Im Atacama-Salzsee wird ein Viertel des weltweiten Lithiums abgebaut. Ein 2016 unterzeichnetes Abkommen beteiligt die ortsansässigen Indigenen an den Profiten. Doch zu mehr Akzeptanz für den Abbau hat dies kaum geführt. Warum?
In der kleinen nordchilenischen Stadt San Pedro de Atacama steht ein frisch eingeweihtes Labor zur Untersuchung von Wasserproben. Es ist im Besitz der Umwelt-Kontrollstelle des indigenen Rats der Völker Atacamas. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss von 18 indigenen Gemeinschaften aus dem Becken des Atacama-Salzsees. Aus dem Untergrund des Sees wird lithiumhaltige Sole gepumpt.
Bei der Kontrollstelle der Indigenen handelt es sich um eine einzigartige Institution in Chile. Seit 2019 kontrolliert diese technische und wissenschaftliche Einheit die Berichte der Lithiumunternehmen und führt eigene Überwachungs- und Forschungsstudien durch, um das Umweltsystem im Tal des Atacama-Salzsees besser zu verstehen.
Francisco Mondaca, der Leiter der Kontrollstelle, erklärt: «Das Labor wurde geschaffen, um unsere Gemeinden bei der Kontrolle der Wasserqualität zu unterstützen, aber auch um unsere Arbeit zur Überwachung der Bergbauaktivitäten zu erleichtern.» Wasser ist in der Atacamawüste per se Mangelware. Aufgrund der natürlichen Schwermetallvorkommen ist es häufig mit Arsen verschmutzt.
Als 2016 die indigenen Gemeinden mit einem der beiden aktiven Bergbauunternehmen die Vereinbarung unterzeichneten, sicherte das amerikanische Unternehmen Albemarle ihnen 3,5 Prozent des Gewinns aus dem Lithiumverkauf zu. Zusätzlich verpflichtete sich das Unternehmen zu regelmässigen Umweltkontrollen und macht die gesammelten Daten öffentlich zugänglich. Die Gemeinden entscheiden selbst, wie sie das Geld einsetzen wollen.
Mondaca ist sichtlich stolz auf das Abkommen: «Wir haben dadurch die Messlatte für Bergbauunternehmen in ganz Lateinamerika erhöht.» Zwei Jahre später schloss auch das zweite Unternehmen SQM eine Vereinbarung ab, die ähnliche Umweltstandards und Zahlungen an die Gemeinden festlegte. Allerdings fand die Vereinbarung mit der staatlichen Gesellschaft für Industrieentwicklung statt, über die auch die entsprechenden Gelder fliessen.
400 Millionen Dollar für die Region
Ist der Lithiumabbau in der Atacamawüste also eine Erfolgsgeschichte für die Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung? Zumindest die Industrie sieht das so. «Wir halten besonders hohe nationale und internationale Nachhaltigkeitsstandards ein», meint Denise Kirschner, zuständig für externe Angelegenheiten des Lithiumunternehmens SQM. Dieses entstand aus den Privatisierungen der Militärdiktatur. Hauptaktionär ist bis heute der ehemalige Schwiegersohn des Diktators Augusto Pinochet, Julio Ponce Lerou. Im Jahr 2015 war das Unternehmen in einen der grössten Korruptionskandale der jüngeren Geschichte des Landes verwickelt. Es hatte mehr als 14 Millionen Dollar an illegalen Wahlkampfspenden an beinahe 300 Politiker bezahlt.
Doch seitdem versucht das Unternehmen sein Image in der Öffentlichkeit mit Nachhaltigkeitsmassnahmen aufzupolieren. Kirschner erklärt, sie arbeiteten stetig daran, den Süsswasserverbrauch zu reduzieren. Schon jetzt habe man diesen bei steigender Produktion auf die Hälfte der genehmigten Menge reduziert. Allerdings zählt das Unternehmen die lithiumhaltige Sole nicht als Wasser. Auf diesen Punkt angesprochen, meint Kirschner, dass man auch die Extraktion der Sole reduzieren wolle. Dank neuen Technologien könne man nach Entnahme des Lithiums die Sole wieder unter die Kruste des Salzsees pumpen.
