Wer aus einem Land mit autoritärem Regime stammt, muss sich einer Sicherheitskontrolle unterziehen. Damit wird eine Forderung der Nachrichtendienste erfüllt. Im Visier sind vor allem Studierende aus China.
Im St. Galler Rheintal lebte einmal ein geschäftstüchtiger Ingenieur namens Friedrich Tinner. Eines Tages wurde er von einem ehemaligen Studienkollegen aus Pakistan kontaktiert und um einen Gefallen gebeten. Aus diesem (lukrativen) Gefallen resultierte später die erste «islamische» Atombombe. Schon bald verfügte auch das Mullah-Regime in Iran über jene ausgetüftelten Gerätschaften für die Anreicherung von Uran, die einst in der mechanischen Werkstatt von Friedrich Tinner in Frümsen hergestellt worden waren. Bis heute finden sich in der iranischen Atomanlage von Natanz Zentrifugen der ersten Generation IR-1 «made in Switzerland».
Der missbräuchliche Export von Dual-Use-Gütern, die sowohl für zivile wie auch für militärische Zwecke eingesetzt werden können, ist also nicht ganz neu. Heute sind es Nachrichtendienste aus dem In- und Ausland, die verstärkt Druck ausüben und von den Forschungsstätten verstärkte Kontrollen einfordern. Selbst der Schweizerische Nationalfonds hat im vergangenen Jahr auf Risiken bei der Zusammenarbeit mit Institutionen aus China hingewiesen.
Dass die ETH Zürich als führende technische Hochschule der Schweiz vor kurzem die Regeln verschärft hat, kann deshalb nicht erstaunen. Forschende, die aus einem von 23 gelisteten Ländern stammen, werden einer vertieften Sicherheitskontrolle unterzogen. Im Kern geht es um eine exterritoriale Ausweitung der Exportkontrolle. Es soll sichergestellt werden, dass ein chinesischer Student in Zürich nicht im Auftrag des Militärs mit Dual-Use-Gütern oder Materialien arbeitet, die zu Hause den Sanktionen unterliegen.
Gerade China hat nach wie vor einen riesigen Wissensdurst und ist interessiert an einem Know-how-Transfer aus dem Westen. Bis heute wird von Studierenden deshalb erwartet, dass sie ihr im Ausland erworbenes Wissen heim nach China bringen.
Auch das ist nicht neu, wie die Historikerin Ariane Knüsel in ihrer Habilitationsschrift zur Geschichte chinesischer Spionage in Europa aufzeigt. In der Schweiz hat das kommunistische Reich schon ab 1950 versucht, chinesischstämmige Studierende für seine Zwecke zu rekrutieren. Besonders gefragt waren damals Kernphysiker oder Ingenieure.
Abseits der Hochschulen kam es zudem zu einem regen Handel mit illegalen Gütern. In dieser Zeit habe sich die chinesische Botschaft in Bern zu einer eigentlichen Drehscheibe für den internationalen Schwarzmarkt entwickelt, schreibt Knüsel in ihrer Habilitationsarbeit. Mit allerlei Kniffen, Umgehungs- und Vertuschungsgeschäften wurde von der Schweiz aus rege mit verbotenen Materialien gehandelt, die zur Entwicklung einer Atombombe dienten, wie etwa schwerem Wasser oder Uran.
Die schweizerische Bundespolizei, die damals als Nachrichtendienst fungierte, sah dem bunten Treiben mehr oder weniger machtlos zu. Personell völlig unterdotiert und sprachlich limitiert, vermochte sie den illegalen Handel nicht zu unterbinden. So wurde China 1964 zur fünften Atommacht, als Nachzügler neben den USA, der Sowjetunion, Grossbritannien und Frankreich.
60 Jahre später warnt der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) erneut vor chinesischer Spionage. Im aktuellen Jahresbericht empfiehlt der NDB, hochspezialisierte Unternehmen und Forschungseinrichtungen gezielt zu überwachen, um sie vor chinesischen Spionen zu schützen. Als besonders gefährdet werden Institute genannt, die in Bereichen wie künstlicher Intelligenz, Big Data und Quanteninformatik tätig sind. Aber auch Know-how zu Robotik oder Raumfahrt ist äusserst begehrt.
Auch wenn man über das Ausmass der Sicherheitskontrollen diskutieren mag, können die Massnahmen der ETH Zürich nicht überraschen. Denn inzwischen werden wohl kaum mehr Güter aus einer mechanischen Werkstatt in Frümsen geschmuggelt, sondern viel eher ausgeklügeltes Wissen vom Hönggerberg in Zürich.