Die vom künftigen US-Präsidenten angekündigten Massnahmen dürften kurzfristig die US-Konjunktur und US-Aktien beflügeln. Auf die Dauer jedoch besteht wegen der Schuldenpolitik das Risiko eines zinsbedingten Wirtschaftseinbruchs.
Politik bestimmt immer mehr die Börsenentwicklung. In der Vergangenheit hatte Politik tatsächlich an der Börse kurze Beine und schon bald bestimmten wieder Gewinne und Zinsen die Kurse. Selbst als 1962 in der Kubakrise die Welt am Rande eines Atomkrieges stand, brach die Börse nur kurzfristig ein und hatte innerhalb weniger Monate ihren alten Stand wieder erreicht.
Heute fällt bei Wahlen auf, dass nicht nur in den USA, sondern auch weltweit fast überall die herrschende Partei abgelöst wird von der gegnerischen Partei oder einer völlig neuen politischen Konstellation. In den USA muss man bis ins späte 19. Jahrhundert zurückgehen, um eine Konstellation wie heute vorzufinden – nämlich dass dreimal hintereinander die Partei des Amtsinhabers abgelöst wird. Dies spiegelt offensichtlich eine tiefe Unzufriedenheit der Menschen mit den amtierenden Politikern. Dies gilt nicht nur für die USA, sondern auch für Grossbritannien, Frankreich, Indien, Japan, die Niederlande oder Südafrika. In der Regel kommt es dabei zu einem Rechtsruck, ausser jüngst in Grossbritannien.
Trumps Zölle könnten Deutschlands Wachstum halbieren
In den USA wird die Wahl Donald Trumps Veränderungen mit sich bringen, die wahrscheinlich wesentlich gravierender sind, als wir es uns heute vorstellen können. Trump muss keine Rücksicht darauf nehmen, ob er wiedergewählt wird oder nicht, denn in den USA kann ein Präsident nur zweimal gewählt werden. Mit seiner Pro-Amerika-Handelspolitik könnte er dem Welthandel gewaltigen Schaden zufügen. Er kann ohne Rücksicht auf die beiden Kammern des US-Parlaments Zölle mit direkten präsidialen Verordnungen durchsetzen.
Der angekündigte Zoll von 60% auf chinesische Importwaren könnte die ohnehin schwächelnde chinesische Konjunktur massiv unter Druck bringen. Aber auch das angekündigte Wachstum in Deutschland, das man im nächsten Jahr bei 0,4% sieht, könnte sich dann mehr als halbieren. Ein schnelleres Wirtschaftswachstum in den USA und ein höherer Dollar könnten den Effekt etwas mildern, aber langfristig dürfte besonders die scharfe Zollpolitik extrem negative Folgen in Sachen Wirtschaftswachstum und Inflation haben.
Die Auswirkungen auf Wachstum und Inflation dürften wiederum die Geld- und Fiskalpolitik in den betroffenen Ländern beeinflussen. Das alles trifft auf eine Weltwirtschaft, die wegen der historischen Rekordstaatsdefizite ohnehin in einer labilen Situation ist. Die USA können es sich wahrscheinlich leisten, die Staatsverschuldung weiter mit Rekordwachstumsraten steigen zu lassen. Die Weltreservewährung Dollar wird in Zeiten von schlechtem Wirtschaftswachstum und geopolitischer Unsicherheit eher Zuflüsse erleben als einen Vertrauensschwund. Allerdings wird die US-Regierung auch höhere Zinsen bieten müssen als heute.
Andere Länder müssen dagegen aufpassen, dass sie keinen Vertrauensschwund für ihre Währung oder ihre Anleihen auslösen, wenn sie fiskalpolitisch zu expansiv die Schulden erhöhen. 2022 wurde die englische Regierung gestürzt, weil die Gefahr bestand, dass der britische Bondmarkt die krass wachsende Neuverschuldung nicht mehr finanzieren könne. Heute sieht sich Frankreich in einer zunehmend schwierigeren fiskalpolitischen Situation mit dem augenblicklichen Zusteuern auf eine Neuverschuldung von 7% des Bruttoinlandprodukts, was US-Verschuldungsraten ähnelt. Aus dem Blickwinkel des Zinsniveaus dürfte sich Frankreich aber eine weiter steigende Neuverschuldung kaum leisten können, ganz abgesehen von Strafen der Europäischen Union, die allerdings bisher noch nie angewandt worden sind.
Trumps Radikalismus droht Weltwirtschaft zu beschädigen
Trump wird sich bemühen, mit diversen Massnahmen und nicht nur mit Zöllen das US-Wirtschaftswachstum zu beschleunigen. Aber ein Wirtschaftssystem ist ein äusserst empfindliches Gebilde, das auf extreme Massnahmen auch unerwartet extrem negativ reagieren kann. Elon Musk unterstützt die Trump-Idee, dass der Präsident mehr Kontrolle über das bislang unabhängige Federal Reserve Board bekommt. Trump hat angekündigt, Fed-Chef Jerome Powell auszutauschen, damit die US-Notenbank ähnlich in seinem Sinne urteilt wie die Richter des obersten amerikanischen Gerichtshofs, die von ihm schon zur Hälfte eingesetzt wurden. Powell sagte bei seiner jüngsten Pressekonferenz jedoch, dass er keine rechtliche Grundlage für eine Absetzung vor Ende seiner Amtszeit sehe.
