Der niederländische Wirtschaftsminister sagt warnend, Europa solle aufpassen, um im Tech-Konflikt zwischen den USA und China nicht zum Spielball zu werden. Die USA sollten das als Chance für ihre China-Strategie begreifen.
Der niederländische Wirtschaftsminister Dirk Beljaarts will, dass Europa in Belangen der Hochtechnologie ernster genommen wird. Gegenüber der niederländischen Zeitung «NRC» sagte er, es brauche in der EU «eine Koalition der Willigen», damit Europa nicht zum Spielball der Grossmächte USA und China werde. Beljaarts Aussage passt zeitlich perfekt auf den zweiten Jahrestag der US-Exportkontrollen gegen China.
Seit Oktober 2022 gehen die USA hart gegen China vor. Mit weitreichenden Exportkontrollen wollen sie den technologischen Fortschritt Chinas einfrieren – oder zumindest verlangsamen. Sie wollen vermeiden, dass amerikanische Technologie dazu beiträgt, das chinesische Militär aufzurüsten. Damit die USA dieses Ziel erreichen können, müssen sie China daran hindern, modernste Computerchips herzustellen. Denn diese ermöglichen beispielsweise Technologien wie 5G oder künstliche Intelligenz.
Computerchips sind auch der Grund, warum sich die niederländische Regierung ab und an vorkommen mag wie ein Spielball der Grossmächte. Die niederländische Firma ASML stellt Maschinen für die Produktion von Computerchips her, bei gewissen Maschinen besitzt sie ein Monopol. Sie ist deshalb zentral für die US-Strategie und direkt von den Exportkontrollen betroffen. Ohne Equipment von ASML stagniert Chinas technologischer Fortschritt.
Die Bemerkungen des niederländischen Wirtschaftsministers werfen ein Schlaglicht auf einen wenig beachteten Aspekt des Tech-Konflikts: den Umgang der USA mit ihren Verbündeten. Statt mit ihnen eine gemeinsame Strategie festzulegen, stellen die USA ihre Partner immer wieder vor vollendete Tatsachen. Das machten sie schon mit Taiwan, Japan und eben mit den Niederlanden.
Die USA verhalten sich Verbündeten gegenüber anmassend
Seit mehreren Jahren verbieten die USA ASML, seine modernsten Maschinen nach China zu liefern. Seit 2023 sind auch ältere Modelle betroffen. Zudem soll ASML ab Anfang 2025 in China gewisse Maschinen nicht mehr unterhalten dürfen. Es wäre die jüngste Verschärfung der US-Massnahmen, mit ASML im Fokus.
Mehrmals verschärfte die Biden-Regierung Bestimmungen, die ASML direkt betrafen, und erwartete danach von den Niederlanden eine quasiautomatische Übernahme der Massnahmen. Der Imperativ der USA gegenüber ihren Verbündeten liesse sich folgendermassen formulieren: Entweder verschärft ihr die Massnahmen, oder wir verschärfen sie für euch.
Das Vorgehen der USA ist anmassend, eigensinnig, rücksichtslos. Der Ärger der niederländischen Regierung umso verständlicher. Doch bis anhin stehen die Niederlande den Forderungen der USA in Europa machtlos gegenüber. Denn ihre wirtschaftlichen und militärischen Beziehungen zu den USA sind schlicht zu eng, als dass sie sich mit ihnen überwerfen könnten.
Die niederländische Forderung ist verständlich, aber unrealistisch
Die niederländische Machtlosigkeit dürfte mit ein Grund dafür sein, warum der niederländische Wirtschaftsminister Beljaarts eine Koalition der Willigen fordert, die sich für ein wirtschaftlich eigenständigeres Europa einsetzt. Zu dieser zählte er neben den Niederlanden auch Deutschland, Polen, Belgien, Italien und Frankreich.
Wie unrealistisch eine solche Amerika entgegentretende Koalition jedoch ist, wird allein beim Blick auf Deutschland deutlich. Deutschland ist indirekt von den Ausfuhrverboten gegen ASML betroffen, weil es zahlreiche Zulieferer des Unternehmens beheimatet. Wenn Europa von den USA tatsächlich ein kollegialeres Vorgehen fordern sollte, müsste Deutschland zwingend dabei sein. Doch wer glaubt, dass Bundeskanzler Olaf Scholz in dieser Sache die Amerikaner offen kritisieren würde, der glaubt auch, dass die Ampelkoalition über die nächste Bundestagswahl hinaus Bestand haben wird.
Doch selbst wenn ein entschiedeneres Auftreten der Europäer gegenüber den USA bloss niederländisches Wunschdenken ist: Es ist gut und richtig, dass Beljaarts auf das Ungleichgewicht in der Beziehung zwischen den USA und ihren europäischen Partnern hinweist. Kürzlich sprach er sich gegenüber der US-Handelsministerin Gina Raimondo auch für mehr Zusammenarbeit aus. Die USA täten gut daran, die mahnenden Worte aus Europa ernst zu nehmen.
Schliesslich treiben die USA ihre Verbündeten im Tech-Konflikt ohne Not vor sich her. Die Europäer und mit ihnen die Niederländer sehen China je länger, desto kritischer. Handelten die Amerikaner gegenüber ihren Partnern rücksichtsvoller, liessen sich unnötige Spannungen vermeiden.
Profitieren könnten davon sowohl die USA als auch Europa. Denn erst wenn sich die beiden Kontinente in ihrem Vorgehen gegen China einig sind, können sie geschlossen handeln. Die harte Strategie gegenüber China liesse sich dann noch konsequenter verfolgen.