in ein paar prägnanten und auch berührenden Sätzen zusammen: «Jeder Spieler, der zu diesem Klub kommt, darf nicht vergessen: Es geht hier nicht allein um Titel. Es geht auch um die Liebe, die Energie und die Tradition, die von Generation zu Generation weitergegeben wird. Diese sind wichtiger und bleiben für immer. Doch irgendwann werden wir einen Titel gewinnen.»
Die Ablösesumme ist ein Teambus für ZSKA Moskau
Slawa Bykow und Andrei Chomutow haben mit ihrer Ankunft im Sommer 1990 die DNA dieses aussergewöhnlichen Klubs verändert. Sie kamen auf dem Höhepunkt ihrer Karrieren und lösten an der Saane eine Euphorie aus, die auch heute, lange nach ihrem Rücktritt, nicht abgeflaut ist. Im Motto des Vereins heisst es: «Un jour, pour toujours.» Ein Tag, für immer.
Dass die letzten Worte im Film dem Superstar gehören, ist stimmig. Denn selbst wenn er Russe ist, verkörpert er Gottéron heute doch im ganzen Spektrum; in der Faszination, dem Glanz, aber auch der Tragik, die diesen Klub umwehen. Als Slawa, der eigentlich Wjatscheslaw heisst, im Frühjahr 1990 gemeinsam mit seinem kongenialen Sturmpartner Andrei Chomutow in Freiburg ankam, kam es zu einer Aufbruchstimmung, wie es sie seit dem Aufstieg des Klubs im Frühjahr 1980 nicht mehr gegeben hatte.
Bykow und Chomutow wechselten vom sowjetischen Armeeklub ZSKA Moskau in die Schweiz. Eingefädelt hatte den Transfer unter anderen René Fasel, selbst ein Spross Gottérons, der später an die Spitze des internationalen Eishockeyverbandes aufstieg und diesen während 27 Jahren führte.
Fasel hatte 1986 noch als Präsident des Schweizer Verbandes erste Beziehungen zu den Russen geknüpft. Er holte den legendären Coach Wiktor Tichonow samt seinem Starensemble für ein Testspiel nach Bern. Der Besuch des Serienweltmeisters war eine Sensation und für die Schweizer Nationalmannschaft mit dem Trainer Simon Schenk auch eine Lektion. Der Match endete mit dem Skore von 2:10, 16 000 Zuschauer füllten das Allmendstadion bis auf den letzten Platz. Der Auftritt der Superstars kostete den Schweizer Verband 25 000 Franken Antrittsgage und generierte einen Gewinn von 250 000 Franken. Den entsprechenden Vertrag schloss Fasel mit viel Wodka und per Handschlag ab.
Die Trinkfestigkeit des kleinen Freiburgers beeindruckte die sowjetischen Apparatschiks und half später auch beim Wechsel von Bykow und Chomutow in die Schweiz. Eigentlich hätten die beiden zu den Quebec Nordiques in die NHL wechseln müssen, welche die Transferrechte an ihnen besassen. Doch sie wollten in der Nähe ihrer Familien bleiben und zogen das beschauliche Üchtland der Glitzerwelt der NHL vor. Sie verdienten in Freiburg nur einen Bruchteil dessen, was sie in Kanada hätten verdienen können. ZSKA Moskau forderte als Ablösesumme einen neuen Mannschaftsbus, den Gottéron finanzierte.
Als Fasel den damaligen Gottéron-Präsidenten Jean Martinet, den alle nur Jeannot nannten, kontaktierte und ihm die Möglichkeit der Verpflichtung der beiden Weltstars schmackhaft zu machen versuchte, hatte dieser keine Ahnung, wer die beiden waren. Der damalige Captain Christian Hofstetter erinnert sich, Martinet sei damals an ihn herangetreten und habe ihn gefragt: «Du, Chrigu, kennst du eigentlich diesen Bykow und diesen Chomutow?» Es gebe die Möglichkeit, die beiden zu verpflichten. «Ich habe das damals als Witz verstanden, als sie dann auf einmal dastanden, konnten wir es selbst kaum glauben», erzählt Hofstetter.