Wenn Trump wirklich den Chef der US-Notenbank auswechseln sollte, könnten die USA eine Wirtschaftspolitik verfolgen, die das ganze internationale Wirtschaftssystem mit destabilisierten Erwartungen aus der Bahn wirft. Eine Wirtschaft kann man nur gut mit Feinabstimmungen, aber nicht mit Trumps Radikalmethoden steuern, die verheerende Auswirkungen haben können. Er wird radikale Regulierungsmassnahmen einführen und die Angebotsseite der Wirtschaft massiv unterstützen, aber andererseits durch die Zölle inflationäre Impulse auslösen.
Inflation könnte ebenfalls durch die angedrohten Ausweisungen gefördert werden. Seit Jahren hatte es keine so hohen Zuwanderungszahlen in die USA gegeben wie zuletzt, was schliesslich auch den Arbeitsmarkt unter Druck gebracht hat. Bei Abschiebungen im Millionenbereich (wie von Trump angekündigt) würde sich der Arbeitsmarkt wieder verknappen und inflationäre Impulse senden.
Langfristig am gefährlichsten könnten extreme Neuverschuldungsimpulse sein, deren eventuelle destabilisierende Effekte nicht bekannt sind.
Fazit: Kurzfristig dürfte Amerika durch bessere Konjunktur und steigende Währung verbunden mit entsprechend höherem Wohlstand positiv beeinflusst werden. Aber auf die Dauer könnte der gegenteilige Effekt eintreten, wo dann ein zinsbedingter Wirtschaftseinbruch eine politische Radikalisierung zur Folge haben könnte. Schon die Tatsache, dass Trump gewählt wurde, zeigt, dass in der amerikanischen Öffentlichkeit eine tiefe Unzufriedenheit herrscht, die schnell in eine politische Radikalentwicklung umschlagen kann. Wohl selten gab es eine so tiefe Spaltung der amerikanischen Gesellschaft.
Deutschland leidet am meisten unter Zöllen
In Deutschland setzen die Wähler offensichtlich auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation im Zuge des Endes der Ampelregierung. Man fragt sich allerdings, was sich hier grundsätzlich positiv für Deutschland ändern kann, wenn keine Änderung der teuren Klimapolitik absehbar ist. Deutschland braucht ein radikales Umdenken in der Politik, das auch nach den Neuwahlen wohl kaum zu erwarten ist. Diese Selbstzerstörung von innen und der Druck von aussen, der unter Trump gewaltig steigen wird, addieren sich für Deutschland zu den massivsten Problemen der Nachkriegszeit.
Negativ ist auf jeden Fall die Wahl von Trump für die deutsche Konjunktur und dieser Effekt wird in seinem Ausmass wohl noch stark unterschätzt. Das Problem ist die hohe deutsche Exportabhängigkeit, die seit der Euro-Einführung noch gewachsen ist. Dabei geht es nicht nur um die erwarteten Zölle, die Trump gegen Deutschland verhängen dürfte, sondern auch um die weltweiten Auswirkungen von Zöllen gegen China bis zu einer Höhe von 60%. Deutschland als Land mit der grössten Globalisierungsabhängigkeit wird international unter solchen Massnahmen am meisten leiden.
Schon jetzt geht die Tendenz in China gerade im Automobilbau in eine für Deutschland extrem gefährliche Richtung. Noch vor wenigen Jahren wurde ein Drittel der in China verkauften Autos von chinesischen Herstellern produziert, jetzt sind es 66%. Bei Elektroautos steuern die Zahlen sogar auf 90% zu, und gerade hier hatten sich die Deutschen Hersteller mit ihren hohen Investitionen Marktanteilsgewinne versprochen. Wenn sich der Absatz deutscher Unternehmen in China zehntelt, hat dies extreme Auswirkungen auf die Gewinnentwicklung.
Chinas Rache könnte Luxushersteller treffen
Diesmal dürften die Chinesen sich für die amerikanischen Massnahmen wesentlich mehr rächen als in der Vergangenheit. Es ist zu erwarten, dass staatliche Auflagen kommen, nach denen keine ausländischen Produkte gekauft werden sollen.
In diese Richtung geht schon die augenblickliche Tendenz, in China keinen Luxus mehr zu zeigen. Man will in der Öffentlichkeit in Zeiten schwieriger Wirtschaft nicht mehr durch Protzen mit Luxus auffallen. Bei Luxusunternehmen, die weitestgehend in Europa beheimatet sind (primär in Frankreich und Italien), sind hier weitere Gewinneinbussen zu erwarten.
Ausserhalb der USA dürfte es generell weltweit erhebliche Konjunkturbelastungen in den nächsten Jahren geben. Durch das Aussperren ausländischer Konkurrenz durch Zölle werden amerikanische Unternehmen gewinnmässig gefördert. Allerdings wird sich dies in steigenden Inflationsraten bei Importprodukten auswirken. Trump wird versuchen, diesen Inflationseffekt durch niedrigere Ölpreise wenigstens teilweise auszugleichen. Er wird Ölbohrungen in geschützten Gebieten freigeben und das Angebot kräftig erhöhen.