Durch Zahlungen aus dem Lithiumabbau im Atacama-Salzsee, welche im Pachtvertrag mit dem chilenischen Staat festgelegt sind, habe man das Budget der anliegenden Gemeinde San Pedro de Atacama im Jahr 2022 verdreifacht. Seit der Aktualisierung des Pachtvertrags 2018 habe die Region über 400 Millionen Dollar erhalten. Das Geld ging dabei unter anderem an lokale Gemeinden und indigene Gemeinschaften. An den Zentralstaat habe man allein 2022 5 Milliarden Dollar Royaltys und Steuern überwiesen. Durch die Aktivitäten von SQM gewinne also die ganze Region, meint Kirschner.
Ab 2025 wird SQM zusammen mit dem staatlichen Kupferkonzern Codelco in einer öffentlich-privaten Partnerschaft den Lithiumabbau weiter vorantreiben. Spätestens ab 2031 sollen 85 Prozent des Gewinns direkt an den Staat fliessen. Ein Goldgrube für den chilenischen Staat. Präsident Gabriel Boric verglich in einer öffentlichen Rede im Jahr 2023 das Lithium mit dem Kupfer, das über Jahrzehnte eine der Haupteinnahmequellen des Staates war. Der Abbau solle aber verantwortungsbewusst und mit Einbezug der indigenen Gemeinden durchgeführt werden, so Boric.
Verhandlungen statt Konfrontation
Doch die indigenen Gemeinden in Nordchile sind trotz der Gewinnbeteiligung skeptisch gegenüber der Ankündigung der Regierung, den Lithiumabbau ab 2030 deutlich auszubauen und auf weitere Salzseen auszuweiten. Im vergangenen Januar protestierten Indigene auf den Sandpisten, die über den Atacama-Salzsee führen. Über mehrere Tage blockierten sie die Lastwagen der Bergbauunternehmen, so dass kein Lithium in den Hafen von Antofagasta gelangte.
«Wir wurden nie gefragt, ob hier Lithium abgebaut werden soll», erklärt Alexis Romero, Präsident des Rats der Völker Atacamas (CPA). Obwohl durch Chile unterzeichnete internationale Verträge verlangen, dass die lokalen indigenen Gemeinden in den Entscheidungsprozess eingeschlossen werden. «Uns trennt ein historisch gewachsenes Misstrauen gegenüber dem Staat aufgrund seiner langjährigen Abwesenheit», erklärt Winder Flores, der ebenfalls Teil des Direktoriums des CPA ist. Während der Staat Bergbaulizenzen vergab, lebten die Indigenen bis ins 21. Jahrhundert ohne Stromanschluss. Bis heute ist das öffentliche Gesundheitssystem mangelhaft.
Um Verbesserungen zu erreichen, habe man sich für den Weg des Dialogs entschieden, meint Romero. Dieser Weg sei erfolgreich. Er unterstreicht dabei allerdings, dass die Eingeständnisse der Unternehmen nicht auf Basis von gutem Willen geschehen seien, sondern dass diese damit nur die massgebliche Gesetzgebung einhielten. Diese verlangt unter anderem eine Gewinnbeteiligung der indigenen Gemeinden.
Der Aufbau einer eigenen Umwelt-Überwachungsstelle habe ermöglicht, mehr Druck auf die Unternehmen aufzubauen. «Wir müssen uns nicht mehr auf die Daten der Unternehmen verlassen, sondern haben unsere eigenen», meint Romero. Forschungen, die durch die Überwachungsstelle selbst angestossen oder von dieser begleitet wurden, konnten etwa beweisen, dass das Abpumpen der lithiumhaltigen Sole zu Veränderungen des Grundwassers am Rand des Salzsees geführt hat und dass mittlerweile der ganze See absackt. Ein Zeichen dafür, dass der Abbau mehr Umweltschäden verursacht, als die Unternehmen eigentlich zugeben.
Darauf angesprochen, meint Denise Kirschner: «Wir brauchen den Bergbau, um die Energiewende voranzutreiben. Die wichtige Frage heute ist doch: Wie können wir den Bergbau so verantwortungsvoll wie möglich für die Umwelt und die umliegenden Gemeinden gestalten?» Ein Problem bleibt dabei bestehen: Die Entscheidungen werden meistens in der weit entfernten Hauptstadt Santiago getroffen, wohin schliesslich auch das meiste Geld in Form von Steuern und Abgaben fliesst.