Die Zahl der Glücksspielsüchtigen steigt weltweit. Im Internet kann man mit wenigen Klicks viel Geld verlieren. In der Schweiz ist die Spielsucht besonders bei jungen Menschen verbreitet.
Früher musste man für Glücksspiele das Haus verlassen: Im Casino spielte man Roulette oder Poker, am Kiosk tippte man auf Sportereignisse oder Lottozahlen, rubbelte Lose frei. Einige tun das heute noch. Doch immer mehr Leute spielen daheim, allein, am Computer oder auf dem Smartphone.
Online-Glücksspiele verbreiten sich rasant. Zu diesem Ergebnis kommt eine internationale Studie zur Glücksspielsucht, die in der Fachzeitschrift «The Lancet Public Health» publiziert wurde. Für die Studie hat eine Kommission aus Wissenschafterinnen und Suchtexperten aus verschiedenen Ländern Ergebnisse aus Studien zusammengetragen.
Heather Wardle, Sozialwissenschafterin an der Universität Glasgow und Hauptautorin der Studie, sagt in der Pressemitteilung: «Jeder, der ein Mobiltelefon besitzt, hat jetzt 24 Stunden am Tag Zugang zu einem Casino in der Hosentasche.» Marketing und neue Technologien machten es einfacher, mit Glücksspielen zu beginnen. Zum Beispiel, weil man sich auf diesen Plattformen sehr leicht anmelden und mit wenigen Klicks Geld setzen könne.
Junge Schweizer zeigen problematisches Spielverhalten
Domenic Schnoz leitet das Zentrum für Spielsucht und andere Verhaltenssüchte der Stiftung Radix in Zürich. Er sagt, bei Alkohol und Drogen wisse jede und jeder, dass man abhängig werden könne. «Die Spielsucht aber wird massiv unterschätzt.»
Im Unterschied zur Drogen- oder Alkoholsucht könnten Betroffene eine Spielsucht sehr gut verstecken, sagt Schnoz. Man riecht weder den Alkohol, noch beobachtet man einen körperlichen Zerfall durch Drogen. Laut Schnoz führt dies dazu, dass eine Geldspielsucht von Angehörigen oft viel zu spät bemerkt wird. Oft haben sich Betroffene zu diesem Zeitpunkt bereits finanziell ruiniert.
In der Schweiz ist die Zahl der Menschen, die ein problematisches Spielverhalten aufweisen, in den letzten Jahren gestiegen. Das zeigen Daten der Schweizerischen Gesundheitsbefragung, die alle fünf Jahre durchgeführt wird. Im Jahr 2017 wiesen 3,2 Prozent der Bevölkerung ein risikoreiches oder problematisches Verhalten beim Geldspiel auf. Im Jahr 2022 waren es 4,3 Prozent. Laut der Befragung weisen in der Schweiz zirka 30 000 Personen ein problematisches Spielverhalten auf.
Die Spielsucht ist eine anerkannte Suchterkrankung. Laut der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist eine Person von einer Spielsucht betroffen, wenn Folgendes zutrifft: Sie verliert die Kontrolle über das Spielverhalten, behandelt das Geldspiel prioritär gegenüber anderen Aktivitäten und setzt das Spielen trotz negativen Folgen für Familie oder Beruf fort.
Laut der jüngsten Studie von «The Lancet Public Health» sind etwa 80 Millionen Menschen weltweit spielsüchtig. 450 Millionen Menschen sind nicht süchtig, weisen aber ein risikoreiches Spielverhalten auf – Tendenz steigend.
Studie fordert mehr Regulierung
Domenic Schnoz sagt, eine Spielsucht könne jeden treffen. Im Zentrum für Spielsucht würden die unterschiedlichsten Leute behandelt – junge, alte, Menschen mit festen Anstellungen und Arbeitslose. Tendenziell würden Männer eher süchtig nach Glücksspielen als Frauen.
Was Schnoz beunruhigt: Insbesondere bei jungen Menschen sei die Zahl der Menschen mit risikoreichem Spielverhalten sehr hoch. Bei den 20- bis 24-Jährigen in der Schweiz waren es 2022 7 Prozent. Die Gründe dafür sind naheliegend: Junge Menschen verbringen viel Zeit online und sind gefährdeter, Online-Glücksspielen zu verfallen.
Wie aber beugt man Spielsucht vor? Die Kommission hinter der «The Lancet Public Health»-Studie ist der Meinung, es brauche globale Richtlinien. In der Schweiz trat im Jahr 2019 ein Gesetz zur Regelung von Glücksspielen im Netz in Kraft. Glücksspiele wie Roulette, Black Jack oder solche an Spielautomaten sind hierzulande nur in Casinos erlaubt. Anbieter von Online-Glücksspielen aus dem Ausland werden gesperrt.
Domenic Schnoz vom Zentrum für Spielsucht sagt, Prävention müsse auf zwei Ebenen geschehen. Zum einen müsse man Betroffene über die Risiken informieren und die Angehörigen sensibilisieren. Gleichzeitig brauche es weitere Regulierungsmassnahmen. Zum Beispiel sei eine Limite, wie viel Geld man online pro Tag einsetzen dürfe, denkbar. Oder dass man die Werbung für Geldspiele einschränke.
Es gebe auch Spiele, die weniger risikoreich seien als andere. Lotto zum Beispiel, das Schweizer Glücksspiel schlechthin. Der Grund: Wer Lotto spielt, muss auf die Auslosung warten.