Schon in den letzten Jahren stieg die Öl- und Gasproduktion in den USA international am meisten, so dass die USA heute erstmals nicht mehr auf Ölimporte angewiesen sind, sondern zum Beispiel auch Fracking-Gas in grossem Stil exportieren. Beim Fördern der Ölbranche wird Trump also den Gewinn der entsprechenden US-Aktien nach oben bringen, aber keinerlei Rücksicht auf die Umwelt nehmen. Das bei der amerikanischen Fracking-Gas-Produktion anfallende Methan übersteigt die Gefährlichkeit von CO2 um das 30- bis 40-Fache.
Wie Anleger ihr Depot auf Trump einstellen können
Anleger können sich vor kommenden Schwierigkeiten wahrscheinlich nach wie vor am besten durch eine Erhöhung ihres Anteils in amerikanischen Aktien schützen. Die höher als erwarteten Zinsen als Folge der stabilen US-Konjunktur begünstigen die US-Finanzinstitute. Die amerikanischen Investment-Banken dürften vor goldenen Zeiten stehen. Die Zahl der Neuemissionen dürfte gewaltig steigen.
Auch die grossen amerikanischen Technologie-Unternehmen wie Alphabet, Microsoft, Nvidia, Amazon oder Meta stehen deutlich in der Gunst der internationalen institutionellen Anleger. Gemieden wird dagegen alles, was mit grüner Energie zu tun hat, wobei allerdings die Einzel-Aktienanalyse wichtig ist, weil einige Unternehmen an der Börse wegen des Aussperrens der chinesischen Konkurrenz sogar Vorteile erzielen könnten.
Aus dem Blickwinkel des Saisonzyklus und der üblichen Indexentwicklung in den Monaten nach der US-Wahl dürfte das Chance-Risiko-Verhältnis für Wallstreet in den nächsten Monaten günstig sein. Zwar dürfte es Enttäuschungen bei den Zinssenkungserwartungen geben, aber die Perspektive für wesentlich bessere Gewinne lässt steigende Aktienkurse erwarten. Hinzu kommt, dass die Markttechnik im Zuge der Unsicherheit im Vorfeld der Wahlen wieder zu mehr Barreserven der Anleger geführt hat (USA: 4,3% nach 3,9%) und auch beim «Fear and Greed-Indikator» die Sätze bis ca. 50% zurückgegangen sind, so dass jetzt nach der Klärung der politischen Situation vermehrt Kapital in Richtung Wallstreet strömen dürfte.
Drei Faktoren treiben die US-Aktienkurse an
Neben Trump dürften es drei Faktoren sein, die Konjunktur und Börse antreiben: Erstens immer mehr wachsende staatliche Ausgaben, was sich auch am Arbeitsmarkt (mehr Einstellungen vom Staat) niederschlägt. Zweitens der Vermögenseffekt. Der hohe Prozentsatz von Amerikanern, die Aktien besitzen und somit von der augenblicklichen Hausse profitieren, schlägt sich im Konsum nieder. Auch die wieder leicht steigenden Immobilienpreise, dort ist mehr Kapital in den USA von Privatanlegern gebunden als am Aktienmarkt, unterstützen den positiven Konsumeffekt durch steigende Vermögen. Drittens wird die Konjunktur getrieben von der Begeisterung für künstliche Intelligenz (KI) und den damit zusammenhängenden Investitionen. Dies ist ein durchaus selektiver Boom. Insgesamt befindet sich die Halbleiterbranche in einer eher ungünstigen Konjunkturphase.
US-Aktien sind zwar heute schon mit 70% im MSCI-Weltaktienindex gewichtet, aber dieser Satz könnte noch steigen und internationale Anleger können es sich nicht leisten, in einem derartig hoch gewichteten Markt nicht ausreichend dabei zu sein. Allein dieser Faktor sollte Wallstreet unterstützen. Interessanterweise befinden wir uns erst in einem sehr kurzen Bullenmarkt. In der Vergangenheit lag die durchschnittliche Dauer bei acht Jahren.
Dieser Artikel ist ein Auszug aus der «Finanzwoche», dem seit 1974 erscheinenden Investmentbulletin von Jens Ehrhardt.
Jens Ehrhardt
Jens Ehrhardt ist Gründer, Hauptaktionär und Vorstandsvorsitzender von DJE Kapital. Nach fünfjähriger Partnerschaft in der seinerzeit grössten deutschen Wertpapier-Vermögensverwaltungs-Gesellschaft promovierte er 1974 über «Kursbestimmungsfaktoren am Aktienmarkt». Im selben Jahr legte er den Grundstein für den Aufbau seiner Firmengruppe, die er von Beginn an leitet. Ehrhardt verantwortet neben seiner Rolle als Vorstandsvorsitzender noch die Bereiche Risikomanagement und Unternehmens-/Anlagestrategie.