Nach über zwei Jahren haben SVP, FDP und Mitte noch immer keinen seriösen Plan, wie sie den schnelleren Wiederaufbau der Armee finanzieren wollen. Rat- und kompromisslos marschieren sie ins Abseits.
Ist die Schweizer Armee noch voll funktionstüchtig? Die bange Frage sorgt in Bern und darüber hinaus für hitzige Diskussionen. Doch je länger das politische Theater um das Militärbudget andauert, desto stärker rückt eine andere beunruhigende Frage in den Vordergrund: Ist das Schweizer Parlament noch voll funktionstüchtig?
Vor zwei Jahren und drei Monaten, wenige Wochen nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine, hat in der Schweiz der Kampf um das Armeebudget begonnen. Entschieden ist er bis heute nicht. Im Gegenteil, mit der ins Chaotische tendierenden Beratung der Armeebotschaft, die der Nationalrat am Donnerstag abgeschlossen hat, erreicht die Debatte einen Tiefpunkt.
Fassen wir zusammen: Eine deutliche Mehrheit im Bundeshaus – bestehend aus SVP, FDP und Mitte – will die Ausgaben für die Landesverteidigung noch schneller und stärker erhöhen als bisher geplant. Gemeinsam verfügen die drei Parteien in beiden Kammern des Parlaments über solide Mehrheiten. Diese Chance haben sie genutzt, um den Zahlungsrahmen der Armee für die nächsten vier Jahre von 26 auf 30 Milliarden Franken anzuheben. Am Donnerstag hat sich auch der Nationalrat für diese Variante ausgesprochen. Damit ist eigentlich alles klar. Bis auf eine Frage: Woher soll das Geld kommen?
Keine Phantasie, kein Mut
Wenn es den bürgerlichen Parteien ernst wäre mit dem entschlossenen Wiederaufbau der Armee, hätten sie gemeinsam mit dem Bundesrat längst eine seriöse und mehrheitsfähige Antwort geliefert. Die hohe Kadenz, in der immer wieder neue (und auch alte) Ideen ventiliert werden, die dann doch wieder scheitern, zeigt, wo das Problem liegt: Im bürgerlichen Lager fehlt die Kompromissbereitschaft. Wäre den drei Parteien die Landesverteidigung so wichtig, wie sie sagen, wären sie bereit, die notwendigen Prioritäten zu setzen – und Opfer zu bringen. Aber weit gefehlt.
Die Mitte spart nicht gern, die SVP ist kategorisch gegen eine Steuererhöhung für die Armee, die FDP im Prinzip auch, aber weniger kategorisch. Solange sich niemand bewegt, wird es keine brauchbare Lösung geben. Das angebliche Finanzierungskonzept, das die bürgerliche Mehrheit im Nationalrat beschlossen hat, offenbart wachsende Verzweiflung. Man will die zusätzlichen Aufstockungen für die Armee unter anderem mit Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit und einem Übergriff auf die Steuereinnahmen der Kantone kompensieren.
Das ist an Phantasie- und Mutlosigkeit schwer zu überbieten. Dass ein grösserer Abbau bei der Entwicklungshilfe realpolitisch zum Scheitern verurteilt ist, sollte man mittlerweile eigentlich wissen. Vergangene Woche hat sich sogar der Ständerat, der finanzpolitisch wesentlich zuverlässiger agiert als der Nationalrat, gegen Kürzungen in diesem Bereich ausgesprochen. Der zweite Ansatz wiederum, der plumpe Griff in die Kasse der Kantone, ist nicht nur chancenlos, er lässt sich auch sachlich kaum rechtfertigen.
Prioritäten zu setzen, hat keine Priorität
Schlimmer noch: Dass eine Mehrheit des Nationalrats allen Ernstes auf die Idee verfällt, einfach einmal die Kantone zur Kasse zu bitten, weil es gerade bequem ist, offenbart ein bedenkliches Verständnis von Finanz- und Staatspolitik. Noch bevor man selbst auf Bundesebene ernsthafte Sparbemühungen unternommen hat, will man auf die Schnelle die fundamentale Frage der Aufteilung der Bundessteuer zwischen den Staatsebenen neu regeln. Das soll bürgerliche Finanzpolitik sein?
Es ist höchste Zeit, die epischen Debatten zu beenden und einen tragfähigen Plan auszuhandeln. Man darf dabei das Armeebudget nicht isoliert betrachten, der Bundeshaushalt ist gesamthaft aus dem Lot geraten. Ein Parlament, das auf der Höhe seiner Aufgaben wäre, wäre in der Lage, in einer solchen Situation Prioritäten zu setzen, in manchen Bereichen vorübergehend zu sparen, um in anderen, in denen es gerade dringlicher ist, mehr auszugeben. Nur leider ist so viel finanzpolitische Logik auch in weiten Teilen des bürgerlichen Lagers vorwiegend in Sonntagsreden anzutreffen, selten hingegen im parlamentarischen Alltag.
Die Lücken sind gross, die Sparbereitschaft klein
So bitter es ist: Die drohenden Finanzierungslücken sind so gross, die Vorlaufzeit ist so kurz und die Sparbereitschaft so klein, dass es unrealistisch ist, die gesamten Probleme ausschliesslich über Ausgabenkürzungen zu lösen. Ohne höhere Einnahmen wird es nicht gehen – zumindest dann nicht, wenn die Armee in nützlicher Frist Planungssicherheit haben soll. Im Ständerat steht eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zur Debatte. Diese Variante hätte den Vorteil, dass erstens rasch Klarheit bestünde und zweitens das Volk automatisch das letzte Wort hätte.
Wenn SVP, FDP und Mitte nicht bald über ihren Schatten springen, müssen sie die Verantwortung für die Folgen tragen. Wer weiter auf aussichtslosen Positionen beharrt, verzögert den Ausbau der Armee.