Der Entwickler von Chat-GPT hat die stolze Summe von 6,6 Milliarden Dollar aufgenommen. Nvidia und Softbank zählen neu zu seinen Investoren. Doch fraglich ist, ob sich die Finanzen so entwickeln wie erhofft – oder ob die KI-Blase immer grösser wird.
Erneut sorgt Open AI für offene Münder: 6,6 Milliarden Dollar an Investorengeldern hat die Firma aus San Francisco in ihrer jüngsten Finanzierungsrunde eingenommen, wie sie am Mittwoch bekanntgegeben hat. «Mit den neuen Mitteln können wir unsere Führungsrolle in der KI-Pionierforschung weiter ausbauen und die Rechenkapazität erhöhen», teilte das Unternehmen mit. Ausserdem wolle man mit den Geldern neue Werkzeuge entwickeln, «die den Menschen bei der Lösung schwieriger Probleme helfen», wie es schwammig hiess.
Nicht nur die Summe, sondern auch die Namen der Investoren sind eindrücklich: Der Wagniskapitalgeber Thrive Capital gab 1,25 Milliarden Dollar, die Investoren von Softbank 500 Millionen Dollar und Tiger Global Management 350 Millionen Dollar. Der Chiphersteller Nvidia steckte 100 Millionen Dollar in die KI-Firma, Microsoft knapp 1 Milliarde Dollar.
Damit hat Microsoft nun rund 13 Milliarden Dollar in Open AI investiert. Um überhaupt nur die Finanzunterlagen anschauen zu dürfen, mussten interessierte Geldgeber Open AI 250 Millionen Dollar bieten. Apple wiederum beteiligt sich nun doch nicht an der Runde.
In einer Liga mit Goldman Sachs und Uber
Praktisch noch nie haben Wagniskapitalgeber – oder «VCs», wie man im Startup-Jargon sagt – so viel Geld auf einmal investiert. Einzig im Januar 2023 hatte Open AI diese Summe überboten und 10 Milliarden Dollar aufgenommen, allerdings nur von einem Investor: Microsoft.
Die Investitionsrunde bewertet Open AI neu mit 157 Milliarden Dollar, rund doppelt so viel wie noch vor einem Jahr. Damit ist die KI-Firma nun ähnlich bewertet wie einige der grössten kotierten amerikanischen Banken und Unternehmen, darunter Goldman Sachs, Uber und AT&T. Zum Vergleich: Der amerikanische Autobauer und Traditionskonzern General Motors ist an der Börse zurzeit 50 Milliarden Dollar wert.
Zahlreiche Technologiefirmen rennen zurzeit im Wettlauf um die beste künstliche Intelligenz mit: Startups wie Anthropic oder Perplexity, aber auch Konzerne wie Google, Microsoft und Meta. Doch kein Unternehmen kann einen solchen Erfolg vorweisen wie der Hersteller von Chat-GPT: 250 Millionen Nutzer verwenden den Chatbot zurzeit wöchentlich, 11 Millionen zahlen laut Medienberichten für das Premiumangebot. Zudem hat die Firma rund 1 Millionen Firmenkunden.
Turbulente Zeiten für CEO Sam Altman
Die Suche nach Investorengeldern fiel für Open AI in eine Zeit, in der zahlreiche Abgänge und negative Schlagzeilen die Firma umtrieben. Vergangene Woche etwa ging die bisherige Technologiechefin Mira Murati überraschend. Es war nur der jüngste Abgang in einer ganzen Serie. Vom ursprünglich 13 Personen umfassenden Gründungsteam, das Open AI 2015 aus dem Boden stampfte, bleiben nun noch 3.
Einer dieser drei, Präsident Greg Brockman, hat bis Ende Jahr ein Sabbatical eingelegt. Insbesondere CEO Sam Altman steht wegen seines Führungsstils immer wieder in der Kritik. Er erhält nun unter der neuen Firmenstruktur erstmals Anteile an Open AI, die rund 7 Prozent entsprechen.
Zudem wurde bekannt, dass Open AI neuerdings profitgetrieben sein wird. Bis dato hat die Firma eine komplizierte Struktur als Nichtprofit-Unternehmen mit einer Profit-Sparte. Der entscheidende Unterschied zur bisherigen Firmenform ist, dass nun Investoren unbeschränkt Gewinne machen könnten, wenn sie in Open AI investieren.
Open AI versuchte die Investoren mit einem Versprechen zu besänftigen: Sollte die geplante Umstrukturierung in ein Profitunternehmen nicht innerhalb von zwei Jahren über die Bühne gehen, können die Investoren ihre Gelder wieder abziehen; dann würden nämlich aus den Investorengeldern einfach Schulden werden.
Umgekehrt forderte Open AI seine Geldgeber nun auf, nicht parallel in die Konkurrenz zu investieren – namentlich etwa Anthropic und Elon Musk´s xAI, wie das «Wall Street Journal» berichtet.
Open AI schreibt Verluste
Die grosse Frage ist nun, ob die exorbitante Bewertung von Open AI Ausdruck einer Blase um künstliche Intelligenz ist. Es steht im Raum, ob die neue Technologie für Firmen tatsächlich die erhofften Verbesserungen und Einsparungen bringen wird – oder ob sich die vielbeschworene KI-Revolution letztlich als reine Spekulation entpuppen wird.
Interessant sind vor diesem Hintergrund Berichte zu den Finanzen von Open AI. Diese sind nicht publik, aber wurden der «New York Times» zugespielt. Wie die Zeitung zudem unter Berufung auf gut unterrichtete Kreise schreibt, dürfte Open AI im laufenden Jahr 5 Milliarden Dollar Verlust schreiben – bei einem Umsatz von 3,7 Milliarden Dollar. Konkret dürfte die Firma allein mit Chat-GPT in diesem Jahr 2,7 Milliarden Dollar umsetzen; vergangenes Jahr waren es noch 700 Millionen Dollar. 1 Milliarde verdient Open AI zusätzlich damit, dass es andere Firmen seine KI-Technologie nutzen lässt.
Der defizitäre Geschäftsgang war auch ein Grund, warum die Firma so viel neues Kapital aufnehmen musste. KI ist sehr teuer: Erstens fressen die Chat-Anfragen der Millionen von Nutzer viel Rechenkapazität und damit Energie. Zweitens ist ein Bieterwettbewerb um die besten Wissenschafter in dem Feld ausgebrochen. Laut Medienberichten können die klügsten Köpfe nun Millionen von Dollar pro Jahr verlangen. Insgesamt beschäftigt Open AI inzwischen rund 1700 Mitarbeiter; Anfang des Jahres waren es noch rund 1000.
Offenbar sieht Open AI aber Licht am Finanzhorizont. Die Firma stellt zurzeit eine ganze Palette an neuen KI-Produkten vor und hat im Juni zum ersten Mal eine Finanzchefin bekommen; dieser sei die erfolgreiche Finanzierungsrunde nun zu verdanken, berichtet «The Information».
All das soll sich 2025 auszahlen: Gemäss der «New York Times» geht man intern von einer Verdreifachung des Umsatzes auf 11,6 Milliarden Dollar aus.