Es ist das erwartet enge Rennen um das Weisse Haus. Bisher aber sprechen die Zahlen eher für Trump. Er hat North Carolina und Georgia bereits gewonnen – zwei der sieben Swing States.
Noch ist die amerikanische Präsidentschaftswahl nicht entschieden. Doch am späten Abend (Lokalzeit) dürfte sich Donald Trump besser gefühlt haben als Kamala Harris. Die beiden Swing States Georgia und North Carolina hat er laut Einschätzung der Associated Press und anderer Medien bereits für sich entschieden.
Immerhin konnte Kamala Harris in Virginia gewinnen, das Rennen war aber knapper als erwartet. Joe Biden hatte diesen Gliedstaat südlich der Hauptstadt Washington vor vier Jahren mit einem Vorsprung von rund 10 Prozentpunkten gewonnen.
Florida sendet ein frühes Warnsignal
Gleichzeitig schien auch die sogenannte «blaue Wand» im Norden zu wackeln: Pennsylvania, Michigan und Wisconsin. Sollte Harris Georgia verlieren, muss sie diese Gliedstaaten im amerikanischen Industriegürtel gewinnen. Doch am späten Abend übernahm Trump in Pennsylvania, Wisconsin und Michigan knapp die Führung.
In Nevada und Arizona – den beiden Swing States im Westen – schlossen die Wahllokale ein paar Stunden später. Nach Auszählung von 53 Prozent der Stimmen lagen Trump und Harris hier gleichauf. In Nevada hat die Auszählung der Stimmen erst begonnen. Es ist das erwartet knappe Rennen um das Weisse Haus. Zurzeit scheint das Momentum aber eher bei Trump zu liegen.
Ein frühes Warnsignal sandte am frühen Dienstagabend bereits Florida aus. Ein Sieg für Trump wurde hier erwartet, allerdings nicht so deutlich. Nach Auszählung von über 90 Prozent der Stimmen lag der republikanische Präsidentschaftskandidat mit 56 zu 43 Prozent in Führung. Die Demokraten hatten im «Sunshine State» auf ein besseres Resultat gehofft. Insbesondere, weil die Stimmbürger auch über eine Volksinitiative zum Recht auf Abtreibung entscheiden musste. Dies sollte die demokratischen Wähler mobilisieren.
Neben dem Weissen Haus drohen die Demokraten auch die Kontrolle über den Senat zu verlieren. Momentan verfügen sie über eine hauchdünne Mehrheit von 51 zu 49 Sitzen. Aber im Gegensatz zu den Republikanern müssen sie viele Sitze in konservativen Gliedstaaten verteidigen. Am Dienstagabend stand bereits fest, dass die Demokraten ihre beiden Sitze in West Virginia und Ohio verlieren werden. Auch in Montana sowie in Wisconsin, Michigan und Pennsylvania lagen die demokratischen Senatskandidaten im Rückstand. Derweil lässt sich noch nicht absehen, wie die Wahl um das Repräsentantenhaus ausgehen wird.
Quittung für hohe Inflation und Immigration
Sollte Trump diese Wahl gewinnen, dürfte er die amerikanischen Wähler vor allem mit einer simplen Frage überzeugt haben. Bereits Ronald Reagan stellte sie 1980 mit Erfolg: «Geht es euch heute besser als vor vier Jahren?» Nein, sagte das Volk damals und wählte den Demokraten Jimmy Carter aus dem Weissen Haus. Heute könnte die Antwort der Wähler dieselbe sein.
Die Inflation hat sich zwar wieder auf moderate 2.4 Prozent abgekühlt. Aber die Amerikaner bezahlen heute rund 20 Prozent mehr für Lebensmittel als vor vier Jahren. Zudem legten die Mietpreise um 30 Prozent zu und die Hypothekarzinsen verdoppelten sich von rund 3 auf über 6 Prozent. Zwar stiegen auch die Löhne in dieser Zeit um etwa 20 Prozent und glichen die Teuerung aus. Doch gemäss einer Gallup-Umfrage vom September sagen immer noch 52 Prozent der Amerikaner, dass es ihnen heute schlechter gehe als vor vier Jahren. Nur 39 Prozent sehen ihre Situation verbessert.
Gleichzeitig führte die Lockerung der Asylpolitik unter der Biden-Harris-Regierung zu einer rekordhohen Immigration über die Südgrenze zu Mexiko. Die Belastung für einzelne Kommunen war so gross, dass sich selbst demokratische Bürgermeister und Gouverneure über die Politik in Washington beschwerten. Hinzu kamen aussenpolitische Krisen und Konflikte, in denen Washington wenig erfolgreich agierte. Mit dem chaotischen Abzug aus Afghanistan 2021 stürzten Bidens Umfragewerte ab und erholten sich nicht mehr.
Danach konnte Biden den russischen Einmarsch in der Ukraine 2022 nicht verhindern. Im Nahen Osten versuchte der amerikanische Präsident nach dem Terrorangriff auf Israel im Oktober 2023 mässigend auf Ministerpräsident Benjamin Netanyahu einzuwirken. Doch dieser nahm kaum Rücksicht auf Biden, der angesichts der Studentenproteste an amerikanischen Universitäten auf einen Waffenstillstand mit der Hamas drängte.
Auch an der Südgrenze handelte Biden zu zögerlich. Erst als die Wahlen näher rückten, reagierte er in der ersten Hälfte dieses Jahres. Mit Mexikos Hilfe und einer durch Verordnungen verschärften Asylpolitik sank der Zustrom der Migranten um 60 Prozent. Zu spät erkannte Biden zudem auch, dass sein gesundheitlicher Zustand keine weitere Amtszeit mehr zulässt. Hätte er rechtzeitig auf eine zweite Amtszeit verzichtet, wäre es für die Demokraten möglich gewesen, in offenen Vorwahlen den besten Kandidaten in ihren Reihen aufzustellen. So aber blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich in der Verzweiflung im Juli hinter Kamala Harris zu stellen.
Harris musste versuchen, in wenigen Monaten das Vertrauen der Amerikaner zu gewinnen. Wie es im Augenblick scheint, ist ihr das nicht genügend gelungen. Allerdings sind noch nicht alle Stimmen ausgezählt. Aber die Chancen für einen Harris-Sieg stehen momentan nicht gut.