Noch ist das Rennen nicht entschieden. Aber es könnte zu einem Erdrutschsieg für Donald Trump kommen. Die Amerikaner machen sich mehr Sorgen über die Inflation als die Demokratie.
In diesen Stunden platzen Träume der Demokraten. Sie gingen optimistisch in diesen Wahltag, nachdem sie in den letzten Wochen in einem immensen Effort an Millionen Türen geklopft und gemeint hatten, viel Enthusiasmus in der Bevölkerung auszumachen. Noch ist die Hoffnung intakt, dass ein Zittersieg in den Swing States Wisconsin, Michigan, Nevada und Arizona möglich ist. Doch die blaue Wand der Demokraten ist am Wackeln.
In der Festhalle der Republikaner in Florida knallen bereits die Korken, der Speaker Mike Johnson fliegt aus Louisiana ein, um mitzufeiern. Die Mehrheit im Senat haben die Republikaner schon zurückgeholt. Trump sei in bester Laune, berichtet seine Entourage aus Mar-a-Lago. Derweil sind lange Gesichter in Washington zu sehen, wo Kamala Harris in ihrem Wohnsitz die Entwicklung verfolgt. Ihre Kampagnenleiterin Jen O’Malley Dillon ruft dazu auf, noch nicht aufzugeben. Man hofft auf ein spätes Wunder.
Republikaner feiern schon
In allen drei nördlichen Teilstaaten liegt Trump derzeit in Führung, wobei die Auszählung schneller voranschreitet als erwartet. Ein Blick auf einzelne Bezirke in Wisconsin, die für die Demokraten besonders wichtig sind, zeigt das Problem schnell: Die Frauen in den Vorstädten von Milwaukee liessen sich offensichtlich mit dem Abtreibungsthema nicht so stark mobilisieren, wie es die Demokraten erhofft hatten. Es waren die «stillen Wählerinnen», die Harris dazu aufgefordert hatte, ihr ihre Stimme zu geben und niemandem davon zu erzählen. Es war offenkundig ein Opiumtraum: Diese Frauen gibt es in den republikanischen Vorstädten nicht – oder nicht in genügender Zahl.
Im Süden dominiert Trump: Die Swing States North Carolina, Georgia und Pennsylvania hat er bereits mit klarem Abstand gewonnen. Für die Demokraten bedenklich sind die Stimmen, die Trump in der Hochburg Philadelphia holen konnte. Nachwahlanalysen werden zeigen, wie viele Afroamerikaner zu ihm übergelaufen sind.
Wenn man auf die Bezirke im ganzen Land blickt, ergibt sich ein klares Bild: Donald Trump holt in vielen Regionen neue Stimmen. Es könnte ein Erdrutschsieg für die Republikaner werden. Was ist da los?
Harris im Gegenwind
Kellyanne Conway, Trumps langjährige Beraterin, sagte auf Fox News: Die Demokraten sprachen zu wenig über Migration und Inflation und zu viel über Abtreibung und Wokeness. Abtreibungsreferenden waren ein Highlight für die Demokraten in den Midterms 2022; in dieser Wahl scheinen sie eine untergeordnete Rolle zu spielen. In Florida wurde in einer Volksabstimmung ein Gesetz mit einer Fristenlösung von nur sechs Wochen angenommen, das sogar Trump für zu strikt hält.
Das Comeback von Trump ist erstaunlich, ob er nun am Ende siegt oder nicht. Das hat damit zu tun, dass die Biden-Regierung enorm unbeliebt ist. 58 Prozent haben eine negative Meinung von Joe Biden. Kamala Harris hat Mühe, sich als Wechselkandidatin darzustellen. Die wichtigsten Themen, welche die Amerikaner beschäftigen, sind die unkontrollierte Einwanderung und die Teuerung. Viele Bürgerinnen und Bürger in den USA haben keine Ersparnisse, mit welchen sie höhere Lebenskosten abfangen können – Millionen stehen an der Grenze der Armut und müssen sich entscheiden, ob sie Essen oder Benzin kaufen.
Sollte Kamala Harris doch noch den für sie negativen Trend in einen Sieg umkehren können, dann wäre das ihrem grossen Einsatz und ihrer Warnung zu verdanken, dass Trump eine Gefahr für die Stabilität des Landes darstellt. Doch es scheint, als ob die Mehrheit der Amerikaner im Moment das leere Portemonnaie mehr beschäftigt als der Zustand der Demokratie.