Kürzen tropische Wirbelstürme den Weg über den Atlantik ab, können sie direkt das europäische Wetter beeinflussen. Das geschieht in diesem Herbst häufiger.
Die Aufräumarbeiten nach dem verheerenden Hurrikan «Helene» sind in den USA noch in vollem Gange – da machen zwei weitere Wirbelstürme von sich reden. Noch befinden sie sich zwischen der Karibik und Westafrika. Der Hurrikan «Kirk» erreichte am Donnerstag die Kategorie 4, der Wind wehte mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 240 Kilometern in der Stunde. Der tropische Sturm «Leslie», der gerade erst entstanden ist, sollte am Freitagabend zum Hurrikan werden.
Anders als «Helene» bedrohen diese beiden Wirbelstürme nicht die USA, sondern sie nehmen gewissermassen eine Abkürzung und bewegen sich in Richtung Europa. «Kirk» zieht zunächst nach Norden und dreht anschliessend nach Nordosten ab. Dabei gerät er über kühleres Meerwasser und wird schwächer. Ausserdem wandelt er sich in ein aussertropisches Tiefdruckgebiet um – er verliert die charakteristischen Merkmale eines Hurrikans und hat dann zum Beispiel kein wolkenfreies Auge mehr.
Feuchtwarme Luft kühlt sich schnell ab
Ein tropischer Wirbelsturm sei ziemlich symmetrisch aufgebaut und sein Zentrum sei in der Höhe sehr warm, sagt Andreas Fink vom Karlsruher Institut für Technologie. Durch die Transformation werde solch ein Sturm asymmetrisch, das Höhenzentrum kühle sich ab, und der Sturm entwickle eine Warmfront und eine Kaltfront. Wegen der grossen Menge an feuchtwarmer Luft, die ein tropischer Wirbelsturm mitbringe, könne die Umwandlung in ein aussertropisches Tief explosionsartig verlaufen. Viel Wind und viel Regen sind dann möglich.
Wie «Kirk» das Wetter in Europa im Detail beeinflussen wird, da gehen die Wettermodelle noch auseinander. Prognosen deuten darauf hin, dass «Kirk» – oder was immer von ihm übrig ist – Mitte der kommenden Woche in Nordwesteuropa eintreffen könnte. Womöglich entsteht aus dem Ex-Hurrikan ein kräftiger Sturm über der Nordsee. In seinem Einflussbereich könnten auch grosse Mengen an Regen fallen. Vielleicht aber erweist sich «Kirk» als viel harmloser, und seine Wirkung verpufft.
Ein Effekt scheint jedoch gewiss zu sein: Laut Meteorologen erschwert «Kirk» die Vorhersage des europäischen Wetters in den kommenden Tagen. Der tropische Wirbelsturm bringt eine Menge feuchtwarme Luft und viel Wind mit, diese werden in das Wettergeschehen der mittleren Breitengrade eingespeist.
Zieht ein Wirbelsturm in die Westwindzone, in der auch Europa liegt, beeinflusst dies die wellenförmigen Luftströmungen in der Atmosphäre. Wann und wie genau das abläuft, wirkt sich empfindlich auf den weiteren Wetterverlauf aus. «Die Entwicklung hängt davon ab, wo das energiereiche System in das Wellenmuster hineinstösst», sagt Fink. Die Ungewissheit der Vorhersagen über die Wochenmitte hinaus ist darum grösser als üblich.
«Isaac», «Kirk» und «Leslie» – ein Hurrikantrio auf Abwegen
Dem Wirbelsturm «Leslie», der in den kommenden Tagen auf dem Atlantik zum Hurrikan heranwachsen soll, steht offenbar ein ähnliches Schicksal bevor wie «Kirk». Laut den gegenwärtigen Prognosen macht er ebenfalls einen Bogen und dreht letztlich nach Nordosten ab. Für Mutmassungen über den Einfluss von «Leslie» auf das europäische Wetter ist es allerdings noch zu früh.
«Leslie» ist bereits der dritte Hurrikan, der in diesem Herbst das Wetter in Europa mitbestimmen könnte. Schon «Isaac», der Vorvorgänger von «Kirk», schlug eine ähnliche Zugbahn ein, doch er beeinflusste das hiesige Wetter nicht direkt. Stattdessen wurde er westlich von Europa in ein Tiefdruckgebiet umgewandelt. Dass tropische Wirbelstürme beim europäischen Wetter mitmischen, kommt immer wieder vor.
Die amerikanische Wetter- und Klimabehörde Noaa sagte für die laufende Saison zwischen 8 und 13 Hurrikane voraus. Bis jetzt sind es, «Leslie» mitgezählt, zwar erst 7 Hurrikane, die Vorhersage der Noaa kann aber immer noch eintreffen. Das Meerwasser im Atlantik sei weiterhin rekordwarm, sagt Fink. Das begünstigt die Entstehung von Wirbelstürmen, und die Saison dauert bis Ende November. «Leslie» muss also nicht der letzte Sturm gewesen sein, der sich Richtung Europa aufmacht.