Norwegen ändert seinen Kurs in der Ukraine-Politik. Das kommt nicht bei allen gut an.
Ein Kriegsgewinnler – so sehen andere Länder Norwegen. Als Putins Truppen in der Ukraine einmarschierten, schossen die Energiepreise in die Höhe. Das Gleiche geschieht zurzeit wegen der Eskalation des Krieges im Nahen Osten. Norwegen verdient sein Geld mit Öl- und Gasexporten. Man könnte fast sagen: je schlimmer die Weltlage, desto voller die norwegischen Kassen. Kein Wunder, dass der internationale Druck wächst. Vom reichsten Land der Welt («The Economist») wird erwartet, dass es die Ukraine aus seinen Profiten unterstützt. Doch genau damit hapert es.
Norwegen will nicht mehr allen Ukrainerinnen und Ukrainern Schutz gewähren. Dies hatte die Mitte-links-Regierung am vorigen Freitag verkündet. Konkret bedeutet es, dass Geflüchtete aus dem Westen des Landes nicht mehr automatisch den Schutzstatus erhalten, wie dies in den EU-Staaten und auch in der Schweiz der Fall ist. Stattdessen wird die Schutzbedürftigkeit individuell geprüft.
Oslo begründet den Entscheid damit, dass der «Krieg unbestimmte Zeit andauert» und dass «es in den Kommunen langsam voll wird». Die Justizministerin Emilie Mehl betonte an einer Medienkonferenz, dass die Einwanderung nach Norwegen nicht unverhältnismässig grösser sein dürfe als jene in Länder, mit denen man sich vergleiche, in Nordeuropa etwa. Daher ergreife man Sparmassnahmen. Die Unterstützung für die Ukraine sei aber «ungebrochen».
Eine moralische Grossmacht – so sieht sich Norwegen selbst. Aber tut Oslo tatsächlich mehr für die Ukraine als andere?
Norwegen tut einiges – andere tun mehr
Gemessen an den Flüchtlingszahlen könnte die Antwort lauten: Ja. Norwegen weist gerne darauf hin, dass es seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine 85 000 Personen Schutz geboten habe. Laut den Vereinten Nationen liegt die Zahl in Finnland bei 74 000, in Schweden bei 72 000 und in Dänemark bei 56 000. Gemessen an der Einwohnerzahl liegt Schweden von den nordischen Ländern auf dem letzten und Norwegen auf dem ersten Platz.
Wenn man sich jedoch die finanzielle, die humanitäre und die militärische Hilfe anschaut, lautet die Antwort: Nein, Norwegen leistet nicht mehr als andere. Laut dem «Ukraine Support Tracker» der Universität Kiel beträgt Norwegens Hilfe gemessen am Bruttoinlandprodukt (BIP) 0,5 Prozent oder 2,4 Milliarden Euro. Dänemark spendete bisher 1,8 Prozent des BIP, Finnland 0,9 Prozent und Schweden 0,8 Prozent. Hinzu kommt bei allen dreien noch ein Anteil an der EU-Hilfe.
Oslo hat im Rahmen des sogenannten Nansen-Programms im Februar 2023 weitreichende Hilfen für die Ukraine versprochen. Von 2023 bis 2027 sollen aus Norwegen umgerechnet 6,8 Milliarden Euro für militärische und humanitäre Hilfe zur Verfügung stehen. Im September kündigte die Regierung an, das Paket auf 12,2 Milliarden Euro zu erhöhen und die Laufzeit bis 2030 zu verlängern. Trotzdem werden in den Nachbarländern die kritischen Stimmen immer lauter. Die schwedische Zeitung «Svenska Dagbladet» etwa bezeichnet die angebliche Erhöhung als «PR-Trick», da die jährlichen Beträge kaum erhöht würden.
Norwegen ist gespalten
In Norwegen wird indessen bereits über die Umsetzung der Verschärfungen der Aufnahmebedingung gestritten. Die Integrationsministerin Tonje Brenna hat betont, dass die Änderung nur für jene Ukrainer gelte, die neu nach Norwegen kämen. Erlend Wiborg, migrationspolitischer Sprecher der rechten Fortschrittspartei, fordert im Gespräch mit dem Sender NRK, dass Ukrainerinnen zurückkehren sollten, die eine vorübergehende Aufenthaltsgenehmigung erhalten hätten, aber aus Gebieten kämen, die von Norwegen jetzt als sicher eingestuft würden.
Die Grünen dagegen halten den neuen Kurs für falsch. Wenn die Regierung die Zahl der ukrainischen Flüchtlinge in Norwegen reduzieren wolle, müsse sie die Ukraine so unterstützen, dass die Menschen in ihrem eigenen Land wieder sicher seien, sagte ihr Sprecher Rasmus Hansson.