Mit diesem Gedankenexperiment hätten 55 682 zusätzliche Einwohner in der Stadt Platz. Natürlich ist das unmöglich umzusetzen. Es kann nicht von jeder Wohnung ein Stück abgeschnitten und andernorts angesetzt werden.
Doch: Warum hat der Verbrauch an Wohnfläche so stark zugenommen, obwohl in der Stadt ein anhaltender Wohnungsmangel herrscht?
Die Art zu wohnen hat sich verändert. Während 1970 Mehrpersonenhaushalte überwogen, ist der Anteil der Einpersonenhaushalte in der Stadt in den letzten 50 Jahren von 31 Prozent auf 46 Prozent gestiegen.
Es werden aber immer noch ähnlich viele 2-, 3- oder 4-Zimmer-Wohnungen wie in den 1980er Jahren gebaut. Die Wohnungen sind im Schnitt sogar grösser als damals und folgen immer noch dem Urmodell aus den 1950er Jahren – dem Küche-Wohnraum-Schlafzimmer-Bad/WC-Schema, das dem damals dominanten Lebensstil der Kleinfamilie entsprach. Es passt dagegen nicht mehr zur Lebenssituation vieler heutiger Stadtbewohner.
Die Nachfrage nach 1- bis 2-Zimmer-Wohnungen wird in den nächsten Jahren durch das steigende Alter der Bevölkerung weiter wachsen. Gleichzeitig gibt es heute in der Stadt Zürich weniger 1-Zimmer-Wohnungen als Anfang der 2000er Jahre.
Seit dem Jahr 2000 hat sich die Zahl der 1-Zimmer-Wohnungen um 735 verringert. Viele dieser Wohnungen sind bei Sanierungen oder Ersatzneubauten durch Wohnungen mit einer anderen Zimmerzahl ersetzt worden.
Ernst Hubeli, Architekt und Stadtplaner, findet, dass Stadtwohnungen nicht mehr Fläche benötigen, sondern die richtige. In seinem Buch «Die neue Krise der Städte» schlägt er eine «intelligente Verdichtung» vor, die dem demografischen Wandel einer Stadt folgt. Ein gelungenes Beispiel ist für ihn die Wohnbaugenossenschaft Kalkbreite, wo es mehr gemeinsam genutzte Räume und weniger private Zimmer gibt. So reduziere man den Bedarf an Quadratmetern. Im Vergleich sieht das so aus:
Durch neue Wohnkonzepte und Belegungsvorschriften reduziert sich die Wohnfläche in vielen Baugenossenschaften und städtischen Wohnungen heute bereits auf durchschnittlich 32 Quadratmeter pro Person – das wäre sogar unter dem Schnitt der 1980er Jahre von 36 Quadratmetern. Würden alle diesem Beispiel folgen, könnten sogar 118 000 Personen mehr in der Stadt leben.
Mobimo, eine der grossen privaten Immobiliengesellschaften der Schweiz, bestätigt, dass das «Ur-Schema» der Kleinfamilie nach wie vor als Referenzmodell dient. Das Unternehmen gibt an, moderne und nutzerfreundliche Konzepte entwickeln zu wollen, die wirtschaftlich tragfähig sind und optimal auf aktuelle Wohnbedürfnisse zugeschnitten sein sollen.
Mobimo betont die Vielseitigkeit von 3-Zimmer-Wohnungen, die sowohl von Singles als auch von Paaren und Familien flexibel genutzt werden können. 1-Zimmer-Wohnungen wiesen nicht die gleiche Flexibilität auf und seien zum Beispiel für Familien ungeeignet, während die 3-Zimmer-Wohnungen eine Anpassung an verschiedene Lebenssituationen ermöglichten.
Obwohl die Quadratmeterzahlen bei neuen Wohnungen sinken, d. h. wieder kompakter gebaut wird, bleibt der Wohnkonsum in privaten Mietwohnungen weiterhin hoch.
Mobimo erklärt den Unterschied zu Baugenossenschaften und städtischen Wohnungen nicht nur durch deren Belegungsvorschriften, sondern führt ihn auch auf soziale, gesamtgesellschaftliche Faktoren wie höhere Scheidungsraten und den wachsenden Anteil an Singles zurück.
Neben der Reduktion des Wohnflächenverbrauchs wären der Bau von neuem Wohnraum in kompakteren Wohnungen sowie die Optimierung bestehender Wohnräume eine Lösung. Doch trotz der hohen Nachfrage ist die Zahl neu errichteter Wohnungen im Kanton Zürich in den letzten Jahren gesunken.
Der Wohnungsbausaldo – also die Differenz zwischen Neubauten und Abrissen – lag auch 2023 unter dem Durchschnitt der Jahre 2010 bis 2020 von etwa 7550 Wohnungen pro Jahr. 7600 müssten es sein, um das vom Bundesamt für Statistik prognostizierte Haushaltswachstum im Kanton Zürich bis 2040 zu bewältigen.
Mitarbeit
Dieser Artikel entstand im Rahmen eines Modulprojekts zum Thema «Visuell Geschichten erzählen» des Studiengangs Data Design + Art der Hochschule Luzern – Design und Kunst. Fiona Zellweger, Studentin im 3. Semester, wurde von Jonas Oesch (NZZ) und Manuela Paganini betreut.