In Dollar, Euro und Franken konnte Gold im laufenden Jahr wiederholt neue Allzeithochs markieren. Allerdings sind diese Währungen keine wertstabilen, sondern ziemlich schwindsüchtige Recheneinheiten. Gemessen an einem beliebten Realwert müsste Gold für neue Allzeithochs weitere 50% zulegen.
Bereits vor einem Jahr gestand ich hier in einer Kolumne, selbst noch nie ein Oktoberfest in München besucht zu haben. Dennoch verfolge ich seit etwa zwanzig Jahren die Bierpreisentwicklung auf der Wiesn, unter anderem da sie mir persönlich als ebenso anschaulicher wie vertrauenswürdiger Inflationsindikator dient.
Im Vergleich zum Vorjahr legte der Wiesnbierpreis 2024 im Mittel um 4,9% von 14.20 auf 14.90 € je Mass zu. Berichte, dass Bier knapp, die Qualität verbessert oder das Volumen der Mass vergrössert worden sei, sind mir nicht untergekommen. Daher nehme ich der Einfachheit halber wie jedes Jahr an, dass der Preisanstieg vor allem die schwindsüchtige Kaufkraft des Euros (angeblich weniger als 2% pro Jahr) widerspiegelt.
Dem Konsumenten ein Ärgernis, dem Investoren ein Grund zur Freude: Die Preise steigen. Auch Gold erklimmt im laufenden Jahr in jeder bedeutenden Papierwährung neue Allzeithochs: in Euro, Yen und Dollar etwas schneller, im nur scheinbar harten Franken etwas langsamer. Erst ein Blick auf Gold in einer harten, realen «Masseinheit» offenbart, dass Gold aktuell zwar teurer ist als im langfristigen Mittel, gleichwohl noch deutlich (32%) unter dem bisherigen Allzeithoch von 1980 notiert.
Für ein neues Allzeithoch müsste der Goldpreis weitere fast 50% plus die bis dahin anfallende Bierpreisinflation zulegen. Klar ist allerdings auch: Mit Preisen von 60% über dem langjährigen Mittel ist das Edelmetall keineswegs billig. Nur in fünf der zurückliegenden 75 Jahre war die Kaufkraft von Gold höher als auf der gerade beendeten 2024er-Wiesn.
Notenbanken treiben die Hausse
Auf Seite 55 im wöchentlichen Chart Pack von Sandro Rosa ist gut zu erkennen, dass es keineswegs die in westlichen Gold-ETF anlegenden Privatinvestoren sind, die den Goldpreis treiben. Im Gegenteil: In den zurückliegenden drei Jahren haben Gold-ETF rund 20 Mio. Unzen auf den Markt geworfen – gut ein Fünftel ihrer Bestände.
Erst seit ein paar Wochen zieht hier die Nachfrage wieder etwas an. Der Treiber der Hausse sind Notenbanken aus Asien, Osteuropa, dem Nahen Osten und Lateinamerika. Viele von ihnen sitzen auf Bergen von US-Staatsanleihen und verspüren anscheinend das Bedürfnis nach Diversifikation. Wie wahrscheinlich ist es, dass dieses Bedürfnis in den vor uns liegenden Jahren signifikant nachlassen oder gar verschwinden wird?
Wie wahrscheinlich ist es, dass sich für diese Grossinvestoren bedeutende Alternativen zu US-Staatsanleihen etablieren? Vom Euro als Alternative redet – zu Recht – niemand mehr, die übrigen westlichen Währungsmärkte sind definitiv zu klein. Auch erscheint es wenig realistisch, dass China den Yuan zu einer neuen Weltleitwährung transformieren kann.
Wer skeptisch gegenüber dem Dollar eingestellt ist, wird dem Yuan kaum weniger skeptisch gegenüberstehen. Ein Treiber bei BRICS ist der Wunsch nach mehr Unabhängigkeit vom Westen. Dies geht allerdings keineswegs einher mit dem Wunsch nach einer neuen Abhängigkeit von China oder einer wie auch immer gearteten BRICS-Währung.
Neue Hochs auch in Wiesnbier
In inflationierten Franken, Euro und Dollar hat Gold im laufenden Jahr neue Allzeithochs erreicht. Auch inflationsbereinigt ist Gold keineswegs billig. Gleichwohl geht das Ende einer Hausse für gewöhnlich mit einem massiv gesteigerten Interesse von Privatanlegern einher und nicht – wie in den zurückliegenden drei Jahren – damit, dass sie ihre Bestände drastisch reduzieren.
Auch die Geopolitik und der Mangel an signifikanten Alternativen zum Dollar lässt eine weiter strukturell starke Nachfrage seitens der nichtwestlichen Notenbanken erwarten. Die Chance, dass Gold in den kommenden Jahren auch in Wiesnbier neue Allzeithochs erreicht, dürfte erheblich grösser sein als das Risiko, dass es auf den Mittelwert der vergangenen 75 Jahre zurückfällt. Etwaige Preisrücksetzer bleiben daher aus meiner Sicht das, was sie schon in den vergangenen Jahren waren: gute Nachkaufgelegenheiten.
Daniel Haase
Sein Wunsch, nie wieder vom Glück abhängig zu sein, trieb ihn vor 23 Jahren zur systematischen Marktanalyse. Das von ihm von 2002 bis 2006 entwickelte Trendanalyse-Modell wie auch seine Untersuchungen zur regelbasierten Aktienauswahl wurden von der Vereinigung Technischer Analysten Deutschlands 2009 und 2019 mit VTAD Awards ausgezeichnet.
Seit September 2023 ist Haase als Fondsmanager beim Düsseldorfer Vermögensverwalter WBS Hünicke für mehrere quantitative Anlagestrategien privater und institutioneller Investoren verantwortlich. Zuvor war er acht Jahre Asset Manager bei einem Hamburger Vermögensverwalter, davon fünf Jahre als Vorstand. Seine monatlichen Marktanalysen werden im Empiria-Brief veröffentlicht.