Der Transfer sorgte international für Schlagzeilen und machte aus Gottéron auf einen Schlag einen nationalen Spitzenklub. Doch der Start in die neue Ära war holprig. Die ersten drei Meisterschaftsspiele mit den Russen verlor Gottéron prompt. «Wir dachten bereits: ‹Oje, haben wir uns jetzt verrannt?›», sagt Hofstetter. «Wir mussten uns zuerst an die beiden und das, was sie konnten, gewöhnen. Wir standen neben ihnen auf dem Eis, staunten und vergassen glatt, dass auch wir noch etwas beitragen mussten.»
Doch die Spieler lernten schnell. Im zweiten, dritten und vierten Jahr mit dem Duo erreichte Gottéron dreimal den Play-off-Final, verlor diesen aber gegen den SC Bern (1992) und den EHC Kloten (1993, 1994). Bykow spielte insgesamt acht Jahre lang für Gottéron, bestritt in dieser Zeit 332 Partien, in denen er 242 Tore erzielte und 409 Assists sammelte. Später liess er seine Karriere beim Lausanne HC in der Swiss League ausklingen.
In Slawa Bykows letzter Freiburger Saison sprang sein damals gerade neun Jahre alter Sohn in einem Heimspiel von Gottéron über die Bande und spielte einen Shift mit seinem berühmten Vater. Es war der Beginn der zweiten Ära Bykow, die im vergangenen Frühjahr ebenfalls zu Ende ging und der rote Faden in «Until the End» ist.
Putin verschaffte Slawa Bykow Jobs
Heute ist Andrei Bykow selbst eine Art Klublegende. Er hat in seiner Karriere nie dauerhaft für einen anderen Verein als Gottéron gespielt. Im vergangenen Frühjahr beendete er seine Karriere nach 19 Jahren in der ersten Mannschaft nicht ganz freiwillig. Wie Julien Sprunger hätte auch Bykow junior gerne noch eine Saison angehängt. Doch der Trainer und Sportchef Christian Dubé gab ihm keinen Vertrag mehr. Der Präsident Hubert Waeber verteidigt den damaligen Trainer, der Verwaltungsrat habe beim Entscheid mitgeredet. «Wir mussten die Mannschaft verjüngen.»
Die Tränen, die im Film und später bei dessen Premiere im Freiburger Kino flossen, zeugen vom Trennungsschmerz, der auch heute, rund fünf Monate nach dem letzten Match, nicht ganz überwunden ist. Vater und Sohn Bykow schauten die Erstausstrahlung neben dem Filmemacher Pete Mager, dem Chef der Produktionsfirma. Er hat «Until the End» gemeinsam mit der Marketingabteilung Gottérons geplant und realisiert. Die Bykows weinten im Dunkel des Kinosaals hemmungslos.
Ihre Namen werden für immer eng mit Fribourg-Gottéron verbunden bleiben. Vorübergehend sass Vater Slawa noch im Verwaltungsrat des Klubs. Doch eine exekutive Funktion oder sogar das Traineramt wollte er nie übernehmen. In der letzten Zeit hat er sich ohnehin weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, nicht zuletzt wegen Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Der russische Staatschef Wladimir Putin hatte ihm zweimal persönlich einen Job verschafft: zuerst beim Nationalteam, dann in Putins Heimklub SKA St. Petersburg. Das schafft Verbindungen, zu denen er weiterhin steht.
Interviews hat Slawa Bykow schon länger keine mehr gegeben. Doch beim Film machte er ohne Zögern mit. Slawa Bykow ist mittlerweile zum Freiburger geworden, und der Stolz auf seinen Sohn ist unübersehbar. Dieser wechselte im fortgeschrittenen Alter noch die Sportart und begann, Fussball zu spielen. Doch gleich in seinem ersten Match für den FC Central in der 4. Liga verletzte er sich schwer am Knie. Zur Filmpremiere am Dienstag erschien er an Krücken. Nach seiner Genesung wird er beim Nachwuchs Gottérons seine Trainerausbildung beginnen.
Mit dem Meisterschaftsstart am kommenden Dienstag beginnt in der Schweiz die Ära nach Bykow. Julien Sprunger, Andrei Bykows Freund und Eishockey-Zwilling, bezeichnet Andrei im Film als «Seele des Klubs». Sein Geist und auch jener seines Vaters leben in Freiburg und bei Gottéron weiter.
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